Die 120 Tage von Sodom ist der große Schandfleck der Kinogeschichte: Auf Basis der pornografischen Erzählung des Marquis de Sade entwarf das Enfant terrible Pier Paolo Pasolini eine grausame Illustration faschistischer Umtriebe. In einer zweistündigen Tour de Force reiht der italienische Regisseur mannigfaltige Arten menschlicher Gewaltakte aneinander und nutzt dafür eine filmische Form, die jegliche Abstraktion verhindert – Pasolini zwingt sein Publikum zum Hinsehen, ohne Voyeurismus als Ventil zu erlauben. Damit gelang dem kurz darauf ermordeten Filmemacher ein zeitloses politisches Manifest, das weder Läuterung noch Katharsis zulässt.