American Psycho
Ein Film von Mary Harron
Bret Easton Ellis‘ so brillanter wie monströser Roman American Psycho galt seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1991 als unverfilmbar. Hollywood versuchte sich dennoch an einer Adaption und scheitert zwar an einer adäquaten Umsetzung, schuf jedoch einen Film mit ganz eigenem Reiz.
Filmkritik:
Anstatt lediglich die Floskel des unverfilmbaren Romans zu bemühen – denn genau das ist Ellis‘ Meisterwerk – soll in dieser Filmkritik auch detaillierter auf das Buch eingegangen werden, um ein besseres Verständnis des Films zu ermöglichen. Nachfolgend wird der Titel der besseren Unterscheidbarkeit halber ausschließlich dann fett geschrieben, wenn vom Film die Rede ist.
In Deutschland jahrelang indiziert, schildert Ellis‘ Roman das Leben des Wallstreet-Yuppies Patrick Bateman im New York der ausgehenden Achtziger Jahre. Er ist ein Mann, der alles hat, und findet doch keinen Frieden. Hinter seiner mühsam aufrechterhaltenen Fassade lauert ein Psychopath, der schreckliche Dinge tut, wenn er nicht durch den gesellschaftlich genormten Konsumfetisch und Materialismus im Zaum gehalten wird.
Der Aufschrei, den Ellis‘ Roman auslöste, bezog sich vor allem auf die pornografischen Sexszenen und die oft damit Hand in Hand gehenden unsagbar brutalen Mordszenen. Abgesehen davon, dass der Roman durch unzählige Details darauf hinweist, dass jene Begebenheiten Hirngespinste des Protagonisten darstellen, sollte betont werden, dass die kontroversen Szenen lediglich rund 20 der 550 Seiten ausmachen. Darin steckt ein geniales Konzept – ähnliche wie Bateman ergeht es auch dem Leser, wenn er ellenlange Beschreibungen von nichtssagenden Dialogen, von Wohnungseinrichtungen und Garderobenzusammenstellungen lesen muss und beginnt, nach Abwechslung zu gieren. Der Sex und die Morde bieten genau das und gewähren, gerade wegen der Abscheulichkeit, eine Katharsis, die durch die nächsten Kapitel führt, bis sich der Effekt wieder abzunutzen beginnt.
Doch der Roman bietet viel mehr als die kontroversen Szenen – gekonnt zeichnet American Psycho das Bild einer hedonistischen Gesellschaft mit beißendem Spott und überraschend viel Humor, der konsequent auf absurd gebürstet ist und damit einen herben Kontrast zur Gefühlskälte und Brutalität des Romans bietet.
Einen solchen Roman adäquat zu verfilmen, erscheint unmöglich. Weder die Langeweile noch die Pornografie oder die Brutalität haben einen Platz im Mainstreamkino. Muss eine solche Verfilmung also zwangsläufig scheitern?
Für ein erstes Ausrufezeichen sorgte die Besetzung zweier Frauen, welche sich des als misogyn verschrienen Stoffes annahmen und Drehbuch und Regie verantworteten. Das Ergebnis erweist sich als zwiespältig: Mit der Vorlage hat American Psycho nur noch das grobe Gerüst gemein und erweist sich eher als Light-Fassung des Romans, dessen Härte genauso verloren geht wie der Großteil seines perversen Charmes. Überraschenderweise funktioniert die Verfilmung dennoch.
Die Regisseurin Mary Harron adaptierte letztlich nur den Kern des Romans – die Konsumgesellschaft der Achtziger – und inszenierte das Leben der Upperclass als kalte Groteske. Dabei profitiert der Film enorm von den geschliffenen Dialogen der Vorlage und den perfekt ausgewählten Darstellern. Wie emotionslos Christian Bale die Hauptrolle ausfüllt, ist in Verbindung mit seiner körperlichen Präsenz bemerkenswert; auch die Nebendarsteller agieren exzellent. Die teuer lizenzierte und eminent wichtige Musik der Ära zählt ebenfalls zum Fundament der Verfilmung, deren Eighties-Flair durchaus noch stärker hätte betont werden können. Was da möglich wäre, zeigt die Adaption von Ellis‘ Debütroman Unter Null, der das deutlich besser gelingt.
Vor der Sex- und Gewaltdarstellung schreckt American Psycho ebenfalls nicht zurück, beschränkt sie jedoch auf die üblichen Hollywoodkonventionen und verliert dadurch den Effekt, auf den der Roman abzielte, wodurch hier am ehesten der Eindruck aufkommt, Harron habe das Geschehen eher aus Pflichtgefühl der Vorlage gegenüber, als aus eigenem Antrieb heraus aufgenommen. Vielleicht wäre es konsequenter und effektvoller gewesen, Batemans dunkle Seite nicht detailliert zu zeigen, sondern lediglich minimal anzudeuten, um dem Vergleich mit dem Roman zuvorzukommen und die Schwäche in eine Stärke zu verwandeln.
Aufgrund der Unverfilmbarkeit des Ausgangsmaterials können Puristen zurecht anmerken, American Psycho sei keine gelungene Literaturverfilmung geworden, doch aufgrund seiner vielen Qualitäten erweist sich Mary Harrons Werk unabhängig davon als guter Film, der ganz eigene Stärken besitzt und zumindest dem Geist der Vorlage treu blieb.
★★★★★☆
Drama
Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.