Der Film Noir

Ein Überblick über die Schwarze Serie, die die Kinogeschichte prägte

Einführung

Kaum eine Strömung der Filmgeschichte ist derart in die Popkultur eingegangen wie der Film Noir. Jeder kennt das Bild vom rauchenden Privatdetektiv im Trenchcoat oder der verführerischen Femme fatale; die Motive der Schwarzen Serie durchdringen noch immer das moderne Genrekino.

Geprägt wurde der Begriff Film Noir von einem französischen Filmkritiker, der in den amerikanischen Krimis der frühen Vierziger Jahre eine neue, düstere Tendenz erkannte. 1941 erschien mit Die Spur des Falken der erste große Film Noir, dessen Ära das US-Kino zwanzig Jahre lang dominieren sollte, bevor Im Zeichen des Bösen die klassische Phase der Strömung 1958 abschloss.

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Die Stilmerkmale des Film Noir

Fatalismus

I killed for money, and for a woman. I didn’t get the money and I didn’t get the woman.“

Nirgendwo anders findet Murphys Gesetz mehr Anwendung als im Film Noir. Freunde und Liebende betrügen einander, Hoffnungen verwandeln sich in Albträume und jeder Plan produziert Kollateralschäden.

Der Meister dieses Fatalismus drehte nicht den Vereinigten Staaten, sondern in Frankreich: In den Werken von Jean-Pierre Melville geht grundsätzlich immer alles den Bach runter. Dass seine Helden und Anti-Helden umso verzweifelter ihre längst verlorenen Schlachten kämpfen, macht Melvilles Filme so ungemein spannend.

Rückblenden und Voice-Over

Um ihren Fatalismus noch effektvoller generieren zu können, starten viele Film Noirs, wenn es bereits zu spät ist: In einer Gefängniszelle, auf dem Sterbebett oder sogar post mortem erzählen die Protagonisten ihre Geschichte in Rückblenden. Diese Herangehensweise offenbart auch, dass es im Film Noir seltener um das Was als um das Wie geht – die Strömung lebt von ihrem Stil, nicht von der Handlung.

Oft erfahren wir die sündigen Details von einem Voice-Over-Erzähler. Diese fast schon obligatorische Art der Narration schafft eine zweite Ebene: Der Erzähler weiß mehr als wir Zuschauer; das versetzt ihn in die Lage, das Geschehen knackig zu kommentieren.

Low-Key-Beleuchtung

Im klassischen Hollywoodkino zählte eine möglichst nahtlose Ausleuchtung ohne Schatten zum festen Produktionsstandard. Nicht so im Film Noir, für den die Kameramänner ihre Sets in Dunkelheit tauchten.

Statt gleichmäßig von oben ins Bild zu fallen, strahlt das Licht seitlich oder von unten in die Szenerie, was Tischlampen zur bevorzugten Requisite der Ära machte. Manchmal wird ein Set auch nur indirekt beleuchtet: Großstadt-Neonreklamen zwängen ihre Strahlung durch Jalousien und werfen Schachbrettmuster in Räume, in denen die Verzweiflung stetig wächst.

Anschauliche Beispiele für die Low-Key-Beleuchtung im Film Noir liefern Rächer der Unterwelt oder Geheimring 99.

Niedrige und schräge Kameraperspektiven

Die visuelle Ebene der Schwarzen Serie wird nicht nur durch die expressive Beleuchtung bestimmt – die typische Aufnahmeposition der Kamera liegt ein ganzes Stück tiefer als gewohnt: Statt auf der Schulterhöhe der Protagonisten befindet sie sich in der Regel auf Hüfthöhe.

Diese tiefere Perspektive fühlt sich gänzlich anders an: Sie trägt dazu bei, dass die Welt des Film Noir sich ein Stück weit verdreht anfühlt; alles sieht aus, wie es aussehen soll, und doch herrscht eine latente Unruhe vor.

In besonders intensiven Szenen verzerrten die Kameramänner die Perspektive gerne durch eine Schräglage der Kamera – wütende Psychopathen, Verfolgungsjagden oder Mordszenen wirken so noch bedrohlicher, Machtverhältnisse kippen im Wortsinne.

