Die 12 Geschworenen

Ein Film von Sidney Lumet

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 1957

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: USA

 

Mit Die 12 Geschworenen feierte Regisseur Sidney Lumet 1957 sein Kinodebüt, bevor er sich in den Siebziger Jahren mit Klassikern wie Serpico, Hundstage (beide mit dem jungen Al Pacino) oder Network endgültig in die amerikanische Filmgeschichte einschrieb.

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Filmkritik:

Wo Richter in Deutschland ihre Urteile „im Namen des Volkes“ sprechen, vertraut das amerikanische Rechtssystem seinen Bürgern die Rechtsprechung direkt an – es zählt zu den elementaren Bürgerpflichten, im Falle einer zufällig getroffenen Auswahl als Geschworener in einem Prozess zu dienen.

Die Tücken dieses Systems illustriert Die 12 Geschworenen an einem exemplarischen Fall: Ein 18-jähriger Puertoricaner ist des Mordes an seinem Vater verdächtig. Der Film setzt nach der Beweisaufnahme ein, erlaubt noch einen letzten Blick auf den Angeklagten und schließt uns anschließend mit den Geschworenen in einem Beratungszimmer ein.

Hier müssen die 12 Männer verharren, bis sie sich auf ein einstimmiges Urteil einigen können. Schuldig oder nicht schuldig? Das Idealbild des amerikanischen Justizsystems sieht in der Besetzung einer Jury einen Querschnitt seiner Gesellschaft, in der alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten vertreten sind. In der Praxis führen diese unterschiedlichen Einflüsse zu häufigem Dissens.

Die Tücken dieses Justizsystems führt uns Lumet schon nach wenigen Minuten vor Augen, wenn bereits eine erste Standortbestimmung unter den Geschworenen den vermeintlichen Täter beinahe zum Tod auf dem elektrischen Stuhl verdammt – nur einer der Männer spricht sich dagegen aus. Von einigen Anwesenden als Querulant diffamiert, entlarvt der von Henry Fonda verkörperte Geschworene mit ruhiger Beharrlichkeit seine von Vorurteilen oder bloßem Bauchgefühl beeinflussten Gegner.

Das Drehbuch sorgt derweil für erschwerte Bedingungen – es ist der heißeste Tag des Jahres und die Klimaanlage des Beratungszimmers funktioniert nicht. Raum und Stimmung heizen sich zunehmend auf, wenn die Charaktere und Egos der Männer aufeinanderprallen und inmitten der unterschiedlichsten Erfahrungshorizonte die Wahrheit aufgedeckt werden soll.

Da sich das Geschehen ausschließlich in einem Raum und gefühlt in Echtzeit abspielt, wirkt Die 12 Geschworenen trotz seiner Beispielhaftigkeit enorm authentisch. Mit effektvollen Perspektivwechseln und einer subtilen Kameraarbeit reizt Lumet die räumliche Beschränkung maximal aus, vermittelt gekonnt den Druck der Situation und die stetigen Verschiebungen der Gruppendynamik.

Die ausgezeichnete Dialogführung transportiert die Unerwägbarkeiten hervorragend und sorgt mit zahlreichen Wortgefechten für Spannung. Die Dialoglastigkeit kommt auch den Darstellern zugute, das Ensemble überzeugt in seiner Gesamtheit. Neben Henry Fonda, der in einer für ihn typischen Rolle eine immense Ruhe ausstrahlt, überzeugen vor allem Lee J. Cobb als Choleriker, Ed Begley als Rassist und Martin Balsam als engagierter Vorsitzender der Jury.

Die 12 Geschworenen unterhält nicht nur auf hohem Niveau und gefällt als vortrefflich erzählter Gerichtsfilm, seine moralische Botschaft macht auch vor uns Zuschauern nicht Halt und fordert nachhaltig dazu auf, persönliche Ressentiments zu überwinden, Glaubenssätze zu hinterfragen und grobem Populismus entgegenzutreten.

★★★★☆☆

1950 – 1959

In den Fünfziger Jahren befanden sich die weltweiten Studiosysteme auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. In den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich versammelten die Studios eine ungeheure Menge an Talent und veröffentlichten dank des geballten Produktionsniveaus zahllose Meisterwerke. Einen gewichtigen Anteil daran ist auch den Regisseuren zuzuschreiben, die sich innerhalb des Systems Freiheiten erkämpften und so ihr Potenzial ausspielen konnten.

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.