Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia

Ein Film von Sam Peckinpah

Genre: Kriminalfilm

 | Strömung: New Hollywood

 | Erscheinungsjahr: 1974

 | Jahrzehnt: 1970 - 1979

 | Produktionsland: MexikoUSA

 

Für Filme mit optimistischer Haltung ist Regisseur Sam Peckinpah ohnehin nicht bekannt, doch der Nihilismus von Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia sticht selbst zwischen dessen Arbeiten heraus. Peckinpahs Road Movie porträtiert einen Todgeweihten, der in blindem Eifer einer pervertierten Version des American Dream nachjagt.

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Filmkritik:

Die Geschichte des Films beginnt auf einer Hacienda in Mexiko, wo ein wütender Großgrundbesitzer seiner schwangeren Tochter den Namen des geflohenen Vaters abpresst. Der Patron benutzt den Terminus „Kopfgeld“ wörtlich und lobt eine Million Dollar für denjenigen aus, der ihm das Haupt des toten Alfredo Garcia vorlegt.

Auch der amerikanische Rumtreiber Bennie hört den Ruf des Geldes und findet heraus, dass besagter Alfredo längst das Zeitliche gesegnet hat. Zusammen mit seiner Freundin macht er sich auf, den Friedhof zu finden, den Kopf zu kapern und das große Geld zu kassieren.

Zum Zeitpunkt der Produktion von Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia galt Peckinpah längst als Paria Hollywoods. Seine stets turbulenten Dreharbeiten, sein Eigensinn und nicht zuletzt der Alkohol- und Drogenkonsum des Regisseurs eigneten sich nicht für den Glamour der Traumfabrik. In der Folge drehte Peckinpah Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia mit kleinem Budget, konnte sich aber zum ersten und einzigen Mal das Recht auf den Final Cut sichern.

Das Ergebnis mutet wie eine Kombination von Peckinpahs beiden vorherigen Werken an. Wie in Getaway inszeniert der Filmemacher eine brutale Gangsterballade in Gestalt eines Road Movies; wie in Pat Garrett jagt Billy the Kid formuliert Peckinpah einen elegischen Abgesang, der die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, Moral und Amoral verwischt.

Bei Peckinpah hat die Welt jegliche Unschuld verloren und ist zum Milieu der Filzläuse und Aasgeier geworden. Die Menschen agieren kaltherzig, sinnlose Gewalt ist an der Tagesordnung, individuelles Chaos verdrängt jede gesellschaftliche Ordnung. Eine persönliche Idylle zu finden, erscheint nicht länger möglich – selbst ein romantisches Picknick von Bennie und seiner Freundin mutiert prompt zur drohenden Vergewaltigung.

Gerade deshalb ersehnt Bennie das Kopfgeld. Es ist die Grundlage eines lang ersehnten Neuanfangs – eine letzte Chance, dem Billigen und Schmutzigen zu entfliehen, das sein Leben ausfüllt. Eine der Kernfragen des Films ist, ob es dafür nicht schon zu spät ist, weil Bennie seine Umgebung schon in sich trägt.

Der von Warren Oates glänzend gespielte Protagonist gleich längst seinem in die Jahre gekommenen Auto: Die Karosserie ist zerknautscht, der Lack angekratzt. Und doch sitzt im Inneren ein Motor, der noch ein letztes kraftvolles Aufheulen in sich trägt.

Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia dokumentiert diesen letzten Aufbäumversuch. Die erste Filmhälfte baut die pessimistische Stimmung und eine ordentliche Portion Suspense auf. An Garcias Grab angekommen, kippt Peckinpah das Geschehen endgültig. Wenn die Gewalt der Außenwelt Bennies Hoffnungen zunichtemachen, schlägt der schale Beigeschmack der Unternehmung voll durch.

Mit Alfredo Garcias Kopf findet Peckinpah ein wunderbares Symbol für den Kapitalismus. Der in einem Stoffsack verstaute Kopf mag ein Vermögen wert sein, die lange Fahrt in der mexikanischen Hitze offenbart jedoch den Charakter dieses Reichtums – er fault vor sich hin und lockt Fliegen an. Der desillusionierte Bennie nutzt ihn derweil als Gesprächspartner und wirkt von Szene zu Szene manischer.

Im Finale von Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia demaskiert Peckinpah die Sinnlosigkeit der Gewalt – und richtet sie auf ihre Urheber. Eine Katharsis erlaubt uns der Regisseur ausdrücklich nicht, was den bitteren Schlusspunkt setzt. In seiner letzten Arbeit von Rang schreit Peckinpah ein letztes Mal seine nihilistische Weltsicht heraus. Wie sein Protagonist richtet er sich mit Wut im Bauch gegen die Falschheit der kapitalistischen Gier und das amerikanische Selbstverständnis, ohne den Lauf der Dinge mit diesem Akt aufhalten zu können.

★★★★☆☆

Sam Peckinpah

Sam Peckinpah durchlief eine wechselhafte Karriere: Ausgestoßen vom Etablishment Hollywoods und eingeschränkt durch seine Drogensucht, drehte der Regisseur überwiegend B-Movies. Seine Filme sind geprägt durch eine pessimistische Weltsicht und eine virtuose Inszenierung von Gewalt. Inzwischen gelten Peckinpahs Außenseiterballaden und Spätwestern als Meilensteine der amerikanischen Kinogeschichte.

New Hollywood

Mitte der Sechziger Jahre gelangte das traditionelle Hollywood-Kino an einen kreativen Nullpunkt, der eine neue Strömung ermöglichte. Das New Hollywood legte die kreative Kontrolle der Produzenten in die Hände junger Regisseure, die so unkonventionelle Filme drehen konnten. Gesellschaftskritische Werke mit Außenseitern als Protagonisten sorgten für die Wiederbelebung des amerikanischen Kinos.