Ein guter Einstiegsfilm

Frau ohne Gewissen

Frau ohne Gewissen

Filmszene aus Frau ohne Gewissen

Billy Wilders Film Noir aus dem Jahr 1944 gilt als einer der Prototypen der Schwarzen Serie. Frau ohne Gewissen beinhaltet nahezu alle Stilmerkmale der Strömung: Er wird in Rückblenden und mittels eines Voice-Overs erzählt und handelt von einem Mann, der von einer Frau verführt und zu einem Mord getrieben wird. Die Low-Key-Beleuchtung sorgt für tolle Bilder, während Fred MacMurray als Antiheld und Barbara Stanwyck als Femme fatale eine fantastische Chemie beweisen. Großen Spaß machen auch die schnippischen Dialoge von Krimilegende Raymond Chandler.

Top 10: Die besten Film Noirs

Filmszene aus Goldenes Gift

Goldenes Gift

Jacques Tourneur | 1947 | USA

Goldenes Gift definiert den Gipfel des klassischen Film Noir. Das Meisterwerk von Jacques Tourneur besitzt einen komplexen Plot, der mit unserer Erwartungshaltung spielt und die eindrucksvollste Femme fatale der Schwarzen Serie etabliert. Der Film schwelgt in betörendem Schwarz-Weiß und aalt sich regelrecht in seiner fatalistischen Stimmung, die nicht für Hochspannung, sondern für eine alles durchdringende Melancholie sorgt. Keine impulsiven Verbrechen, sondern ein Hass zäh wie Honig treibt Goldenes Gift an. Die herausragende Besetzung (Robert Mitchum, Kirk Douglas), die erzählerische Konsequenz und das poetische Finale runden den beeindruckenden Film ab.

Filmszene aus Mord, mein Liebling

Mord, mein Liebling

Edward Dmytryk | 1944 | USA

Die erste Adaption eines Philip Marlowe-Romans von Raymond Chandler ist zugleich die beste: Der frühe Film Noir Mord, mein Liebling spielt die Stärken der Vorlage voll aus, er nutzt Chandlers blumige Sprache und übernimmt den herrlich konfusen Plot ohne erzählerische Kompromisse. Zudem setzte Edward Dmytryks markante Bildgestaltung den Standard für alle nachfolgenden Vertreter der Schwarze Serie. Zwar ist Philip Marlowe vor allem mit dem ikonischen Humphrey Bogart verknüpft, der Ansatz von Mord, mein Liebling funktioniert jedoch auch ausgezeichnet – Dick Powell legt den Protagonisten ironischer und smarter an.

Filmszene aus Rattennest

Rattennest

Robert Aldrich | 1955 | USA

Rattennest ist ein B-Movie, das Filmgeschichte schrieb: Der Klassiker von Robert Aldrich verleibte sich den klassischen Film Noir ein, kaute ihn gehörig durch und spuckte etwas Neues aus – den ersten Neo-Noir. Ohne jeden Respekt übersteigert Aldrich die Figuren und Motive der Schwarzen Serie bis ins Comichafte und orientiert sich dabei deutlich an der Nouvelle Vague. Er bricht mit traditionellen Regeln des Filmemachens, stellt die Filmhaftigkeit des Geschehens offen aus und dekonstruiert die Semantik des Film Noir. Sein postmoderner Ansatz verwandelt die simple Detektivgeschichte in eine sensationelle Pulp Fiction, die den Film Noir am Ende wortwörtlich in die Luft sprengt.

Filmszene aus Ein einsamer Ort

Ein einsamer Ort

Nicholas Ray | 1950 | USA

Ein einsamer Ort vereint die beiden schicksalhaftesten Spielarten des Kinos: den Film Noir und das Melodram. Dass hier ein Mord die Grundlage für eine Liebesgeschichte bildet, illustriert die Schwärze des Stoffes, der fortwährend Zynismus und Fatalismus versprüht. Dabei brilliert der Film von Nicholas Ray durch starke Dialoge und lebt besonders von Hauptdarsteller Humphrey Bogart, der in seiner Karriere viele große Rollen meisterte, aber nie besser spielte als in Ein einsamer Ort.

