The Brown Bunny

Ein Film von Vincent Gallo

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 2003

 | Jahrzehnt: 2000 - 2009

 | Produktionsland: USA

 

Als „der schlechteste Film, der jemals beim Filmfestival in Cannes lief“, bezeichnete Kritikerpapst Roger Ebert The Brown Bunny seinerzeit, als der Film an der Croisette gnadenlos ausgebuht wurde; zumindest von dem Teil des Publikums, der den Saal nicht bereits während der Vorstellung verlassen hatte.

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Filmkritik:

Nachdem Vincent Gallo, der zu den exzentrischsten Autorenfilmer der Vereinigten Staaten zählt und mit seinen Interviews polarisiert, bereits mit seinem Debüt Buffalo ’66 ein unkonventionelles Werk vorlegte, ignorierte er mit The Brown Bunny von vorneherein alle Maßstäbe.

Daher bedeutet eine Sichtung von The Brown Bunny, sich auf schwere Kost einzulassen, die keinerlei Kompromisse kennt und den Zuschauer fordert, ohne sich darum zu scheren, ob dieser folgen kann oder verständnislos zurückbleibt. Gallo setzte seine Vision hochgradig konsequent um: Er schrieb nicht nur das Drehbuch und führte Regie, sondern übernahm auch den Schnitt, einen Teil der Kameraarbeit, er schuf die Musik, produzierte den Film und spielt zudem die Hauptrolle.

Der Protagonist von The Brown Bunny heißt Bud Clay, doch viel mehr erfahren wir über weite Teile des Films nicht über den Mann. Clay ist ein Motorradrennen gefahren und transportiert sein Vehikel nun in einem Van quer durchs Land nach Kalifornien. Clay schweigt. Clay fährt. Minutenlang sieht die Kamera mit ihm zusammen aus der Frontscheibe. Mal scheint die Sonne ins Auto, mal regnet es. Clay schweigt. Clay fährt.

Wahrhaftig, The Brown Bunny unterhält absolut nicht. Doch es steckt etwas dahinter, wenn Gallo dem Zuschauer die vollkommen ereignislose Fahrt seines Protagonisten zumutet. Nach einem Drittel der Spielzeit erhalten wir erste Hinweise, wie es um Clays Gemütsverfassung bestellt ist: Clay hält an einer Tankstelle und spricht die Kassiererin an, sie sei hübsch und solle mit ihm kommen. Sie ist überrascht, antwortet nicht, doch Clay erbittet sich ihre Begleitung. „Please.“, sagt er nur, in einem erschreckend jämmerlichen Tonfall. „Please“, noch einmal.

Diese Szene entwickelt seltsame Emotionen zwischen Fremdscham und bitterer Komik. Was ist nur mit diesem Mann los? Dass Clay in seiner eigenen Welt lebt und die eine einzige Hölle ist, dass er einem unnachgiebigen, gleichbleibenden Schmerz ausgesetzt ist, das erfahren wir erst ganz am Ende, doch seine tiefgehende Verletztlichkeit macht diese Szene bereits deutlich.

Während Clays Fahrten erleben wir, wie Gallo alles dekonstruiert, was ähnliche Filme ausmacht. The Brown Bunny ist zwar ein Roadmovie, hat mit dem so typischen Freiheitsdrang dieser Filme jedoch rein gar nichts zu tun. Clays Van entpuppt sich als selbst gewähltes Gefängnis und führt die Weite der USA und die stete Fortbewegung ad absurdum.

Clay selbst vermittelt nicht die Sehnsucht oder gar Romantik, die all die anderen Loner, Driver oder Cowboys begleitete, die zuvor durch die Filmgeschichte reisten – in The Brown Bunny ist die absolute Leere, die der Film so drastisch auf das Publikum überträgt, kalt und unnahbar. Genau diese Unnahbarkeit hat Bud Clay gewählt, um das Leid seiner Seele durch einen rein körperlichen Zustand des Reisens auszublenden – „Ich fahre, also bin ich“.

Dabei ist der Zielort uninteressant. Die ideale Strecke findet Clay auf der Rennbahn, die ihn fortwährend im Kreis herumschickt, sodass er nie Gefahr läuft, auf ein Ende der Fahrbahn und seines geistlosen Zustands stoßen zu müssen, zum Stillstand zu kommen.

Im Finale deutet sich zunächst das Ende dieser Reise an. Clay befindet sich in einem Hotelzimmer, seine große Liebe besucht ihn. Die folgenden zehn Minuten gehören zu den intimsten Szenen der Filmgeschichte und offenbaren eine selten gesehene Mischung aus Selbsthass, Wut, Verletzlichkeit, Sehnsucht, Hoffnungslosigkeit und erklären rückwirkend die unerbittlich-schicksalhaften Gründe für das Tun dieses Bud Clay, der zwar körperlich existiert, jedoch geistig jedes Leben aufgegeben hat.

Dass Gallo dabei den Mut findet, die allerzarteste Hoffnung auf Vergebung und einen Neuanfang einfach zu verneinen, macht aus dem zuvor guten einen großartigen Film, der in seinen letzten Minuten eine depressive Wucht entwickelt, die in der monotonen ersten halben Stunde unmöglich erschien. Während wir richtiggehend geläutert unsere Lebenskraft spüren, gibt es für Bud Clay nur noch den Eskapismus der Straße. Er wird weiter fahren, immer weiter fahren.

★★★★★☆

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.