Die Frauen
Ein Film von George Cukor
Die Theaterverfilmung Die Frauen sorgte 1939 für ein Novum in Hollywood: Das Drehbuch der Komödie verzeichnet ganze 135 weibliche Sprechrollen, aber keine einzige männliche Figur. Der Film von George Cukor bereitet er einen Heidenspaß, wenn seine zahmen Hausfrauen zu giftigen Furien mutieren.
Filmkritik:
Die Inspiration für das am Broadway erfolgreiche Theaterstück fand die Autorin Clare Boothe Luce an einem ungewöhnlichen Ort: Sie lauschte den Klatschgeschichten, die sich die Damen auf der Toilette eines Nachtklubs erzählten. Der Film verlegt seinen Stoff in die New Yorker High Society und entspinnt eine turbulente Geschichte voller ausgespannter Ehemänner, falscher Freundinnen und bösartiger Intrigen.
Trotz der geballten Frauenpower legt Die Frauen keinen Wert auf Feminismus, sondern entpuppt sich als Kind seiner Zeit: „It’s all about men“ verkündete schon das damalige Kinoplakat. Aus heutiger Sicht ließe sich der Film dafür verdammen, dass er durch den Bechdel-Test fällt, seinen Protagonistinnen lediglich traditionelle Rollenbilder zuweist und feministisches Potenzial ungenutzt lässt; dass das vor 80 Jahren noch deutlich patriarchalischere Hollywood überhaupt 1,7 Millionen Dollar in ein derartiges Projekt investierte, lässt sich jedoch auch positiv anrechnen.
Für die Prestigeproduktion setzte das Studio MGM nahezu alle seine weiblichen Topstars ein, was unzählige Anekdoten und Konflikte produzierte, die die Marketingabteilung dankbar verwertete. Regisseur George Cukor erhielt den Posten nur einen Monat, nachdem er während der Dreharbeiten zu Vom Winde verweht entlassen worden war und erwies sich als Idealbesetzung. Der clevere Regisseur hielt seine Darstellerinnen ständig beschäftigt, um ihnen keine Zeit für Streitigkeiten zu lassen, und sprang im Fall der Fälle mit seinem so charmanten wie pragmatischen Führungsstil in die Bresche.
Nach einer rund halbstündigen Anlaufzeit, in der Die Frauen seinen Figurenkosmos vorstellt und die Widerstandskraft unserer Lachmuskeln mit den ersten Pointen auf die Probe stellt, steigert sich Cukors Film in jeder weiteren der insgesamt 130 Minuten Spielzeit. Die Rotation der vielen Figuren sorgt für Kurzweil und die Dialoge können es in puncto Treffsicherheit und Tempo mit den Screwballkomödien des Jahrzehntes aufnehmen.
Dabei gibt sich Die Frauen nicht mit dem Status als launige Komödie zufrieden, sondern reichert den Stoff um einige Variationen im Tonfall an – erst durch Konflikte und Melancholie kann sich der Humor vollends entfalten. Dabei kombiniert Cukors Werk geschickt Slapstick mit Satire, Zynismus und Ironie, was die ausgezeichneten Leistungen der Schauspielerinnen noch steigern. Neben den Gags gefällt auch die elegante Narration, die herrlich mit den anwesenden, aber unsichtbaren Männern spielt und auch die Zeitsprünge des Plots geschickt verpackt.
Trotz seiner überdurchschnittlichen Spielzeit überzeugt Die Frauen durch sein wunderbares Ensemble, das starke Drehbuch und die im besten Sinne altmodische Eleganz der Inszenierung. Mit seinen furiosen Dialogschlachten setzt der beinahe achtzig Jahre alte Klassiker von George Cukor der Frauenwelt ein umwerfendes Denkmal.
★★★★☆☆
1930 – 1939
In den Dreißiger Jahren setzte sich der Tonfilm endgültig durch. In den USA brach die Ära des klassischen Hollywood an. In Frankreich entstand eine der einflussreichsten Strömungen der Kinogeschichte: Der Poetische Realismus. Der drohende Weltkrieg sorgte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts für eine Auswanderungswelle europäischer Filmschaffender, was die Vormachtstellung Hollywoods zementierte.
Komödie
Die Komödie zählt zu den Grundfesten des Kinos und funktioniert – wie auch der Horrorfilm – affektgebunden. Deshalb bringt uns der Slapstick aus den Stummfilmen von Charlie Chaplin genauso zum Lachen wie die rasenden Wortgefechte der Screwball-Komödien aus den Dreißiger Jahren, die spleenigen Charaktere von Woody Allen oder die wendungsreichen Geschichten von Billy Wilder.