Filmszene aus Heißes Eisen

Heißes Eisen

Fritz Lang | 1953 | USA

Heißes Eisen verlieh dem Film Noir eine neue Härte: Der Klassiker von Fritz Lang etabliert einen rauen Tonfall und überrascht mit drastischer Gewalt. Auch der Werdegang des Protagonisten ist bemerkenswert, der Cop auf Rachefeldzug bewegt sich an der Grenze zum Antihelden. Die starken Figuren werten den soliden Plot entscheidend auf, Heißes Eisen versammelt gleich mehrere spannende Frauenfiguren und einen psychopatischen Schurken, der von Lee Marvin formidabel gespielt wird. Die stilsichere Inszenierung von Fritz Lang bietet den passenden Rahmen für diesen düsteren Film Noir.

Filmszene aus Der dritte Mann

Der dritte Mann

Carol Reed | 1949 | Großbritannien

Der britische Film Noir Der dritte Mann entstand an Originalschauplätzen in Wien, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine besondere Kulisse abgab. Die versehrte Architektur ermöglichte großartige pittoreske Bilder, die im Zusammenspiel mit der berühmten Zithermusik von Anton Karas für eine besondere Stimmung sorgen. Zu der effektvollen Inszenierung von Carol Reed gesellt sich ein perfider Plot, der durch spannende Figuren und mysteriöse Begebenheiten viel Suspense erzeugt. Die ausgezeichneten Darsteller um Joseph Cotton und Orson Welles hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Filmszene aus Die Spur des Falken

Die Spur des Falken

John Huston | 1941 | USA

Mit seinem Debüt Die Spur des Falken drehte John Huston den ersten großen Film Noir und bescherte Humphrey Bogart den Durchbruch als Hauptdarsteller. Im Vergleich zu späteren Vertretern des Schwarzen Serie wirkt Hustons Werk noch recht konventionell, es nutzt eine klassische Dramaturgie und wurde komplett im Studio statt an Originalschauplätzen gedreht. Der altmodische Rahmen tut dem Vergnügen jedoch keinen Abbruch – die abgebrühten Dialoge aus der Feder von Dashiell Hammett, die undurchsichtigen Intrigen zwischen den Figuren und die spielfreudigen Darsteller verleihen Die Spur des Falken eine zeitlose Qualität.

Filmszene aus Der gläserne Schlüssel (1942)

Der gläserne Schlüssel

Stuart Heisler | 1942 | USA

Der gläserne Schlüssel basiert auf einem Roman von Krimilegende Dashiell Hammett und spielt in einem politischen Milieu, das von Zynismus und Amoral durchdrungen ist. Zu Beginn lassen sich Held und Schurke kaum auseinanderhalten – hier agiert jeder eiskalt und egoistisch, was der Film in abgebrühten Dialogen zum Ausdruck bringt. Die Situation verändert sich erst durch den Zauber von Veronika Lake, die einmal mehr ein Traumpaar mit Hauptdarsteller Alan Ladd bildet – die Chemie der beiden ist bemerkenswert.

Filmszene aus Blast of Silence - Explosion des Schweigens

Blast of Silence – Explosion des Schweigens

Allen Baron | 1961 | USA

Blast of Silence ist ein bemerkenswertes Unikat, das unabhängig von Hollywood als Autorenfilm entstand – Allen Baron verantwortete Drehbuch, Regie und Hauptrolle. Die Einflüsse der Nouvelle Vague durchziehen diesen späten Film Noir, der die bedrückende Einsamkeitsstudie eines Auftragskillers entwirft und spätere Großstadtdramen wie Taxi Driver vorwegnahm. Die spröden Schwarz-Weiß-Bilder und das nihilistische Voice-Over prägen die Stimmung des Films so nachhaltig, dass er trotz nur 77-minütiger Spielzeit eine enorme Wucht entwickelt.

