Poor Things

Poor Things kreuzt Mary Shelleys Frankenstein mit einem klassischen Bildungsroman und schickt seine dysfunktionale Protagonistin aus dem Labor in die weite Welt; dort entdeckt sie Sex, Materialismus und gesellschaftliche Funktionsweisen, um sich schließlich selbst zu finden. Allerdings bekommt Lanthimos die Breite des Stoffs nie eingefasst und die Emanzipation der Bella Baxter gerät zum Ärgernis: Indem der Regisseur die Protagonistin dem männlichen Blick unterwirft und sie durch diverse freizügige Szenen treibt, konterkariert er ihre Entwicklung. Dass die Heldin ihr Schicksal nur durch Sex kontrollieren kann, ist doch reichlich dürftig.

Auch die Welt des Films erweckt den Anschein von Vielfalt, kann diese aber bei näherem Hinsehen nie einlösen. Trotz der wunderbaren Kostüme und Sets findet Poor Things keine Wärme; der Film spielt in einer digitalen Nicht-Welt voller nicht-lebendiger Figuren. Seit 15 Jahren baut Lanthimos solche abstrakten Versuchsanordnungen und konnte mit seinen kleineren Kammerspielen manch interessanten Film realisieren, doch eine Weiterentwicklung bleibt aus. Die großen Budgets betonen eher die Schwächen des Regisseurs, der nach The Favourite den nächsten Rückschritt macht. Einzig die brillante Emma Stone und der bisweilen überraschende Humor bringen etwas Emotion in dieses leere Stück Kino.