McCabe & Mrs. Miller

Ein Film von Robert Altman

Genre: Western

 | Strömung: New Hollywood

 | Erscheinungsjahr: 1971

 | Jahrzehnt: 1970 - 1979

 | Produktionsland: USA

 

Kein Filmgenre verkörpert den amerikanischen Traum so deutlich wie der Western, wo Männer ihre Freiheit nutzen, um sich ihr persönliches Glück zu erschließen. Da verwundert es nicht, dass das junge kritische Kino des New Hollywood sich zu Beginn der Siebziger Jahre verstärkt diesem uramerikanischen Genre zuwandte. Mit McCabe & Mrs. Miller dekonstruierte der Autorenfilmer Robert Altman als einer der ersten Regisseure das Westerngenre und schuf einen besonderen Klassiker.

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Filmkritik:

Statt endloser sommerlicher Prärien bekommt das Publikum graues Novemberwetter geboten. Der im Entstehen befindliche Ort, schlicht Presbyterian Church genannt, liegt im Schlamm zwischen kahlen Bergen und tristem Nadelwald – einige halb fertige Holzhütten im kanadischen Nirgendwo.

Hier leben eine Handvoll Arbeiter vor sich hin, während der bauernschlaue John McCabe sein Glück mit dem Betrieb eines Bordells machen will und dabei Unterstützung durch die erfahrene Freudendame Constance Miller erhält.

Die erste Hälfte des Films schildert den Alltag in der Siedlung fernab der konventionellen Typologie des Westerns. Immer wieder spickt Altman das Geschehen mit leiser Ironie. Hier haben die Frauen die Hosen an, während Männer über ihre Bärte sinnieren oder über die nötige Anzahl Bäder pro Monat.

Hauptfigur McCabe bringt zwar Schwung in die verschlafene Siedlung, entlarvt sich jedoch, je mehr er den Geschäftsmann spielt, als gutmütiger Aufschneider, der viel quasselt, aber keine Worte findet, wenn es um etwas Wichtiges geht. Seine ganz eigenen Buchhaltungsmethoden zeugen von seiner Unsicherheit als Geschäftsmann und seine unbeholfenen Annäherungsversuche an Mrs. Miller scheitern fortwährend.

Getragen von mehreren Songs von Leonard Cohen, spielt McCabe & Mrs. Miller die Lakonie dieses einfachen Lebens voll aus und ist auch der sinnlichste Film von Robert Altman, der hier zusammen mit Kameramann Vilmos Zsigmond naturalistische, ausdrucksstarke Bilder findet.

Mit einem Kunstgriff verstärkt der Film den Eindruck einer spröden Westernwelt noch zusätzlich: Durch absichtliche Überbelichtung des Filmmaterials wurde den Farben ihre Sättigung genommen, die Bilder wirken stumpf und weniger ästhetisch.

Für Zsigmond bedeutete diese Zusammenarbeit den Durchbruch in Hollywood. Es folgten eindrucksvolle Kollaborationen mit John Boormann (Beim Sterben ist jeder der Erste), Michael Cimino (Die durch die Hölle gehen) und Brian De Palma (Blow Out).

In der zweiten Filmhälfte der zweistündigen Spielzeit ändert sich der Tonfall des Films. Der erste Schnee fällt und mit ihm kommen Unterhändler einer großen Bergbaugesellschaft nach Presbyterian Church, die McCabe seinen Besitz zu einem guten Preis abkaufen wollen. Dieser witzelt und schwadroniert, erwartet mehr und muss am nächsten Morgen verdutzt feststellen, dass die Unterhändler wieder verschwunden sind.

Als kurz darauf drei bewaffnete Fremde auftauchen, wird klar, dass die Zeit der Verhandlungen vorbei ist. McCabe & Mrs. Miller wandelt sich zur Passionsgeschichte, dessen Protagonisten im Grunde nie eine Chance hatten. Der amerikanische Traum erweist sich als unbarmherzig für jene, die sich nicht seinen Spielregeln ausliefern wollen.

Aufgrund des Naturalismus von McCabe & Mrs. Miller wirkt das hochspannende Finale umso effektvoller. Während McCabe verzweifelt durch den Schnee hetzt, resigniert Mrs. Miller und flieht in den Rausch des Opiums. Der amerikanische Traum ist ausgeträumt.

★★★★★★

1970 – 1979

Die durch die neuen Wellen der Sechziger Jahre eingeleiteten Veränderungen nahmen auch in den Siebzigern Einfluss. In den USA entstand das New Hollywood und in Europa u.a. der Neue Deutsche Film. Erstmals kumulierten hohe Studiobudgets und die Kreativität junger Regisseure. Gegen Ende der Siebziger sorgte eine neue Entwicklung für die Wende: Die ersten Blockbuster erschienen und etablierten das Konzept marketinginduzierter Kino-Franchises.

New Hollywood

Mitte der Sechziger Jahre gelangte das traditionelle Hollywood-Kino an einen kreativen Nullpunkt, der eine neue Strömung ermöglichte. Das New Hollywood legte die kreative Kontrolle der Produzenten in die Hände junger Regisseure, die so unkonventionelle Filme drehen konnten. Gesellschaftskritische Werke mit Außenseitern als Protagonisten sorgten für die Wiederbelebung des amerikanischen Kinos.