Filmszene aus Polizei greift ein

Polizei greift ein

Samuel Fuller | 1953 | USA

Der späte Film Noir Polizei greift ein liefert ein Musterbeispiel für den faszinierenden Stil von B-Movie-Meister Samuel Fuller. Die schnörkellose und doch stets nuancierte Regie erzeugt einen mitreißenden Rhythmus und inspirierte die Regisseure der Nouvelle Vague nachhaltig. Schon die erste Szene baut Spannung auf; danach etabliert Fuller Milieu und Charaktere in Windeseile, verwischt Gut-Böse-Kategorisierungen und überlässt den starken Darstellern viel Raum. Insbesondere Richard Widmark reißt als psychopathischer Skip McCoy jede Szene an sich.

Die wesentlichen Einflüsse auf den Film Noir

Deutscher Expressionismus

Die Ästhetik der Schwarzen Serie entstammt den expressionistischen Stummfilmen aus Deutschland. Werke wie Das Cabinet des Dr. Caligari erschufen aus übertriebenem Licht- und Schattenspiel ganz eigene filmische Parallelwelten. Als die deutschen Regisseure im Zuge der Machtergreifung der Nazis in die Vereinigten Staaten emigrierten, exportierten sie auch diese Stilistik.

Poetischer Realismus

Die Strömung des Poetische Realismus entstand im Frankreich der Dreißiger Jahre und kennzeichnet eine Periode, in der sich Filmemacher und Autoren den Milieus der kleinen Leute zuwandten. Werke wie Der Tag bricht an oder Bestie Mensch thematisierten Sehnsüchte und Probleme der sozial Schwachen, deren Geschichten nicht selten in fatalen Niederlagen enden.

Amerikanische Gangsterfilme

Die formalen und inhaltlichen Merkmale der beiden vorgenannten Strömungen aus dem Ausland fielen auf den fruchtbaren Boden eines uramerikanische Sujets – der Faszination am Verbrechen, das in den Dreißiger Jahren durch Gangsterfilme wie Howard Hawks‘ Scarface oder William A. Wellmans Der öffentliche Feind gefüttert wurde.

Hard Boiled Literatur

Zeitgleich schwangen sich einige Krimiautoren zu immer härteren Romanen auf, deren Protagonisten sich in einer korrupten, zynischen Welt bewegen. Dashiell Hammetts und Raymond Chandlers Privatdetektive Sam Spade und Philip Marlowe wurden zu Ikonen des Genres, ihre Schöpfer schrieben fortan für Hollywood.

Die drei Phasen des Film Noir

Die Film Noirs der Kriegsjahre

(1940 – 1946)

Die während des Zweiten Weltkrieges produzierten Werke der Schwarzen Serie orientierten sich noch stark an klassischen Kriminalfilmen. Nach wie vor wurden sie überwiegend im Studio gedreht und schildern die Aufklärung von Verbrechen, schlagen dabei aber einen düsteren Tonfall an als konventionelle Krimis.

Beispiele: Die Spur des Falken (1941) | Der gläserne Schlüssel (1942) | Laura (1944) | Rächer der Unterwelt (1946)

Der Nachkriegsrealismus

(1945 – 1949)

In der zweiten Phase des Film Noir rückten die Milieus stärker in den Vordergrund. Die Großstadt als Ort von Laster und Verbrechen bildete das Zentrum für Filme, die zunehmend an Originalschauplätzen gedreht wurden. Die Figuren stehen in der Regel unter deutlich stärkerem Druck und die Geschichten beinhalten stärkere Frauenrollen.

Beispiele: Goldenes Gift (1947) | Der dritte Mann (1949) | Gewagtes Alibi (1949)

Die Ära der Psychopathen

(1949 – 1958)

Die dritte Phase des Film Noir setzte sich mit den eigenen Formeln auseinander. Im Bewusstsein um die eigenen Motive setzten die Kreativen auf neue Varianten, deutlich mehr Härte und Übersteigerungen. Insbesondere die B-Noirs trieben ihre Helden in die Verzweiflung und die Schurken in den Wahnsinn; Manien und Psychosen bestimmen zunehmend das Tun der Protagonisten.

