Crazed Fruit

Ein Film von Kô Nakahira

Genre: Drama

 | Strömung: Japanische Neue Welle

 | Erscheinungsjahr: 1956

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: Japan

 

Mit Crazed Fruit startete das japanische Kino in eine neue Ära, brachte Sittenwächter gegen sich auf und formulierte erstmals eine Attitüde, aus der letztlich die Japanische Neue Welle entstand.

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Filmkritik:

Zu Beginn der Fünfziger Jahre machte die japanische Filmindustrie dieselbe Entwicklung durch wie ihr Pendant in den Vereinigten Staaten: Die festen Standards der Studios wurden dem Zeitgeist nicht mehr gerecht und erreichten die jüngeren Generationen nicht mehr, was auch zu finanziellen Einbußen führte. In den USA reagierten die Studios durch zielgruppenorientierte Filme wie Der Wilde mit Marlon Brando oder den James Dean-Klassiker … denn sie wissen nicht, was sie tun.

In Japan bediente sich das so traditionsreiche wie zunehmend finanzschwache Studio Nikkatsu bei den Geschichten von Shintaro Ishihara, der im Alter von 23 Jahren den renommierten Akutagawa-Literaturpreis gewann, die Sprache der Jugend sprach und den Nerv der Zeit traf.

Gleich drei Romane Ishiharas wurden 1956 verfilmt, doch während Kon Ichikawas Punishment Room sich vor allem auf die kontroverse Darstellung der gewaltbereiten Jugendlichen fokussierte, fand Kô Nakahira mit Crazed Fruit eine ganzheitliche Artikulation des Lebensgefühls der japanischen Halbstarken.

Gekleidet in den unkonventionellen Soundtrack des legendären Komponisten Tōru Takemitsu, der einige Jahre später mit seiner Musik für das Meistwerk Die Frau in den Dünen Filmgeschichte schrieb, schildert Crazed Fruit das Leben zweier gut situierter Brüder, die sich beide in die hübsche Eri verlieben. Während sich der zwanzigjährige Natsuhisa ihr selbstbewusst nähert, ergeht sich der unerfahrene Sechzehnjährige Haruji in passiven Schwärmereien.

Zunächst zeigt der Film den Alltag der rastlosen jungen Leute: das Flanieren am Strand, das abendliche Tanzengehen. In der zweiten Hälfte der 86-minütigen Spielzeit steigert sich das Geschehen zügig auf das größtmögliche Maß: Geheimnisse führen zu Lügen und Verrat, die Konflikte münden in Gewalt. Das so tragische wie wahnwitzige Finale bleibt lange im Gedächtnis.

Crazed Fruit gestaltet seinen Plot erstaunlich homogen, die Übergänge zwischen Period Picture und Genrefilm sind fließend. Auch ein Verdienst von Regisseur Kô Nakahira, dessen schwungvolle Inszenierung die Sommerstimmung der Jugendlichen aufgreift und auf das Publikum überträgt. Neben der schmissigen Musik sorgen die agile Kamera und ein griffiger Schnitt für viel Dynamik.

Damit vermittelt Crazed Fruit auch nach sechs Jahrzehnten noch die Aufbruchsstimmung der Jugend und wirkt immer noch modern. Es verwundert wenig, dass Nakahiras Werk – noch einige Jahre vor dem Start der französischen Nouvelle Vague – eine Entwicklung lostrat, die Japans Filmlandschaft veränderte und radikalen jungen Filmemachern wie Seijun Suzuki, Shôhei Imamura und Yasuzō Masumura den Weg ebnete.

★★★★☆☆

1950 – 1959

In den Fünfziger Jahren befanden sich die weltweiten Studiosysteme auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. In den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich versammelten die Studios eine ungeheure Menge an Talent und veröffentlichten dank des geballten Produktionsniveaus zahllose Meisterwerke. Einen gewichtigen Anteil daran ist auch den Regisseuren zuzuschreiben, die sich innerhalb des Systems Freiheiten erkämpften und so ihr Potenzial ausspielen konnten.

Japanische Neue Welle

Als die französische Nouvelle Vague die Filmsprache veränderte, inspirierte sie auch die Regisseure im fernen Japan. Diese brachen nun ebenfalls mit traditioneller Inszenierung und altbackener Themenwahl. Es folgten Arbeiten unterschiedlichster Genres, die sich deutlich gesellschaftskritischer gaben und dazu einer modernen, manchmal sogar radikalen Inszenierung bedienten.