I’m Still Here

Ein Film von Casey Affleck

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 2010

 | Jahrzehnt: 2010 - 2019

 | Produktionsland: USA

 | Gattung: Mockumentary

Für die Mockumentary I’m Still Here setzte Joaquin Phoenix seinen Ruf aufs Spiel und investierte zwei Jahre seines Lebens. Sein Experiment ist zwar nicht vollkommen gelungen, sorgt jedoch für interessante Innenansichten aus dem Leben als Hollywoodstar.

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Filmkritik:

Als Phoenix im Jahr 2008 verkündete, dass er die Schauspielerei an den Nagel hängt, war die Aufregung groß. Er könne nie er selbst sein, sondern müsse jeden Tag eine Rolle namens Joaquin Phoenix spielen, gab der begnadete Schauspieler (Gladiator, Inherent Vice, Irrational Man) als Begründung an.

Für noch größere Verwunderung sorgte dann einige Wochen später die Meldung, Phoenix wolle in Zukunft nur noch als JP bezeichnet werden und eine Hip-Hop-Karriere starten; angeblich sei bereits ein von P. Diddy produziertes Album in Planung.

Dieser erstaunliche zweite Berufsweg sollte auch für die Nachwelt festgehalten werden: Phoenix’ Schwager Casey Affleck begleitete den Werdegang des angehenden Rappers und filmte ihn sowohl in der Freizeit wie auch in der neuen beruflichen Praxis.

Was zunächst noch als seltsamer Spleen eines Hollywoodstars abgetan wurde, mutierte spätestens nach einem legendären Auftritt bei Late Night-Talker David Letterman zu einer bedauerlichen Entwicklung, die Zweifel an Phoenix‘ Karriereplanung sowie an seinem körperlichen und seelischen Wohlbefinden weckte. Lethargisch saß er Letterman gegenüber, mit einem deutlichen Mehr an Gewicht und einem obskuren, ungepflegten Vollbart.

Der konsternierte Talkmaster beendete den Auftritt mit den Worten „Schade, dass Sie heute nicht hier sein konnten“, nachdem Phoenix auf die Fragen Lettermans kaum reagierte oder nur verhalten nuschelte. Alles deutete darauf hin, dass der spät erwachsen gewordene Joaquin Phoenix wieder zurück in das ausschweifende Partyleben gefallen war, in die Drogensucht, an die er schon seinen Bruder River Phoenix verlor.

Inzwischen ist klar: Der berüchtigte Auftritt bei David Letterman war geschauspielert, die gesamte, beinahe zwei Jahre währende Selbstdemontage ein Plan von Affleck und Phoenix. Die vermeintliche Dokumentation entpuppte sich als fiktives Werk, das dann als Mockumentary I’m Still Here veröffentlicht wurde. An billigen Gags ist den Machern dabei allerdings nicht gelegen – ihr Film beruht trotz hintergründiger Ironie weniger auf komödiantischen Einlagen, sondern hinterfragt als Farce das Startum Hollywoods.

Am besten ist I’m Still Here immer dann, wenn er ungeschminkt den Alltag seines Protagonisten zeigt. Besonders das Wirken der von einem Hollywoodstar dieses Kalibers scheinbar benötigten Entourage aus PR-Beratern, Agenten, Managern, Psychologen, Imageconsultern und persönlichen Assistenten vermittelt den Eindruck eines seltsam eigenständigen Organismus, der selbst einfachste Vorgänge zu einem exakt durchzuplanenden Event aufbauscht.

So sind mehrere Wochen und Hunderte Telefonate von drei Dutzend Beteiligten nötig, damit sich die Terminpläne zweier Stars für ein zehnminütiges Treffen kreuzen können. Es erscheint wenig verwunderlich, dass ein solches Theater nach einigen Jahren zu einer gewissen Weltfremdheit führt.

Bisweilen gefallen sich Affleck und Phoenix zu sehr in ihrem provokanten Tun und übertreiben es in den Episoden mit Prostituierten, Drogen und Fäkalien; das verhaltene Tempo und die wenig ausgewogene Dramaturgie senken den Unterhaltungswert. I’m Still Here erweist sich letztlich trotz seiner radikalen Idee als zu zahme, zu wenig in die Tiefe gehende Satire und erreicht nie die unbequemen Sphären eines Andy Kaufman.

Dennoch erlaubt der Film von Casey Affleck in einigen Szenen einen spannenden Blick hinter die Fassade des amerikanischen Showbusiness und erinnert uns wirkungsvoll daran, dass sich hinter dem perfekten Image von Filmstars noch immer echte Menschen verbergen.

★★★☆☆☆

Mockumentary

Das Wort Mockumentary setzt sich aus zwei Begriffen zusammen – aus Documentary, also dem Dokumentarfilm, sowie dem Verb (to) mock, das „vortäuschen“ bedeutet. Mockumentaries sind also fiktive Dokumentationen, die vortäuschen, echt zu sein. Regisseure nutzen dieses Format wahlweise als ungewöhnliches narratives Mittel (bspw. in fiktiven Biographien) oder für deutlich ernstere Stoffe, die besonders eindringlich an den Zuschauer appellieren sollen.