Beispiele: Polizei greift ein (1953)| Heißes Eisen (1953) | Im Zeichen des Bösen (1958)

Der Film Noir außerhalb der USA

Frankreich

Natürlich fand eine Strömung, die einen französischen Namen hat, auch in Frankreich einen Resonanzboden. Bereits 1943 drehte Henri-Georges Clouzot mit Der Rabe einen fesselnden Film Noir, in dem ein anonymer Briefeschreiber die Bürger einer Kleinstadt aufeinander hetzt. 1955 legte Clouzot dann sein Meisterwerk vor: Der Mysterythriller Die Teuflischen überzeugt vor allem durch seine sinistere Atmosphäre.

Auch Louis Malles betont langsamer Krimi Fahrstuhl zum Schafott und Jacques Beckers packendes Gefängnisdrama Das Loch zählen zu den Höhepunkten aus dieser Periode.

Der Meister des französischen Noirs ist für mich jedoch Jean-Pierre Melville. Seine Gangsterfilme überzeugen mit stilistischer Coolness und unbarmherzigem Fatalismus – egal ob in Schwarz-Weiß (Der Teufel mit der weißen Weste, Der zweite Atem) oder Farbe (Der eiskalte Engel, Vier im roten Kreis, Armee im Schatten).

Japan

Nach seinem ersten Versuch Ein streunender Hund (1949) drehte Akira Kurosawa in den Sechzigern noch zwei von der Schwarzen Serie geprägte Filme – The Bad Sleep Well und Zwischen Himmel und Hölle. Letzter zählt zu den Meisterwerken des japanischen Regisseurs.

Nahezu im Wochentakt veröffentlichten die großen Studios billige Film Noirs. Einige dieser B-Movies machen einen Heidenspaß: Intimidation ist ein packender Thriller mit moralischen Zwickmühlen, in Der schwarze Testwagen bekriegen sich zwei Autohersteller und in Take Aim at the Police Van verläuft die Handlung derart komplex, dass man kaum mitkommt.

Berühmt sind auch die schrillen Thriller von Seijun Suzuki, der den Film Noir in Jagd auf die Bestie, Branded to Kill und Tokyo Drifter zur Popart stilisierte und damit das postmoderne Kino Tarantinos vorwegnahm.

Großbritannien

Mit dem im zerstörten Nachkriegswien gedrehten Film Noir Der dritte Mann stellt Großbritannien einen der berühmtesten Vertreter der gesamten Strömung.

Zuvor drehte Carol Reed bereits mit Ausgestoßen ein stilistisch interessantes Werk und schilderte in Kleines Herz in Not eine düstere Geschichte aus der Perspektive eines Kindes.

Brighton Rock punktet mit einem jungen Richard Attenborough als psychopathischem Mörder und auch in Die Ratte von Soho ist ein Bösewicht der Star des Films: Richard Widmark spielt als amoralischer Gangster ganz groß auf und London kann als Schauplatz mühelos mit amerikanischen Großstädten mithalten.

Post- und Neo-Noirs

Das Ende des Film Noir

Im Allgemeinen wird Orson Welles später Vertreter Im Zeichen des Bösen (1958) als Endpunkt der klassischen Ära der Strömung gesehen.

Der erste Neo-Noir erschien jedoch schon 1955 und dekonstruierte die Schwarze Serie bereits drei Jahre vor ihrem „offiziellen“ Ende. Robert Aldrich drehte mit Rattennest eine übersteigerte Persiflage auf die Welt des Film Noir und sprengte sie in seinem ikonografischen Finale in die Luft. Danach waren konventionelle Vertreter der Strömung nicht mehr ernst zu nehmen.

Nachzügler nach klassischer Art

Unter den frühen Neo-Noirs glänzen vor allem Samuel Fullers leicht übersteigerter Reißer Alles auf eine Karte und Allen Barons Blast of Silence. Baron gelang ein einzigartiges Werk – einerseits stilisierter Film Noir, andererseits von der französischen Nouvelle Vague beeinflusst und damit letztlich ein Vorreiter des New Hollywood-Kinos der Siebziger.

Auch nach 1958 wurden noch Kriminalfilme nach der klassischen Rezeptur der Strömung gedreht: Roman Polanskis Chinatown in den Siebzigern, William Friedkins Leben und Sterben in L.A. in den Achtzigern, Paul Verhoevens Basic Instinct in den Neunzigern und zu guter Letzt auch Curtis Hansons L.A. Confidential.

