James Bond 007 – Spectre

Ein Film von Sam Mendes

Genre: Thriller

 

 | Erscheinungsjahr: 2015

 | Jahrzehnt: 2010 - 2019

 | Produktionsland: GroßbritannienUSA

 

Eine laue Fortsetzung: Spectre erreicht zu keinem Zeitpunkt das Niveau des umjubelten Skyfall. Zwar besitzt das 24. Bond-Abenteuer eine reizvolle Idee, es scheitert jedoch an einem lustlosen Drehbuch, das in alte Muster verfällt und damit längst beseitigte Schwächen wiederbelebt.

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Filmkritik:

Teil 24 führt den mit der Daniel Craig-Ära begonnenen Neustart des Franchise zu einem Abschluss: Nachdem in Casino Royale alle typischen Elemente der Reihe entfernt und im Verlauf der ersten drei Filme in modernisierter Form wieder eingesetzt worden waren, füllt Spectre die letzte verbliebene Leerstelle. 44 Jahre nach Diamantenfieber feiern die titelgebende Geheimorganisation und Bonds Nemesis Ernst Stavro Blofeld ihr Comeback.

Dieses Mal muss Bond nicht nur den Datenbestand der westlichen Geheimdienste retten, er jagt den Schurken auch aus persönlichen Motiven, ist dieser doch für sämtliche Ereignisse der vorherigen Filme verantwortlich. Mit diesem Winkelzug verbindet Spectre die Werke der Daniel Craig-Ära zu einem großen Ganzen und widerspricht damit einem essenziellen Funktionsprinzip der Bond-Reihe.

Die Beliebigkeit des seriellen Erzählens war bisher Stärke und Schwäche zugleich: Das Geschehen ist immer nur einen Augenblick relevant, bevor es auf der Leinwand verglüht. Weder ein Wechsel des Hauptdarstellers noch inhaltliche Sperenzien können dem Helden etwas anhaben, keine Verletzung, kein Trauma, keine biografische Vergangenheit bleibt nach dem Abspann zurück. Ein James Bond existiert ausschließlich im Präsens.

Das änderte sich in der Daniel Craig-Ära und führte das Franchise zu einer neuen, zeitgemäßen Komplexität. Der Neustart verlieh dem Titelhelden mehr Tiefgang: Bond meisterte Aufgabe um Aufgabe, doch die sonst irrelevanten Kollateralschäden wiegen plötzlich schwer, für jeden Sieg bezahlt 007 nun einen Preis – die große Liebe in Casino Royale, seine Gesundheit in Skyfall.

Letzterer förderte ganz neue Seiten Bonds zutage und zeigte den Geheimagenten angeschlagen und müde, mehr mit dem Gestern als dem Heute beschäftigt. Das ist nur logisch – erstmals mit einer Vergangenheit konfrontiert, sieht sich die Figur zur Reflexion gezwungen und beginnt am eigenen Tun zu zweifeln.

Hier setzt Spectre an und führt die Entwicklung des Titelhelden konsequent fort. Unablässig zieht Teil 24 Verbindungen zu den Vorgängern und beschwört die Größe dieser Jahre umspannenden Story. Leider verheben sich Sam Mendes und die drei Drehbuchautoren daran – es gelingt ihnen nicht, die versprochene Größe auch einzulösen.

Dabei liefert Spectre einen der spektakulärsten Prologe der Franchisegeschichte ab und startet mit einer imposanten Plansequenz, die in einem multiperspektivischen Faustkampf an Bord eines durch die Luft trudelnden Hubschraubers endet. Die anschließende Titelsequenz bedient sich beim Signum Spectres, einem Oktopus, der hier Bonds Welt umschlingt, die Toten der Vergangenheit streift und sich selbst in tintentrüben Gewässern verbirgt. Eine der stimmungsvollsten Einführungen der Filmreihe!

Allerdings geht es nach dem grandiosen Auftakt stetig bergab. Die Filmreihe scheint über kurz oder lang immer wieder an einen toten Punkt zu gelangen, gefangen im Selbstzitat und dazu verdammt, sich auf ewig zu wiederholen. Vergangen ist die Lust an der Veränderung, mit der Casino Royale das Franchise entstaubte; Spectre führt die Reihe zurück in den erstarrten Ausgangszustand, in dem die Filmserie auch am Ende der Ära von Connery, Moore oder Brosnan landete.

