Funny Games
Ein Film von Michael Haneke
Nachdem Michael Haneke in seinen ersten drei Kinofilmen seinen Inszenierungsstil gefunden und etabliert hatte, wagte er mit seinem vierten Werk ein Experiment und drehte den kontroversesten Film seines inzwischen 25-jährigen Schaffens: Mit Funny Games schlägt der Österreicher mitten ins Kontor der Sehgewohnheiten und formuliert eine bissige Medien- und auch Zuschauerkritik.
Filmkritik:
Für einige Kontroversen sorgte Hanekes Ansatz, Funny Games als Versuchsanordnung zu konzipieren, um effektiv mit der Wahrnehmung und den Emotionen des Zuschauers spielen zu können. Dabei bedient sich der Regisseur zwar gängiger Genremerkmale, bricht diese jedoch immer wieder, dekonstruiert die Muster, die beim Publikum für Kurzweil, Spannung, Spaß sorgen. Diese bewussten Irritationen und Provokationen hinterfragen ständig unsere Reaktionen – sind wir noch flexibel genug, um auf besondere Reize zu reagieren oder schon emotional abgestumpft durch die Konditionierung des täglichen Medienwahnsinns?
Hanekes Feldexperiment funktioniert folgendermaßen: Funny Games benutzt eine klassische Bedrohungssituation aus dem Thriller- oder Horrorfilmbereich und lässt eine kleine Familie in ihrem eigenen Ferienhaus zum Opfer von zwei jungen, scheinbar psychopathischen Männern werden, die die Situation nach einem latent bedrohlichen Streich zur Eskalation treiben und ihnen den sicheren Tod versprechen.
Im gewöhnlichen Genrefilm kommen die Opfer an einen Punkt, wo sie als „Helden“ dem Druck der Täter entgegentreten und sich üblicherweise mit deren Mitteln, also Gewalt, wehren, wodurch diese zumindest teilweise legitimiert wird. Doch bei Haneke, wie auch im Kino von Bruno Dumont und Gaspar Noé, haben die Opfer keinerlei Chance, weil Gewalt nur Leid erzeugt und keine Gegenwehr zulässt.
Bezeichnenderweise beinhaltet Funny Games so gut wie keine Gewaltdarstellung, sondern zeigt lediglich – ausführlich und wirkungsvoll – dessen Auswirkungen: vom Weinen verquollene Gesichter, verzweifelte Blicke, Scham und Hilflosigkeit. Das ist nicht der Stoff, aus dem Hollywood Helden strickt. Mit der Fokussierung weg von der Ausübung und hin zum Erleiden von Gewalt kann diese nicht mehr als Stilmittel des Genrekinos abstrahiert werden. Sie ist schmerzhaft und tragisch statt launig und cool.
In Funny Games verläuft der Konflikt zwischen den beiden Parteien zudem von vorneherein unfair, weil Haneke die Laborbedingungen diktiert und die „echte“, fühlende Familie zwei seelenlosen, surrealen Gestalten unterwirft, die nicht einmal richtige Namen besitzen. Sie verkörpern eine beinah schon übernatürliche Gewaltfantasie, der kein „echter“ Mensch beikommen kann.
Dass die Täter über den Dingen stehen, tritt auch zutage, wenn sie die vierte Wand durchbrechen und direkt mit uns Zuschauern kommunizieren. Hier mischt sich Haneke direkt ins Geschehen ein, macht das Publikum zum Komplizen der Psychopathen und hinterfragt erneut gängige Genreregeln.
Fast schon pervers mutet die Anweisung Hanekes an die Darsteller der beiden Sadisten an, zu spielen wie in einer Komödie. Das schelmische Auftreten der Psychopathen verstärkt die Tragik der Familie gegenüber dem Publikum erheblich und entlockt regelmäßig ein fassungsloses Grinsen.
Fassungslos lässt Funny Games auch in einer zentralen Szene des Films zurück, wenn sich das Geschehen zum ersten Mal (nach einer „heldenhaften“ Gewaltanwendung seitens der Familie) gegen die Täter richtet, einer von ihnen dann jedoch schlichtweg den Film zurückspult (!) und das Geschehene verhindert – ein herber Hieb in Richtung des Zuschauers, aber auch enorm wirkungsvoll.
Ist Funny Games nun ein oberlehrerhaftes, prätentiöses Werk, das mit grober Kelle auf billige Provokation für Bildungsbürger abzielt? Vielleicht. Sicherlich trägt Haneke Eulen nach Athen – die Zielgruppe des Films dürfte sich der Problematiken bewusst sein und bedarf der offensiven Präsentation nicht, während die eigentlichen Adressaten Hanekes intellektuelle Perspektive vielleicht erst gar nicht reflektieren werden.
Allerdings begeistert Funny Games eben auch mit einer meisterhaften Regie, die das Geschehen durch lange Einstellungen dominiert und nicht besonders subtil, aber effektvoll ausfällt. Die überragenden Darstellerleistungen vom gesamten Ensemble beeindrucken ebenso.
Michael Haneke gelang es unzweifelhaft, einen polarisierenden Diskurs anzufachen und erreicht damit sein Ziel. Damit steht Funny Games in der Tradition von anerkannten Klassikern wie Uhrwerk Orange und bietet eine nachhallende Filmerfahrung.
★★★★☆☆
1990 – 1999
In den Neunziger Jahren wurden Filme ein Objekt der Popkultur. Die amerikanische Vermarktung erhob Blockbuster zum Massenphänomen, das weit über den Filmkonsum hinaus ging. Zeitgleich bildeten eine lebendige Independentfilmszene und ein erstarktes Arthousekino den Gegenpol. Auch dank der VHS-Kassetten entwickelte das Medium Film eine ungeahnte Vielfalt.
Thriller
Ähnlich wie der Actionfilm basiert auch das Thriller-Genre nicht auf inhaltlichen, sondern auf formalen Gesichtspunkten. Eine größtmögliche, im Optimalfall konstant gehaltene Spannung ist das Ziel. Dafür bedienen sich Thriller in der Regel einer konkreten Bedrohungslage. Wird die Gefahr überwiegend über Andeutungen und Suspense transportiert, findet gerne der Terminus Psychothriller Anwendung.