Noises Off! – Der nackte Wahnsinn

Ein Film von Peter Bogdanovich

Genre: Komödie

 

 | Erscheinungsjahr: 1992

 | Jahrzehnt: 1990 - 1999

 | Produktionsland: USA

 

Mit Noises Off! adaptierte Peter Bogdanovich das populäre britische Theaterstück gleichen Namens zu einer irrsinnigen Komödie. Bogdanovich hält sich eng an die preisgekrönte Vorlage, serviert den Slapstick mit wahnwitzigem Tempo und spielt wie das Original geschickt mit unserem Antizipationsvermögen.

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Filmkritik:

Noises Off! versetzt uns in die Welt des Theaters, wo sich ein zweitklassiges Ensemble mit der komplizierten Komödie Nothing On abmüht. Als dann noch diverse persönliche Animositäten hinzukommen, geht das Zusammenspiel endgültig in die Binsen – auf der Tour durch die Vorstädte kommt es zu chaotischen Aufführungen, bei der großen Premiere am Broadway droht ein Fiasko.

Bogdanovichs Werk ist wie ein typisches Theaterstück in drei Akten angelegt und startet mit einer verkorksten Generalprobe. Diese macht uns mit den als Klischee karikierten Figuren bekannt und dient vor allem als Einführung in das Stück Nothing On, das für sich selbst schon ungemein witzig ist.

Die absurde Farce spielt in einem Landhaus, in dem diverse Parteien – ein Liebespaar, die steuerflüchtigen Besitzer, ein Einbrecher und die Haushälterin – zusammentreffen, obwohl niemand von ihnen dort sein darf. Ein Großteil des Humors resultiert aus den ständigen Auf- und Abgängen der Protagonisten, die in atemberaubendem Tempo durch die vielen Türen hinaus- oder hineintreten und einander deshalb stets knapp verpassen.

Für das Funktionieren des Stücks ist das richtige Timing essenziell, und da bei der Probe ständig Fehler passieren, muss der entnervte Regisseur (Michael Caine) die richtigen Züge wieder und wieder vorbeten. Damit gibt uns der Film die Gelegenheit, die Abläufe, Stichwörter und Verwendung der Requisiten zu lernen.

Auf diesem Wissen baut Noises Off! im zweiten Akt auf und versetzt uns während einer Nachmittagsvorstellung hinter die Kulissen, wo die Figuren ihre Konflikte nun offen austragen. Dabei kitzelt Bogdanovich unser Antizipationsvermögen – obwohl wir das Geschehen auf der Bühne nicht sehen, sondern nur hören, können wir anhand der zuvor gelernten Stichwörter und Abgänge herleiten, was „vorne“ passiert bzw. passieren sollte. Anhand der Dualität aus dem Chaos hinter den Kulissen und den daraus resultierenden Unregelmäßigkeiten davor generiert Noises Off! ein rasantes Slapstick-Feuerwerk.

Der dritte Akt setzt einige Wochen später ein und blickt wieder von vorne auf die Bühne, wo eine Abendvorstellung vollends eskaliert. Es herrscht offene Anarchie: Die Schauspieler sabotieren einander, das Stück zerfällt komplett in Einzelteile. Nothing On mutiert zu einer apokalyptischen Meta-Version seiner selbst: Akteure treten zur falschen Zeit oder gar nicht auf, fallen aus ihren Rollen, schreien, bluten und betrinken sich.

In diesem finalen Tohuwabohu treibt Noises Off! das Geschehen vollends auf die Spitze und schichtet dafür alle zuvor vorbereiteten Running Gags und Konflikte übereinander – in einem wahnwitzigen Tempo, das unsere Stück- und Figurenkenntnisse im Sekundentakt anspricht.

Die Inszenierung von Peter Bogdanovich hält sich dabei durchweg zurück. Die langen Plansequenzen versuchen gar nicht erst, die Nähe zur Vorlage zu verschleiern, rein filmische Möglichkeiten wie Nahaufnahmen, Perspektivwechsel oder auffällige Schnitte setzt der Regisseur kaum ein, visuell bietet der Film wenig. Über weite Strecken gleicht Noises Off! somit einem abgefilmten Theaterstück, was zwiegespalten zurücklässt.

Wo Roman-Adaptionen ihre Daseinsberechtigung in der Visualisierung von Gedankenwelten finden, kann das Medium Film einem Theaterstück kaum etwas hinzufügen. Selbst gelungene Adaptionen wie Bei Anruf Mord oder Endstation Sehnsucht tun sich schwer damit, die große Stärke der Bühnenkunst – das authentische, lebendige, dreidimensionale Schauspiel – auf die zweidimensionale Leinwand zu übertragen.

In Noises Off! fällt dieser Makel stark ins Gewicht: Die Bühne als Handlungsort weist uns ständig darauf hin, dass die Dreidimensionalität des Theaters fehlt; zudem lebt das Stück enorm vom körperlichen Schauspiel, das im Film weniger effektvoll erscheint; zuletzt geht am Fernseher die Meta-Ebene der Vorlage verloren, in einem Theater ein Theaterstück zu erleben, in dem ein weiteres Theaterstück steckt.

Den mitreißenden Irrsinn einer Live-Aufführung erreicht Peter Bogdanovichs Filmadaption daher nicht. Abseits des Vergleichs zwischen „Original“ und Adaption zeigen sich Konzept und Text des Stückes jedoch als unverwüstlich, sodass Noises Off! auch in der Filmversion einen Heidenspaß macht.

★★★★★☆

1990 – 1999

In den Neunziger Jahren wurden Filme ein Objekt der Popkultur. Die amerikanische Vermarktung erhob Blockbuster zum Massenphänomen, das weit über den Filmkonsum hinaus ging. Zeitgleich bildeten eine lebendige Independentfilmszene und ein erstarktes Arthousekino den Gegenpol. Auch dank der VHS-Kassetten entwickelte das Medium Film eine ungeahnte Vielfalt.

Komödie

Die Komödie zählt zu den Grundfesten des Kinos und funktioniert – wie auch der Horrorfilm – affektgebunden. Deshalb bringt uns der Slapstick aus den Stummfilmen von Charlie Chaplin genauso zum Lachen wie die rasenden Wortgefechte der Screwball-Komödien aus den Dreißiger Jahren, die spleenigen Charaktere von Woody Allen oder die wendungsreichen Geschichten von Billy Wilder.