Der Dialog

Ein Film von Francis Ford Coppola

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 1974

 | Jahrzehnt: 1970 - 1979

 | Produktionsland: USA

 

In Der Dialog entwirft Francis Ford Coppola die Charakterstudie eines Abhörspezialisten, dessen geordnete Welt aus den Fugen gerät. Obwohl Coppolas Paranoia-Thriller auf Effekthascherei verzichtet, entwickelt sein Film eine untergründige Spannung: Hinter der vermeintlichen Alltäglichkeit des Geschehens gären mysteriöse Vorgänge.

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Filmkritik:

Der Film fokussiert sich voll und ganz auf seinen Protagonisten Harry Caul, der zu den führenden amerikanischen Abhörspezialisten zählt. Doch Caul ist auch ein Eigenbrötler, der sein Können nicht großspurig vermarktet, sondern lieber mit seiner kleinen Firma auf eigene Rechnung arbeitet und dabei stets selbst Hand anlegt.

Weil Caul einen Auftrag von undurchsichtigen Hintermännern annimmt, erfüllt Der Dialog alle Merkmale eines Thrillers: Cauls Auftrag scheint Teil von etwas Größerem zu sein und er selbst ebenfalls unter Beobachtung zu stehen. Er kann niemandem mehr trauen und verliert zunehmend den Boden unter den Füßen.

Allerdings nutzt Coppolas Film die Handlung lediglich als Gerüst für eine Bestandsaufnahme des Protagonisten. Der Plot fungiert als Katalysator, um Cauls innere Triebfeder auf Spannung zu setzen und immer weiter zu dehnen, auf dass der introvertierte Abhörspezialist aus seiner Passivität gedrängt wird.

Coppola nimmt sich viel Zeit, um Caul zu charakterisieren. Dieser hält sich nicht nur jobbedingt im Hintergrund – es wird klar, dass seine Persönlichkeit eine manische Komponente enthält. Caul ist nicht einfach sorgfältig und ordentlich, sondern steht unter einem inneren Druck – er sieht das Chaos der großen, uneindeutigen Welt und versucht sich ein kleines Refugium zu erhalten, in dem die Dinge klar und eindeutig sind. Dafür verweigert sich der Abhörspezialist auf zwanghafte Weise all den alltäglichen Störfaktoren, die seine Ordnung untergraben könnten.

Auch in seiner Arbeit strebt er nach größtmöglicher Klarheit, seine Aufnahmen sind streng objektiv: Er sieht und hört, aber er fühlt und wertet nicht. Auf dieser Grundlage muss sich Caul nicht mit seinem Tun und den moralischen Implikationen auseinandersetzen; sein ganzes Wesen fußt auf der Entscheidung, alles Nicht-Technische von sich wegzuschieben. Das betrifft insbesondere soziale Interaktionen – Caul fühlt sich offensichtlich unwohl mit der Uneindeutigkeit anderer Menschen.

Gene Hackman spielt den Protagonisten wunderbar verbissen und verdeutlicht in vielen Nuancen, dass sein Harry Caul nicht aus seiner Haut kann. Umso schwerer wiegt der Auftrag, der die sichere Routine aus den Fugen geraten lässt. Der Dialog beschreibt auf geniale Weise, wie Hackmans Protagonist immer verzweifelter um seine objektive Weltsicht kämpft, die ihm wie Sand durch die Finger rinnt.

Der Mann, der sein ganzes Leben über die eigene Klarheit definiert, verliert zunehmend seine Sicherheit: Unschärfen schleichen sich in seine Daten, die immer weniger ein Gesamtbild ergeben. Caul bekommt Probleme mit seiner Arbeit und mit seinen Manien, die er nicht länger im Mantel der Professionalität verstecken kann. Er beginnt, die Leerstellen mit Emotionen und Subjektivismen zu füllen, und verliert sich selbst in seinen Zwängen.

Coppola beschreibt Cauls Werdegang in einer Subtilität, die untypisch für das Kino Hollywoods ist und auf einer Narrenfreiheit fußt, die sich der Filmemacher durch den Erfolg mit Der Pate II erworben hatte. Coppola konnte sein Wunschprojekt als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent umsetzen. Der Dialog steht in einer ganzen Reihe von Paranoia-Thrillern, die die gesellschaftlichen und politischen Unsicherheiten der Nixon-Ära anzapfen.

Dafür orientiert sich der Film stark am europäischen Kino: Die Dramatik entsteht nicht aus Schauwerten oder Action, sondern durch den Kontrast aus den leeren Oberflächen und den latenten Bedeutungen, die sie beinhalten könnten. Die distanzierte Kamera erzeugt kalte Überwachungskamerabilder, die durch ein besonderes Faible für Architektur noch verstärkt werden. Wie bei Michelangelo Antonioni spiegeln die unpersönlichen Bauten der Großstadt die Nicht-Persönlichkeit des Protagonisten.

Daraus ergibt sich ein filmisches Puzzle, dessen Gesamtbild nur im Konjunktiv existiert – Der Dialog lässt seinen Protagonisten und uns Zuschauer bis zuletzt im Unklaren über die Vorgänge, die abseits des Bildes vonstattengehen. Es zählt zu den Qualitäten von Coppolas Werk, dass es sich vornehmlich in unserem Kopf abspielt – das Merkmal eines zeitlosen Klassikers, der immer wieder aufs Neue entdeckt werden kann.

★★★★★☆

Francis Ford Coppola

Francis Ford Coppola eroberte die Filmwelt schon im Alter von 31: Mit einer Reihe von Meisterwerken machte sich der Regisseur in den Siebziger Jahren unsterblich. Als führender Vertreter einer neuen Generation von Filmemachern ließ er sich trotz seines Erfolgs nicht vom Studiosystem vereinnahmen und gründete früh seine eigene Produktionsfirma. Dank dieser Freiheit konnte er “kleine” Filme drehen und aufstrebende Jungregisseure fördern.

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.