Transit

Ein Film von Christian Petzold

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 2018

 | Jahrzehnt: 2010 - 2019

 | Produktionsland: Deutschland

 

Christian Petzolds Transit gelingt der Spagat zwischen vorlagengetreuer Literaturverfilmung und einer tagesaktuellen Auseinandersetzung mit der sogenannten Flüchtlingskrise. Das überzeugende Ergebnis hat so gar nichts mit dem spröden Problem- und Betroffenheitskino zu tun, das in Deutschland so gerne und regelmäßig produziert wird.

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Filmkritik:

Der gleichnamige Roman von Anna Seghers basiert auf eigenen Erfahrungen der Schriftstellerin, die im Jahr 1941 vor den nach Frankreich einrückenden Nazis flüchtete und über Marseille nach Mexiko auswanderte. Mit dieser Route plant auch Protagonist Georg, der nach der Kriegserklärung Frankreichs als Deutscher in Paris zwischen alle Fronten gerät: Die Franzosen sehen in ihm einen potenziellen Spion, die anrückenden Nazis einen Verräter – nur mit einem der begehrten Transitvisa könnte Georg der von beiden Seiten drohenden Verhaftung entgehen.

Regisseur Christian Petzold adaptiert den Roman mit einem besonderen Kniff: Obwohl er das Geschehen der Vorlage ordnungsgemäß übernimmt, entsagt Transit der Weltkriegsära. Abgesehen von kleinen Details wie Georgs Reisepass, auf dem noch groß Deutsches Reich prangt, bildet das Produktionsdesign die Handlung in unserer modernen Umgebung ab. Somit spielt der Film nicht im Gestern und nicht im Heute, sondern in einer spannenden Zwischenwelt, wie sie nur im Kino möglich ist.

Indem Transit sich von vorneherein der Abstraktion als Historien- oder Ausstattungsfilm verwehrt, gewinnt er eine spannende Unmittelbarkeit, die auch in Bezug auf die aktuell diskutierte Flüchtlingskrise ihre Stärken ausspielt. Petzolds Film setzt sich nicht intellektuell mit der Situation der Flüchtlinge auseinander, sondern emotional. Von der ersten Szene an kreiert der Regisseur eine bedrückende Stimmung: Ständig rasen Polizeiwagen durch die Straßen, die Menschen wirken gehetzt, eine omnipräsente Unsicherheit liegt über jedem Gedanken und jeder Tat.

Flüchtig sein, das bedeutet nicht nur von A nach B kommen zu müssen, sondern, im Wortsinne, nie ganz da zu sein, sich in den Umständen aufzulösen. Dieses Gefühl transportiert Petzold hervorragend. Die Unvorhersehbarkeit des Films sorgt für viel Suspense, vor allem die erste Filmhälfte bebildert gekonnt die sich verselbstständigende weltgeschichtliche Dynamik, der die Figuren unterworfen sind.

Der weitere Verlauf weckt Reminiszenzen an einen ikonischen Klassiker: Mit Casablanca teilt sich Petzolds Werk den äußeren Konflikt – die Bedrohung durch die Nazis und den Kampf um Transitvisa. Außerdem besitzen beide Filme einen melodramatischen Kern. Wenn sich Transit in der zweiten Hälfte vom Flüchtlingsthriller zum Melodram wandelt und durch eine Frauenfigur einen inneren, durch moralische Dilemmata geprägten Konflikt aufbaut, benutzt er dieselbe humanistische Gleichung wie der Klassiker mit Humphrey Bogart.

Erst durch die Problembewältigung im kleinen, individuellen, privaten Raum gewinnen die Protagonisten die Größe, sich gegen den weltgeschichtlichen, politischen Einfluss zu erheben. Kurz gefasst: Wer menschlich handelt, erbaut sich einen Schutzschild gegen die unmenschlichen Umstände. Dass beide Werke einen Abschluss, aber kein typisches Happy End finden, wischt zudem jeden Eindruck der Verklärtheit beiseite.

Trotz einiger kleinerer Mängel – im Mittelteil lässt sich der Film zu viel Zeit; das Voice-Over wirkt nicht immer glücklich gesetzt; die Nebendarsteller bleiben blass – zählt Transit zu den besten deutschen Werken der letzten Jahre. Dank Hauptdarsteller Franz Rogowski und der gefühlvollen Regie von Christian Petzold, der seine große Themen mit subtilen Mitteln bearbeitet, wohnt dem Film eine Magie inne, die sich in den kommenden Jahren als zeitlos erweisen dürfte.

★★★★★☆

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.