Platoon

Ein Film von Oliver Stone

 

 | Erscheinungsjahr: 1986

 | Jahrzehnt: 1980 - 1989

 | Produktionsland: USA

 

Mit Platoon betrieb Oliver Stone Vergangenheitsbewältigung: Der Regisseur und Drehbuchautor verarbeitete seine Erlebnisse als Soldat in Vietnam in einem Antikriegsfilm, der die Sinnlosigkeit des amerikanischen Engagements herausstellt. Sein Werk gewann vier Oscars, u. a. für die beste Regie und als bester Film.

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Filmkritik:

In Platoon erleben wir den Vietnamkrieg durch die Augen eines Neulings, der einer Einheit mit kampferprobten Recken zugeteilt wird. Dabei gerät er in das Spannungsfeld gegensätzlicher Pole: Zwei grundverschiedene Sergeants führen das Platoon und belasten die Truppe durch ihren Konflikt von innen. Zugleich erscheint der Kampf gegen den Vietcong zunehmend aussichtslos.

Der Werdegang des Protagonisten trägt autobiografische Züge: Wie dieser hatte sich auch Oliver Stone als Student freiwillig für Vietnam gemeldet („Ich glaubte an das John Wayne-Bild von Amerika.“) und musste sich schockiert eingestehen, dass die Realität mit den hehren Idealen nichts zu tun hatte. Er wurde zwei Mal verwundet und für besondere Tapferkeit ausgezeichnet.

Rund zwanzig Jahre später trug Stone selbst zur Korrektur des medialen Bildes bei, das ihn damals irreführte. Nach langem Kampf um die Finanzierung seines Projektes konnte er Platoon schließlich für sechs Millionen Dollar auf den Philippinen drehen. Es sollte der Auftakt einer Trilogie zum Vietnamkonflikt werden, die er 1989 mit Geboren am 4. Juli fortsetzte und 1993 mit Zwischen Himmel und Hölle abschloss.

Stones Werke fügten sich in einen Trend ein: Zwischen 1978 und 1989 hatten Filme zum Vietnamkrieg Hochkonjunktur. Platoon sticht aus den Dutzenden Vertretern dieser Ära heraus, weil er mit narrativen Standards bricht und im Gegensatz zu Die durch die Hölle gehen, Apocalypse Now oder Full Metal Jacket auf eine Überhöhung des Geschehens verzichtet. Stone wählte eine geerdete Perspektive, die von Veteranen für ihre Authentizität gelobt wurde.

Platoon erzielt diesen Eindruck, indem er erzählerische Konventionen abstreift und das Geschehen durchweg im Nicht-Konkreten hält. Der Film spielt „irgendwo in der Nähe der kambodschanischen Grenze“ und seine Protagonisten absolvieren keine klar umrissene Mission, sondern laufen lediglich Patrouillen durch den Dschungel. Damit negiert Stone die im Kino typische Heldenreise – der Plot besteht aus lose zusammenhängenden Episoden und ergibt nie ein episches Abenteuer.

Der Regisseur zwingt uns so systematisch in eine Perspektive, aus der wir nie über den Dschungel hinaus blicken können. Ohne konkretes (erzählerisches) Ziel stellt sich nie das Gefühl eines Fortschritts ein; für die patrouillierenden Soldaten ist jedes Vorankommen ausgeschlossen, sie laufen buchstäblich im Kreis. Das stellt wiederum alles andere infrage und prägt die Wahrnehmung des Krieges: Welchen Sinn haben das Töten und die Opfer? Der Film verweigert jede Rechtfertigung.

Das spiegelt sich auch in der Inszenierung der Gefechte wider – sie besitzen keine innere Dramaturgie oder äußere Spannung. Meist ergießen sie sich kurz und plötzlich wie ein Hagelschauer über die Protagonisten, diese schießen dann ins undurchdringliche Grün oder das nächtliche Dunkel. Treffen Sie? Wir sehen es nicht. Stone dämpft die Sensationen des Genrekinos ab und betont die Willkürlichkeit des Sterbens im Kampf gegen einen anonymen Feind.

Kameramann Robert Richardson, der für Oliver Stone, Martin Scorsese und Quentin Tarantino regelmäßig hochelegante Bilder produzierte, schraubt die Ästhetik ebenfalls herunter. Platoon verzichtet auf bombastische Einstellungen von Napalm-Explosionen und Kriegsgerät. Richardson bleibt stets auf Augenhöhe mit den Protagonisten und sorgt mit der Perspektivwahl oft für Desorientierung und Unsicherheit. Er erhielt für seinen zweiten Film bereits die erste Oscar-Nominierung.

Für die Figurenzeichnung erweist sich die erzählerische Reduktion hingegen als nachteilig – es gelingt dem Film nicht, Zwischentöne hervorzubringen. Ein Kriegsverbrechen unterteilt die Soldaten auf simple Weise in positive und negative Bezugsfiguren, ihre Motive bleiben jedoch diffus. Damit wir uns wenigstens dem Innenleben der Hauptfigur annähern können, muss Platoon ihre Briefe nach Hause über ein Voice-over verbalisieren – eine erzählerische Krücke, die behelfsmäßig bleibt.

In dem rücksichtslosen Sergeant Barnes (Tom Berenger) und dem moralischen Sergeant Elias (Willem Dafoe) etabliert der Film ein Janus-Bild des amerikanischen Soldaten. Aus diesen zwei Seiten der Medaille destilliert das Drehbuch allerdings keine Erkenntnisse, es schöpft lediglich das melodramatische Konfliktpotenzial aus. Auch ihre Funktion als strenge bzw. barmherzige Vaterfigur für den Protagonisten bleibt rudimentär.

Die Figuren überschreiten daher die Grenze zu Stereotypen, die Riege exzellenter Schauspieler mildert diesen Eindruck jedoch ab. Neben Berenger und Dafoe überzeugen John McGinley, Forest Whitaker und Kevin Dillon in den Nebenrollen. Hauptdarsteller Charlie Sheen folgt seinem Vater Martin nach, der sieben Jahre zuvor die Hauptrolle in Apocalypse Now gespielt hatte. Er trotzt seiner passiven Figur ein fiebriges Staunen ab, konnte sich damit einen Namen machen und avancierte ein Jahr später – erneut unter Oliver Stone – in Wall Street zum Star.

Der Regisseur erreichte sein Ziel mit Platoon: Die bodenständige Perspektive auf den Vietnamkrieg verdeutlicht die Machtlosigkeit des Einzelnen und die Willkürlichkeit des Dienstes im Dschungel.

★★★★☆☆

1980 – 1989

Nach zwei Jahrzehnten, die sich zunehmend auf anspruchsvolle Werke fokussierten, fand in den Achtziger Jahren ein Umschwung statt. Genrefilme erlebten ein Comeback und Hollywood setzte zunehmend auf aufwendige Blockbuster. Das Unterhaltungskino begann, die Kinolandschaft zu dominieren.

(Anti)Kriegsfilm

Obwohl das Genre auf ein spezifisches Thema festgelegt ist, bieten sich dem Betrachter eine Vielzahl Subtexte und Motive. Während Kriegsfilme sich vornehmlich auf Abenteuer, Kameradschaft und Heldenmut konzentrieren, eröffnen sich im Antikriegsfilm eine Vielzahl von Themen: Moral und Menschenrechte, der Horror und die Absurdität des täglichen Grauens oder die perverse Systematik dahinter.