Im Großen mag das Drehbuch der Beliebigkeit des seriellen Erzählens entsagen, im Kleinen gerät Spectre jedoch so beliebig wie kein anderer Bondfilm mit Daniel Craig. Pflichtschuldig hakt das Script die typischen Motive und Trademarks des Franchise ab, ohne darin eine Bedeutung zu finden. Von der obligatorischen Verfolgungsjagd mit Edelkarossen, den aufwendigen Setpieces und dem Techtelmechtel mit diesmal gleich zwei Frauen – alles ist drin, aber nichts von Belang.

Diesmal spielt die unterforderte Léa Seydoux das Bond-Girl, das wie in den Siebziger Jahren als bloßes Anhängsel von 007 dient. Die dabei aufkommenden Gefühle bleiben durchweg Behauptung: Da funkt nichts, da wächst nichts, wir Zuschauer werden schlicht vor vollendete Tatsachen gestellt; ein Armutszeugnis für einen Film mit einer Spielzeit von 148 Minuten. Die nicht stattfindende Figurenzeichnung verwundert umso mehr, da die Beziehung der beiden in Keine Zeit zu sterben fortgeführt werden wird, wo Seydoux hoffentlich eine emanzipiertere Rolle zukommt.

Nun handelt Spectre auch nicht von Bonds Liebesleben, sondern von seiner Jagd auf die titelgebende Verbrecherorganisation; die erhält allerdings nur eine klischeehafte Szene und wird ansonsten ausschließlich durch Bösewicht Blofeld verkörpert, der sowohl inhaltlich als auch darstellerisch floppt.

Die Drehbuchautoren greifen die in Skyfall vorbereitete Familiengeschichte Bonds wieder auf, um eine Verbindung zwischen 007 und Blofeld herzustellen. Dafür scheuen sie nicht vor Ideen zurück, die jedem Groschenroman zur Ehre gereichen würden. Für den Plot erfüllen die biografischen Überschneidungen von Held und Antagonist keine Funktion, sie bringen auch keine Tiefe in die Beziehung der beiden. Die grob gestrickte Idee degradiert den Schurken lediglich zum bockigen Kind.

Dazu passt die Darstellung von Christoph Waltz, der nur einen Modus kennt. Egal ob Nazi, Westernheld oder Bond-Bösewicht, Waltz gibt den salbadernden Spitzbub. Was beim dauerironischen Tarantino (einmalig) funktionierte, hat sich Jahre später abgenutzt: Waltz onkelt sich durch den Film und demontiert den ikonischen Blofeld. Der Mangel an Ernsthaftigkeit ermöglicht keine bedrohliche Aura, Waltz vermittelt eher den Eindruck eines Buchhalters mit Burnout-Syndrom.

Die Einfallslosigkeit des Drehbuchs trifft nicht nur die Figuren, sondern auch den Plot, der im letzten Drittel zur Aneinanderreihung schematischer Szenarien gerät, denen selbst die kompetente Inszenierung von Sam Mendes keine Größe geben kann. Immerhin bewahren Mendes‘ Regie, die stimmungsvollen Bilder und der glänzende Hauptdarsteller Spectre vor dem totalen Reinfall.

Daniel Craig beeindruckte schon zu Beginn seiner Bond-Laufbahn mit seiner Physis, inzwischen ist er auch in seiner Darstellung gereift und verleiht 007 eine natürliche Intensität. Craig kommt ohne Posen aus und muss Bonds Coolness nicht ausstellen, er verleiht seiner überlebensgroßen Figur eine praktisch veranlagte Bodenständigkeit.

Craigs Bond ist der einzige Bestandteil von Spectre, der sich unverrückbar am richtigen Platz befindet, er hievt diesen inhaltlich ziellosen Teil auf ein gerade noch mittelprächtiges Niveau und lässt darauf hoffen, dass Keine Zeit zu Sterben ein würdiger Abschluss der Ära gelingt.

★★★☆☆☆

„Bond. James Bond.“

Seit mehr als 60 Jahren bereichert James Bond die Kinogeschichte und umfasst inzwischen einen Kosmos aus 25 Filmen, 6 Hauptdarstellern sowie zahllosen Schurken und Bond-Girls. Gerade aufgrund der Serialität der Filmreihe lohnt ein vergleichender Blick auf das große Ganze: Die James Bond-Übersichtsseite versucht genau das und liefert Antworten auf die Fragen, wer der beste Bond-Darsteller ist und welche Filme der Reihe sich wirklich lohnen.