Frau ohne Gewissen

Ein Film von Billy Wilder

Genre: Kriminalfilm

 | Strömung: Film Noir

 | Erscheinungsjahr: 1944

 | Jahrzehnt: 1940 - 1949

 | Produktionsland: USA

 

Es gibt unzählige großartige Film Noirs, doch nur wenige prägten die Schwarze Serie derart wie Billy Wilders Frau ohne Gewissen, der auf höchstem Niveau nahezu alle Stilelemente und Archetypen zu einem Standard vereinte und damit das feste Vokabular späterer Werke zusammenstellte.

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Filmkritik:

Traditionell beginnt die Story mit einer Rückblende und einem Voice-Over:

„I killed for money, and for a woman. I didn’t get the money and I didn’t get the woman.“

Fatalistischer lässt sich ein Filmeinstieg kaum gestalten, zumal Frau ohne Gewissen das große formale Können des oft mehr wegen seiner starken Drehbücher geschätzten Wilder offenbart.

Der Regisseur verlässt sich nicht nur auf die Low-Key-Beleuchtung, sondern spielt aktiv mit Licht und Schatten und taucht die Dekors in stimmungsvolles Chiaroscuro; Wilders sogenannte Mezzo-Beleuchtung lässt selbst die wenigen Szenen, die tagsüber spielen, düster wirken wie um Mitternacht. Auch die prominente Nutzung von durch Jalousien gebrochenem Licht mag nicht für diesen Film erfunden worden sein, erst nach seiner Veröffentlichung tauchte es jedoch überall auf.

Eine der Stärken des Films liegt in seiner literarischen Qualität, die drei Meister ihres Fachs einbrachten. Frau ohne Gewissen beruht auf einer Erzählung von James M. Cain, der zuvor bereits den inzwischen zweifach verfilmten Roman Wenn der Postmann zweimal klingelt verfasste. Die Adaption übernahm niemand Geringeres als Krimilegende Raymond Chandler in seiner ersten Arbeit für Hollywood, noch bevor die großen Studios Romane wie Tote schlafen fest oder Der Tod kennt keine Wiederkehr verfilmten.

Die Zusammenarbeit zwischen Chandler und Wilder lief auf persönlicher Ebene nicht besonders gut, künstlerisch befruchteten sich die beiden jedoch ungemein. Einige der besten Chandler-Dialoge des Films stammen von Wilder, und Frau ohne Gewissen enthält unzählige treffsichere Zeilen, geschmückt mit sardonischem Humor, hartem Zynismus und garstigem Spott.

Wilders Film Noir kommt mit nur einer Handvoll Figuren aus, weil diese hervorragend gezeichnet sind und die Darsteller eine tolle Chemie finden. Barbara Stanwyck agiert umwerfend als Femme fatale; Fred MacMurray als typischer, vom Glauben an die eigene Cleverness und den Verlockungen einer Frau ins Verderben gezogener Hauptdarsteller spielt die ambivalenteste Rolle seiner von good Guys dominierten Karriere; Edward G. Robinson darf in einer wichtigen Nebenrolle sein gewohnt raumgreifendes Charisma versprühen.

Verwunderlich ist hingegen, wie effektvoll Frau ohne Gewissen anmutet, obwohl uns Wilder die entscheidenden Szenen vorenthält. Erst nimmt der Film bereits in der ersten Minute sein Ergebnis vorweg, dann lässt er uns im ersten Drittel den erotischen Flirt zwischen den Figuren von MacMurray und Stanwyck beobachten, den langerwarteten Gefühlsausbruch (und wegen des Hays-Code auch den Sex) enthält er uns jedoch vor.

Im Anschluss plant das Paar in aller Ausführlichkeit einen Mord, der jedoch – in einer der spannendsten Szenen des Films – wieder abseits der Kamera geschieht. Hier verdeutlicht Billy Wilder eine der Grundtugenden des Film Noir: Weil die Gier nach Geld und Frauen immer ins Verderben führt, zählen nicht die Ergebnisse, sondern der Weg dorthin. Und selten ist die Straße in den Tod derart fatalistisch gepflastert wie in Frau ohne Gewissen.

★★★★★★

1940 – 1949

Das Kino der Vierziger Jahre spielte sich im Schatten des Zweiten Weltkrieges ab, weshalb die Werke der Ära zu den düstersten der Filmgeschichte zählen. Finstere Bilder und ein ernster Tonfall dominierten die Lichtspielhäuser: mit dem fatalistischen Film Noir in den Vereinigten Staaten und den pessimistischen Dramen des Italienischen Neorealismus in Europa.

Film Noir

Rund zwanzig Jahre lang bereicherte Hollywood die Kinos mit düster gestalteten Kriminalfilmen. Deren heruntergekommene Detektive und abgebrühte Femme fatales gingen ebenso in die Popkultur ein wie ihr pessimistischer Tonfall. Damit zählt die Schwarze Serie auch abseits seiner zahllosen Klassiker zu den einflussreichsten Strömungen der Filmgeschichte.