Avengers: Infinity War

Ein Film von Anthony und Joe Russo

Genre: Actionfilm

 

 | Erscheinungsjahr: 2018

 | Jahrzehnt: 2010 - 2019

 | Produktionsland: USA

 

Avengers: Infinity War ist DER Blockbuster des Jahres 2018. Begleitet durch einen mustergültig vom Marketing induzierten Hype, stellt die Prestigeproduktion den vorläufigen Höhepunkt des Marvel Cinematic Universe dar und versucht sich daran, die Grenzen des Blockbusterkinos in neue Dimensionen zu verschieben.

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Filmkritik:

Erinnern wir uns zurück: Vor mehr als 10 Jahren sorgte die Ankündigung, alle Superhelden und -schurken der Marvel Comics in einem komplexen filmischen Universum zu vereinen, für enthusiastische Fans, die inzwischen ganze 18 Filme vorgelegt bekamen.

Die neue Ära startete im April 2008 mit dem veritablen Erfolg Iron Man, es folgten Blockbuster um Thor, Captain America, die Guardians Of The Galaxy und zahllose weitere Comic-Ikonen. Die Einzelfilme kulminierten in der Avengers-Reihe, die alle Helden zusammentreffen und gemeinsam kämpfen ließ.

Im April 2018 erschien mit Avengers: Infinity War der dritte Teil der Saga und bildet den Auftakt des großen Finales, das mit einer Fortsetzung im April 2019 abgeschlossen werden wird.

Die Drehbuchautoren standen vor der Aufgabe, rund 60 Haupt- und Nebenfiguren mit all ihren Handlungssträngen in eine konsistente Plotstruktur zu pressen. Trotz einer Spielzeit von zweieinhalb Stunden ist das Skript zu akuter Hetzerei verdammt und opfert dem Fortgang seiner Geschichte alles, was diese eigentlich ausmacht.

Nicht nur entpuppt sich der Plot als ein einziger McGuffin, auch die verschiedenen Handlungsorte bleiben bloße Hintergründe. Die vielen Superhelden sind zwar alle zu sehen, dennoch hat der Film keine Zeit für sie. Avengers: Infinity War treibt seine Figuren derart ungestüm voran, dass keinerlei Zeit für Ruhepausen bleibt und wir Zuschauer in einem endlosen Reigen von bunten Setpieces und Actionszenen festhängen. Atemlos lässt der Film jede Gelegenheit, das Geschehen zu reflektieren oder Gedanken in Hintergründiges zu investieren, verstreichen.

Iron Man, Thor und Co. bleiben in der Folge bloße Hüllen – da die vorherigen Filme die Helden bereits (mehr schlecht als recht) charakterisiert hatten, spart sich das Drehbuch nun jegliche Figurenzeichnung und setzt ganz auf die Aura der berühmten Schauspieler, was gründlich in die Hose geht. Die Stars finden offensichtlich keine Punkte zum Anknüpfen, denn ihre Superhelden besitzen keinerlei Profil: Sie verkörpern typische Werte wie Ehre, Treue und Hingabe, doch dahinter steckt keinerlei Persönlichkeit oder ideologische Überzeugung.

Kein Wunder, dass die Marvel-Filme überall auf der Welt so gut angenommen werden – die Protagonisten stellen bedeutungsleere Abziehbilder dar. Da sie keinen politischen, spirituellen oder intellektuellen Unterbau aufweisen, ist Gewaltausübung die einzig mögliche Option zur Problemlösung. Ironischerweise konnotiert es Avengers: Infinity War sogar negativ, für eine Ideologie einzustehen – der Bösewicht Thanos entpuppt sich als einzige Figur mit einem konkreten Antrieb. Wir lernen: Wer eine Haltung hat, muss bekämpft werden.

Dass vor lauter körperlicher Auseinandersetzungen kaum Zeit für Diskussionen bleibt, erweist sich indes als Vorteil, da sich die kostümierten Haudrauffiguren ausschließlich in banalster Konversation ergehen. Sie mögen in der Lage sein, Raumschiffe und Hightech-Ausrüstung zu konstruieren, artikulieren sich jedoch in einem einzigen Schwall von Allgemeinplätzen und pubertärem Gefrotzel.

Immerhin bedient der Film jenen Teil der Zuschauer, der vorwiegend bombastische Effektgewitter erwartet. Alle paar Minuten scheppert und kracht es, doch herrscht hier Masse statt Klasse. Aufgrund des Zeitmangels bleiben die Kämpfe kurz und vermögen es nicht, Spannung aufzubauen oder memorable Momente zu erzeugen.

Es bleibt ein austauschbarer, uninspirierter CGI-Overkill, der konsequent chaotisch geschnitten ist und aufgrund der Dominanz digitaler Effekte keinerlei Körperlichkeit beinhaltet. Avengers: Infinity War konterkariert den Actionfilm als ehemals physisches Genre: Hier werden lediglich ein paar Pixelhaufen zerstört. Heldenblut wird ohnehin nicht vergossen; um die lukrative niedrige Altersfreigabe nicht zu gefährden, verursachen auch die heftigsten Explosionen lediglich ein paar kleinere Schrammen.

Die Unverwundbarkeit von Helden, die nicht selten gottgleiche Macht besitzen, zählt zu den Hauptgründen, warum Superheldenfilme so öde sind – wo der Held nicht leidet, entsteht keine Dramatik. Auch deshalb ist Christopher Nolans The Dark Knight so ein toller Film: Hier verkehrt der Joker die Macht Batmans in eine Ohnmacht.

Marvel versucht sich nun ebenfalls an einem Wandel und fährt in Avengers: Infinity War den übermächtigen Bösewichte Thanos auf. Sofort spross bei den Fans die Annahme, es würde im Stile von Game Of Thrones zu einem Massenexodus der Fanlieblinge kommen. Tatsächlich darf Thanos seine Stärke direkt in der ersten Szene unter Beweis stellen und entpuppt sich als der Bösewicht, den der Film nötig hat.

Das Potenzial eines unerwartet düsteren Superheldenfilms verspielt das Drehbuch jedoch aufgrund der Tatsache, dass jede noch so kleine Andeutung von Spannung ständig durch platte Oneliner ironisch gebrochen wird. Da sich Avengers: Infinity War keine Zeit für dramaturgische Variationen nimmt und seinen Tonfall nie variiert, läuft sich der stete Krawall noch in der ersten Filmhälfte tot.

Über allem schwebt das Damoklesschwert der Beliebigkeit. Es ist von Anfang an klar, dass in einem Film, in dem die Protagonisten Raum, Zeit und Realität ohne jeglichen Aufwand manipulieren können, kein Ereignis eine Bedeutung hat. Dementsprechend kalt lässt das Finale, das tatsächlich einige große Namen dahinrafft – der Nachfolger wird mühelos einen Kasperletrick aus dem Hut zaubern und vermeintlich tote Helden zurückbringen.

Avengers: Infinity War veranschlagte 10 Jahre, 18 Filme und rund 400 Millionen Dollar und ist doch in jedem Moment absolut belanglos.

★☆☆☆☆☆

Actionfilm

Das Actiongenre zählt zu den ursprünglichsten Formen des Kinos. Das Medium Film begann als Show der Sensationen und findet noch heute seine Entsprechung: in aufwendigen Martial-Arts-Choreographien, rassigen Verfolgungsjagden und ausufernden Schusswechseln. Actionfilme geben uns die Möglichkeit, wieder Kind zu sein und leichtfertigem Eskapismus zu frönen.