Der schwarze Testwagen

Ein Film von Yasuzō Masumura

Genre: Thriller

 | Strömung: Japanische Neue Welle

 | Erscheinungsjahr: 1962

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: Japan

 

Yasuzō Masumuras nihilistischer Noir-Thriller Der schwarze Testwagen schildert den mit kriminellen Mitteln ausgetragenen Konkurrenzkampf zweier Autohersteller, begeistert durch hohen Unterhaltungswert und einen bemerkenswerten Subtext.

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Filmkritik:

Masumura begann seine Karriere als Regieassistent u.a. bei Kenji Mizoguchis Die Straße der Schande und drehte in seiner frühen Phase die bunte Satire Giganten und Spielzeuge, in der drei Süßwarenkonzerne um die Marktherrschaft kämpfen. Das Thema der konkurrierenden Unternehmen greift der Regisseur in Der schwarze Testwagen wieder auf, verlässt dabei jedoch die ironischen Gefilde zugunsten einer pessimistischen Bestandsaufnahme der japanischen Gesellschaft.

Der titelgebende Testwagen stellt die letzte Hoffnung der kleinen Automobilfirma Tiger dar, denn der deutlich größere Konkurrent Yamato droht, Tiger aus dem Markt zu drängen. Das neu entwickelte Automodell könnte sich als großer Trumpf entpuppen, doch die Konkurrenz schläft nicht: Der Yamato-Konzern spioniert und erpresst, um an die Unterlagen des geheimen Modells zu gelangen. Das ruchlose Vorgehen zwingt Tiger, zu den gleichen Mitteln zu greifen, sodass es zu einem schmutzigen Krieg zwischen den beiden Herstellern kommt.

Mit großer Lust stößt uns Regisseur Masumura in die unangenehme Welt des Films, die in kalten Schwarz-Weiß-Bildern eingefangen wird und in vielerlei Hinsicht an den Film Noir erinnert. Die zynischen Dialoge verbreiten im Zusammenspiel mit der ständigen Anspannung eine gehässige Stimmung, die amerikanischen Pendants wie Dein Schicksal in meiner Hand ebenbürtig ist. Der schwarze Testwagen treibt den Plot mit enormen Tempo voran und fährt reihenweise Intrigen auf.

Masumura liefert ein rassiges B-Movie voller korrupter Charaktere, einer allseits präsenten Paranoia und einem durchweg maroden Weltbild ab. Dementsprechend bereitet Der schwarze Testwagen einen Heidenspaß, doch seine größte Stärke spielt der Film dank einer geschickten Verlagerung erst spät aus. Im letzten Drittel verleiht Masumura seinem Werk einen durchschlagenden Subtext, der von einem gewöhnlichen Genrefilm nicht unbedingt zu erwarten ist.

Zu Beginn ist die Gemengelage klar verteilt – wir drücken der kleinen Firma Tiger die Daumen und hoffen, dass sie dem mächtigen Yamato-Konzern und seinem skrupellosen Vorsitzenden ein Schnippchen schlägt. Im weiteren Verlauf initiiert der Film jedoch einen schleichenden Wandel, wenn die eigentlich sympathischeren Mitarbeiter von Tiger ebenfalls zu illegalen Mitteln greifen – die Helden mutieren zu Anti-Helden.

Während wir Zuschauer wie die Protagonisten dem Rausch der Ränkespiele erliegen und dank des Film Noir-Flairs ordentlich mitfiebern, demaskiert Masumura das Geschehen im Finale, sodass jede Art von Wohlwollen für die Handelnden in sich zusammenfällt. Der Film verdeutlicht, wie stark sich die Angestellten von Yamato und Tiger gleichen. Sie alle stellen sich in den Dienst einer abstrakten Industriewelt, die Aussicht auf den großen Sieg rechtfertigt den Einsatz aller Mittel.

Damit beschreibt Masumura exakt jene Geisteshaltung, die das japanische Kaiserreich in den Zweiten Weltkrieg und den damit verbundenen Ruin getrieben hat; die Menschen haben nicht daraus gelernt, sondern lediglich den Nationalismus durch den Kapitalismus ersetzt. Auch das erbarmungslose Handeln der Figuren führt Der schwarze Testwagen auf den Zweiten Weltkrieg zurück und weist mehrfach darauf hin, dass die Spionagetaktiken und die martialischen Aktionen aus den Militärlaufbahnen der Protagonisten entliehen sind. Für sie geht der Krieg weiter, er tobt nun zwischen Firmen statt Nationen.

Im Gewand eines Thrillers verdeutlicht Masumura, wie sich die japanische Gesellschaft durch den Zweiten Weltkrieg verändert hat. Den beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung Japans führt der Regisseur auf die totale Selbstaufgabe der Bürger zurück. Weil sie ihre Werte und Ideale ablegen, erhält der erbarmungslose militärische Duktus der Vergangenheit Einzug in die zivile Geschäftswelt und vereinnahmt die Menschen. Der Kapitalismus frisst die Seele der Protagonisten und macht sie zu Sklaven der Arbeitswelt. Der Verlust von sozialen und gesellschaftlichen Bindungen führt zu zwangsläufig zu einer Entmenschlichung.

Die letzte Szene des Films mag die Liebe und das Leben gegen diese Tendenz in Position bringen, dennoch bleibt nach dem Ansehen von Der schwarze Testwagen ein pessimistisches Gefühl zurück. Im Anschluss sollte sich Masumuras Pessimismus in Nihilismus wandeln – vier Jahre später veröffentlichte der Regisseur mit dem meisterhaften Antikriegsfilm Red Angel sein bedrückendstes Werk.

★★★★★☆

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Japanische Neue Welle

Als die französische Nouvelle Vague die Filmsprache veränderte, inspirierte sie auch die Regisseure im fernen Japan. Diese brachen nun ebenfalls mit traditioneller Inszenierung und altbackener Themenwahl. Es folgten Arbeiten unterschiedlichster Genres, die sich deutlich gesellschaftskritischer gaben und dazu einer modernen, manchmal sogar radikalen Inszenierung bedienten.