Blast of Silence – Explosion des Schweigens

Ein Film von Allen Baron

Genre: Kriminalfilm

 | Strömung: Film Noir

 | Erscheinungsjahr: 1961

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: USA

 

Da Blast of Silence 1961 veröffentlicht wurde, kam er drei Jahre zu spät, um noch zu den klassischen Film Noirs gezählt zu werden, dennoch gehört der Neo-Noir zu den filmhistorisch interessantesten Werken der schwarzen Serie: Es handelt sich nicht einfach nur um einen der zahllosen billig und schnell produzierten B-Noirs seiner Zeit, sondern vielmehr um ein komplexes, zwischen verschiedensten Einflüssen entstandenes Unikat.

Copyright

Filmkritik:

Dabei funktioniert Blast of Silence wie ein typischer Film Noir: Die Geschichte eines einsamen Auftragskillers, der durch eine triste, düstere Großstadt streift, dokumentiert das genauso wie die körnigen, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder, die Low-Key-Beleuchtung und die Voice Over-Narration.

Den bekannten Stilmerkmalen zum Trotz besitzt der Film jedoch auch eine gewisse Eigenständigkeit, besetzt die Schnittstelle zwischen spätem Noir und frühem Neo-Noir und bewegt sich damit im Dunstkreis von Sam Fullers Alles auf eine Karte oder Robert Aldrichs Meistwerk Rattennest.

Ihnen allen ist gemein, dass sie noch konsequenter, noch bewusster und offensiver mit den Mitteln der Strömung umgingen als die klassischen Noirs zwischen 1940 und 1958. Doch wo Protagonisten und Plot in Rattennest zur rassigen Pulp Fiction mutieren und heftig übersteigert werden, reduziert Blast of Silence seine Motive konsequent ins Minimalistische.

Der Plot bleibt hochgradig simpel und verzichtet auf jegliche Schnörkel, der einsame Protagonisten dominiert die Spielzeit, während selbst die drei Nebenfiguren jeweils nur zwei Mal kurz auftauchen.

Doch Blast of Silence ist nicht nur ein stilisierter Film Noir, sondern auch ein Autorenfilm: Im Alter von nur 33 Jahren schrieb Allen Baron das Drehbuch, führte Regie und übernahm, nachdem Peter Falk absagte, sogar noch die Hauptrolle.

Baron war es möglich, sein Projekt mit größtmöglicher Einflussnahme außerhalb des Studiosystems zu realisieren, womit Blast of Silence auch als früher Vertreter des amerikanischen Independentkinos angesehen werden kann (Kameramann Erich Kollmar filmte ein Jahr zuvor das erste Werk von John Cassavetes) und beeinflusste auch jene Regisseure, die später das New Hollywood-Kino mitgestalteten. So lassen sich die offensichtlichsten Reminiszenzen in einer ähnlichen Einsamkeitsstudie finden: Martin Scorseses Taxi Driver.

Zu guter Letzt kopierte der Regisseur nicht einfach nur die Stilistik der Noirs aus den zwanzig Jahren zuvor, sondern beweist auch den Willen, etwas Originäres zu schaffen und wurde dabei maßgeblich durch die Nouvelle Vague beeinflusst: Viele Szenen drehte Baron an Originalschauplätzen und ohne ausgestaltete Sets, sondern inmitten der Öffentlichkeit.

„Out of the black silence you were born in pain. You were born with hate and anger built-in. Took a slap in the backside to blast out the scream. Later you learn to hold back the scream. And let out the hate and anger another way.“

Wer ist es nun, der da aus einer gewissen Distanz, aber doch auch mit Anteilnahme spricht? Vielleicht das Gewissen des eiskalten Killers, vielleicht aber auch das Ich des Mörders selbst, das post mortem seinen eigenen Weg nachvollzieht? Wie im Kino von Robert Bresson laufen Bild und Ton die meiste Zeit über unabhängig voneinander, was eine interessante Wirkung entfacht und aufgrund der vielen Informationen die Spannung hochhält und eine ungemein dichte Atmosphäre aufbaut.

Baron kennt sein New York und fängt es trist und abweisend ein, findet Betonschluchten und kalte Interieurs, die den nihilistischen Inhalt passend spiegeln. Insofern ist es nicht weiter tragisch, dass der nicht als Schauspieler ausgebildete Allen Baron selbst die Hauptrolle übernahm. Mit seiner kargen Mimik erinnert er bisweilen an die Protagonisten aus den Filmen von Jean Pierre-Melville, dessen Der eiskalte Engel ganz sicher auch von Blast of Silence inspiriert wurde.

Der heimliche Star vor der Kamera ist sowieso ein anderer: Der korpulente Larry Tucker agiert so wunderbar schmierig und unangenehm, dass es eine Freude ist, ihm zuzusehen. Eine große Filmkarriere war Tucker leider nicht bestimmt; zwei weitere schöne Auftritte von ihm gibt es in Sam Fullers wunderbarem Schock-Korridor sowie im tollen Politdrama Sturm über Washington zu sehen.

Der schwungvollen Jazzmusik zum Trotz erweist sich Blast of Silence letztlich eher als Drama denn als Kriminalfilm, mit hochgradig fatalistischem Noir-Akzent – filmgrammatisch äußerst überzeugend, spannend und atmosphärisch inszeniert. Spätestens angesichts der großartigen Endsequenz, die etwas außerhalb New Yorks während eines Hurrikans (!) gedreht wurde, verwundert der niedrige Bekanntheitsgrad von Blast of Silence, dem seinerzeit kein großer Erfolg beschienen war.

Erst einige Jahre später wurde er neu entdeckt und gilt selbst heute noch als Geheimtipp, der als Bindeglied zwischen spätem Film Noir, Autorenfilm, New Hollywood, Nouvelle Vague und Independentfilm mehr Beachtung verdient hätte und überdies noch famose Unterhaltung bietet. Leider blieb der Film ein Unikat in der Filmografie eines Mannes, der danach (als Regisseur von Serienepisoden in der TV-Landschaft) verschwand, wie sein einsamer Protagonist in Blast of Silence.

★★★★★★

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Film Noir

Rund zwanzig Jahre lang bereicherte Hollywood die Kinos mit düster gestalteten Kriminalfilmen. Deren heruntergekommene Detektive und abgebrühte Femme fatales gingen ebenso in die Popkultur ein wie ihr pessimistischer Tonfall. Damit zählt die Schwarze Serie auch abseits seiner zahllosen Klassiker zu den einflussreichsten Strömungen der Filmgeschichte.