Neu im Handel

Best of Volker Schlöndorff

Der Regisseur

Das Regiehandwerk lernte Volker Schlöndorff in Frankreich bei Spitzenregisseuren: Er arbeitete als zweiter Regieassistent bei Alain Resnais‘ Meisterwerk Letztes Jahr in Marienbad mit und anschließend unter Jean-Pierre Melville (Eva und der Priester, Der Teufel mit der weißen Weste) und Louis Malle (Das Irrlicht sowie Zazie).

Zurück in Deutschland, startete Schlöndorff 1966 seine eigene Karriere mit dem Regiedebüt Der junge Törless. Schon mit diesem ersten Werk, das auf dem berühmten Roman von Robert Musil beruht, frönte der Jungregisseur einer Vorliebe für die Adaptionen großer Literatur. Es folgten unzählige Verfilmungen der Werke berühmter Autoren: Bertolt Brecht, Heinrich von Kleist, Marcel Proust, Arthur Miller, Heinrich Böll, Günter Grass und Max Frisch.

Die Rubrik Neu im Handel stellt die beachtenswertesten Neuerscheinungen vor. Kennzeichnung: Filmsucht.org erhält Rezensionsexemplare.

Die Veröffentlichung

© Studiocanal

Am 31. März feiert Volker Schlöndorff seinen achtzigsten Geburtstag – zu diesem Anlass bringt Arthaus eine Blu-ray-Edition mit den sechs wichtigsten Werken des Regisseurs heraus. Sie erscheint morgen, am 28.03.2019.

Da Arthaus so nett war, ein Rezensionsexemplar bereitzustellen, folgt nun eine Vorstellung der einzelnen Filme:

Der junge Törless

Filmszene aus Der junge Törless

Schlöndorffs Spielfilmdebüt Der junge Törless besticht durch seine tristen Schwarz-Weiß-Bilder, die den grauen Alltag des jugendlichen Protagonisten perfekt umschreiben. Gefangen im Stumpfsinn eines Internats, blüht der junge Schüler erst auf, als der Klassenkamerad Basini einen Diebstahl begeht.

Zusammen mit zwei Mitschülern erpresst Törless den Täter, der den Dreien fortan zu Diensten sein muss, um nicht entlarvt und vom Internat verwiesen zu werden. Schlöndorffs Werk überzeugt mit seiner bleiernen Stimmung, die psychologische Dichte der Romanvorlage von Robert Musil erreicht er allerdings nicht.

Baal

Filmszene aus Baal

Die Bertold-Brecht-Adaption Baal stellt wohl die stilistisch interessanteste Arbeit von Volker Schlöndorff dar. Der Regisseur befand sich in einer Krise und wollte „von vorne anfangen“ – er unternahm den Versuch, Brechts Theaterstück in die wirkliche Welt zu versetzen.

Gedreht wurde mit kleinem Budget an Originalschauplätzen in München. Dazu versammelten sich zahlreiche Filmschaffenden aus der Entourage von Rainer Werner Fassbinder: Fassbinder selbst spielt die Hauptrolle, Hanna Schygulla, Irm Hermann sowie Günther Kaufmann agierten in den Nebenrollen und Stammkameramann Dietrich Lohmann setzte sie in Szene.

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Filmszene aus Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum zählt zu den bekanntesten und besten Arbeiten von Volker Schlöndorff. Die Adaption des kontroversen Romans von Heinrich Böll trifft den wütenden Tonfall der Vorlage perfekt und rechnet ähnlich gnadenlos mit der Boulevardpresse ab. Hervorzuheben sind die tollen Leistungen der Schauspieler (Angela Winkler, Mario Adorf).

Die Blechtrommel

Filmszene aus Die Blechtrommel

Unter den vielen Romanen, die Schlöndorff in Kinobilder übersetzte, zählt Günter Grass‘ Die Blechtrommel wohl zu den anspruchsvollsten. Wie der Literaturnobelpreisträger in seiner Fabel schelmische Gesellschaftskritik mit großer Fabulierkunst paart, lässt sich nicht ein zu eins auf ein anderes Medium übertragen.

Doch Schlöndorff gelingt eine würdige Adaption: Dank einer Spielzeit von zweieinhalb Stunden punktet Die Blechtrommel mit vielen Details und profitiert von einem tollen Ensemble, das den Film mit Leben füllt. Dafür gab es einen Oscar sowie eine goldene Palme in Cannes.

Tod eines Handlungsreisenden

Filmszene aus Tod eines Handlungsreisenden

1985 engagierte das amerikanische Fernsehen Schlöndorff für eine Verfilmung des mit dem Pulitzerpreis prämierten Theaterstückes von Arthur Miller. Die aufs Allerwesentlichste reduzierte Inszenierung – als Kammerspiel mit Theaterkulissen, statischen Kameraeinstellungen und niedrigem Tempo – erfordert eine gute Portion Geduld.

Wer diese aufbringt, kann sich an den namhaften Darstellern erfreuen. Tod eines Handlungsreisenden bietet einen guten John Malkovich und einen fantastischen Dustin Hoffman auf. Letzterer liefert eine ausgezeichnete Darbietung und trägt den Film im Alleingang.

Homo Faber

Filmszene aus Homo Faber

Nach dem allgemeinen Tenor der Kritiker zählt Homo Faber zu den Misserfolgen von Schlöndorff: Die epd Film nannte ihn „banal“, die Cinema „leblos“. Ich wurde hingegen positiv überrascht – in Unkenntnis der Romanvorlage von Max Frisch erscheint mir die Adaption durchaus gelungen.

Der Regisseur nimmt sich viel Zeit für die Figuren und das niedrige Tempo sorgt dafür, dass der jeweilige Zustand der Protagonisten in uns nachhallen kann. Hauptdarsteller Sam Shepard imponiert mit seiner konzentrierten Darbietung und Julie Delphy ist schlichtweg zauberhaft.

Die Blu-rays:

Die Bildqualität entspricht den hohen Erwartungen und überzeugt besonders bei Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Die Blechtrommel und Homo Faber, kleinere Abzüge gibt es lediglich bei Der junge Törless (starkes Filmkorn bei Großaufnahmen von Gesichtern) und den blassen Farben bei Baal – kein Makel der Blu-rays, sondern des Ausgangsmaterials.

Auch das Bonusmaterial überzeugt: Auf jeder Disc sind ausführliche Interviews mit Volker Schlöndorff enthalten. Jeweils zwischen 30 und 50 Minuten nimmt sich der Regisseur Zeit, vermittelt spannende Eindrücke von den Dreharbeiten und zahlreiche Hintergründe. Besonders gut haben mir die Ausführungen zu Der junge Törless gefallen, wo Schlöndorff über seine Anfänge reflektiert. Sehenswert sind auch die Interviews zu Katharina Blum (mit Passagen von Margarethe von Trotta), Die Blechtrommel (mit Produzent Franz Seitz) sowie Homo Faber.

Die Blu-ray-Box von Arthaus überzeugt also in puncto Filmauswahl und Präsentation. Bei Amazon kostet sie aktuell 43,99 Euro und bietet eine exzellente Möglichkeit, das Schaffen von Volker Schlöndorff zu entdecken.

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