Happy End

Ein Film von Oldrich Lipský

Genre: Komödie

 | Erscheinungsjahr: 1967

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: Tschechien

 

Happy End entstand innerhalb der Tschechoslowakischen Neuen Welle und zählt zu jenen seltenen Filmen, die sich einem der Naturgesetze des Kinos widersetzen: Wie Christopher Nolans Memento, Gaspar Noés Irreversibel oder Francois Ozons 5×2 erzählt auch die Komödie von Oldrich Lipský ihre Geschichte rückwärts.

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Filmkritik:

Wo die vorgenannten Werke nur die Chronologie der Szenen ins Gegenteil verkehren, wagt der experimentelle tschechische Film ein konsequenteres Vorgehen und zeigt tatsächlich eine umgekehrt ablaufende Handlung – Menschen bewegen sich rückwärts, schaufeln Essen aus dem Mund auf den Teller und beantworten Fragen, die erst danach gestellt werden.

Diese absurde Anlage steigert Happy End noch durch ein Voice-Over vom Protagonisten Bedrich, der bierernst aus seinem Leben erzählt und uns dadurch zwei Filme auf einmal beschert. Die chronologisch richtige Lesart ergibt ein konventionelles Melodram, in dem ein Mann seine Frau mit ihrem Liebhaber erwischt, beide ermordet und dafür guillotiniert wird. Die umgekehrte Chronologie des Films verwandelt diesen Plot jedoch im Zusammenspiel mit dem sinnentstellenden Erzähler zu einer amüsanten Farce.

Nach Bedrichs „Geburt“ auf der Guillotine und einiger Zeit in einem staatlichen „Erziehungsheim“, schildert uns der Erzähler, wie ihn ein Richter nach einer Verhandlung hinaus in die Welt schickt. In einem Koffer darf er Bauteile einer Frau mit nach Hause nehmen, wo er sein holdes Weib sogleich zusammensetzt. Doch gerade, als Bedrich die Arbeit an der zukünftigen Ehefrau beendet hat, fliegt ein anderer Mann von der Straße auf den Balkon im fünften Stock und bandelt sogleich mit Bedrichs Frau an…

Obwohl die Filmidee beinahe kindisch klingt, erstaunt Happy End durch seine Vielschichtigkeit. Lipskýs Werk bietet heiteren Slapstick (die Mordszenen von Bedrich an seiner Frau und ihrem Liebhaber wirken zurückgespult noch grotesker) und cleveren Wortwitz (immer wieder sorgen die rückwärts angeordneten Dialoge für Lacher). Nebenbei gelingt der Komödie auch noch der eine oder andere Seitenhieb: Beispielsweise mutmaßt der Erzähler zu Beginn, dass einige der anderen „Schüler“ im „Erziehungsheim“, das offensichtlich eine Haftanstalt ist, später bedeutende Minister oder Generäle werden, was in der richtigen Reihenfolge impliziert, eben jene staatliche Autoritäten säßen aufgrund von Korruption im Gefängnis.

Zwar erfordert die Komödie ständige Antizipation seitens des Zuschauers und erweist sich damit als etwas fordernder als andere Genrevertreter, die unorthodoxe Inszenierung verkommt jedoch nie zur bloßen Spielerei, sondern erzeugt vielfältige Pointen. Aufgrund der hohen Gagdichte, der kurzen Spielzeit von nur 71 Minuten und der amüsanten Mimik von Hauptdarsteller Vladimír Mensík sorgt Happy End für spielerisch-anarchischen Spaß, der in Erinnerung bleibt.

★★★★☆☆

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Tschechoslowakische Neue Welle

Als in der kommunistischen Tschechoslowakei zu Beginn der Sechziger Jahre eine Liberalisierung einsetzte, ergaben sich auch für Filmschaffende neue Möglichkeiten. Inspiriert durch die französische Nouvelle Vague, experimentierten die Regisseure mit neuen visuellen und narrativen Formen. Viele Werke trauten sich, das Leben im Kommunismus zu kritisieren, bevor die Niederschlagung des Prager Frühlings auch die Strömung verstummen ließ.