9 Songs

Ein Film von Michael Winterbottom

Genre: Liebesfilm

 

 | Erscheinungsjahr: 2004

 | Jahrzehnt: 2000 - 2009

 | Produktionsland: Großbritannien

 

Mit seiner expliziten Darstellung von Sex sorgte das britische Drama 9 Songs für Kontroversen. Auch weil der Film nicht von einem Regiedilettanten, sondern vom anerkannten britischen Regisseur Michael Winterbottom gedreht wurde, zeigten sich Heerscharen von Kritikern und Kinogängern entsetzt angesichts der Großaufnahmen von Geschlechtsorganen und der Tatsache, dass die Darsteller diese tatsächlich benutzen. Doch wo entsteht der Skandal?

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Filmkritik:

Der Film macht uns zum Voyeur, doch welches Werk tut das nicht? Voyeurismus zählt unabhängig von der Themenwahl zu den Grundtugenden des Mediums. Da Winterbottom den Sex ohne besondere Effekthascherei, sondern mit einem eher dokumentarischen Ansatz inszeniert, führt er jeden Vorwurf der Pornografie ad absurdum. Und wie kontrovers kann etwas sein, was unser aller Alltag zeigt und den von Nachbarn und Arbeitskollegen, Bekannten und Verwandten?

Die Rezeption der Liebesszenen mag bisweilen auch aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus entstehen, denn narrativ bietet 9 Songs dem Publikum nicht viel an. Entweder beobachtet der Film mit wackliger Kamera die Live-Auftritte von britischen Bands wie Franz Ferdinand oder Primal Scream in der Brixton Academy in London, oder wir sehen das Paar beim Sex.

Anstatt sich über das Gezeigte zu mokieren, lässt sich auch vortrefflich über das nicht Gezeigte grübeln. Wie im ungleich positiver rezensierten, rückwärts erzählten Episodendrama 5×2 – Fünf mal Zwei von François Ozon bietet uns auch 9 Songs ein Rätsel an: Der Film chiffriert die Liebesbeziehung eines Paares als Zeichensystem aus Konzerten und Sex. Wir können darin nach den Feinheiten suchen und aus Winterbottoms rudimentärer Geschichte unsere eigene machen. Wie lange dauerte die Liaison der beiden Protagonisten? Ab welchem Moment schleicht sich Entfremdung in die anfängliche Intimität und wann verliert das Paar seine Leidenschaft gänzlich? Geht die Beziehung endgültig in die Brüche oder trennen sich die beiden Protagonisten am Ende des Films wirklich nur für eine vereinbarte Zeitspanne, um sich danach wiederzusehen?

Als enervierend erweist sich allerdings die visuelle Gestaltung. Die Digitalkamerabilder wirken grob und kontrastarm, das ständige Verwackeln stört zunehmend. Die vielen Konzertszenen erzeugen kaum Mehrwert und wirken im weiteren Verlauf reichlich repetitiv, zumal sie der nur 69 Minuten währenden Laufzeit Raum nehmen, der für eine tiefer gehende Charakterisierung nutzbar gewesen wäre.

9 Songs besitzt einige Schwächen, mutet seinem Publikum viel zu und bietet reichlich Diskussionsmaterial, doch zweifelsfrei ist Winterbottoms Experiment gelungen – es zwingt zur Auseinandersetzung. Und Auseinandersetzung ist im Kino immer eine gute Sache.

★★☆☆☆☆