Hard boiled Thriller

Die nihilistischen Seiten der späten Film Noirs flossen in den folgenden Jahrzehnten vor allem in harte Thriller ein, die häufig so unterkühlte wie kompromisslose Anti-Helden ins Zetrum rückten. Vertreter des Typus bevölkern großartige Thriller wie Point Blank, Get Carter, Getaway oder Driver.

Auf diese Genreklassiker der Siebziger Jahren folgten ähnlich gelagerte Filme im modernen Kino: David Finchers Sieben sowie Nicolas Winding Refns Drive führten diese Ausprägung fort.

Postmoderne Neo-Noirs

Auch im postmodernen Kino zählt der Film Noir zu den stärksten Einflüssen: Besonders David Lynch (Blue Velvet, Lost Highway) und Lars von Trier (The Element of Crime, Europa) dekonstruierten Bestandteile der Strömung. Im Geheimtipp Brick verlegt Regisseur Rian Johnson den Film Noir sogar an eine Highschool und versetzt einen Schüler in die Rolle des hard boiled Detektivs.

Die popkulturelle Bedeutung der Schwarzen Serie findet sich auch in Graphic Novels wieder, die dann ihrerseits verfilmt wurden – Sin City und Watchmen formulieren eine Hommage an den Film Noir. Selbst im Science-Fiction-Kino tauchen Elemente der Schwarzen Serie auf: Werke wie Blade Runner oder Dark City erhalten dadurch ein ganz eigenes Flair.

Die wichtigsten Film Noirs

1941 – Die Spur des Falken (John Huston)
1942 – Der gläserne Schlüssel (Stuart Heisler)
1942 – Die Narbenhand (Frank Tuttle)
1944 – Frau ohne Gewissen (Billy Wilder)
1944 – Laura (Otto Preminger)
1944 – Mord, mein Liebling (Edward Dmytryk)
1944 – Ministerium der Angst (Fritz Lang)
1945 – Solange ein Herz schlägt (Michael Curtiz)
1945 – Umleitung (Edgar G. Ulmer)
1946 – Rächer der Unterwelt (Robert Siodmak)
1946 – Tote schlafen fest (Howard Hawks)
1946 – Die blaue Dahlie (George Marshall)
1946 – Die seltsame Liebe der Martha Ivers (Lewis Milestone)
1946 – Die Spur des Fremden (Orson Welles)
1946 – Gilda (Charles Vidor)
1947 – Goldenes Gift (Jacques Tourneur)
1947 – Die schwarze Natter (Delmer Daves)
1947 – Die Lady von Shanghai (Orson Welles)
1948 – Du lebst noch 105 Minuten (Anatole Litvak)
1948 – Akt der Gewalt (Fred Zinnemann)
1948 – Gangster in Key Largo (John Huston)
1948 – Stadt ohne Maske (Jules Dassin)

1949 – Der dritte Mann (Carol Reed)
1949 – Gewagtes Alibi (Robert Siodmak)
1949 – Too Late for Tears (Byron Haskin)
1949 – Strafsache Thelma Jordon (Robert Siodmak)
1949 – Ring frei für Stoker Thompson (Robert Wise)
1950 – Ein einsamer Ort (Nicholas Ray)
1951 – Polizeirevier 21 (William Wyler)
1951 – Die Spur führt zum Hafen (Robert Parrish)
1951 – On Dangerous Ground (Nicholas Ray)
1952 – Um Haaresbreite (Richard Fleischer)
1952 – Der vierte Mann (Phil Karlson)
1953 – Polizei greift ein (Samuel Fuller)
1953 – Heißes Eisen (Fritz Lang)
1953 – Niagara (Henry Hathaway)
1955 – Rattennest (Robert Aldrich)
1955 – Geheimring 99 (Joseph H. Lewis)
1956 – Die Rechnung ging nicht auf (Stanley Kubrick)
1957 – Dein Schicksal in meiner Hand (Alexander Mackendrick)
1958 – Im Zeichen des Bösen (Orson Welles)
1961 – Blast of Silence (Allen Baron)
1961 – Alles auf eine Karte (Samuel Fuller)

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