Kuroneko

Ein Film von Kaneto Shindô

Genre: Horrorfilm

 | Strömung: Japanische Neue Welle

 | Erscheinungsjahr: 1968

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: Japan

 

Mit dem bildgewaltigen Geisterdrama Kuroneko fügte Kaneto Shindô der japanischen Kinogeschichte 1968 ein weiteres Meisterwerk hinzu und gießt aus Elementen von Horrorfilm und Melodram einen überwältigenden Film, der die Sinne betört.

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Filmkritik:

Die erste Szene mutet dem Publikum jedoch zunächst einmal ein grausiges Schauspiel zu: Aus einer abseits liegenden, dokumentarischen Perspektive sehen wir mehr als ein Dutzend Samurai aus dem Unterholz brechen und die kleine Hütte zweier Frauen plündern. Wie Tiere stürzen sich die Männer auf das Wasser, den Reis und schließlich die Frauen. Einige Minuten dauert die Szene und endet mit den beiden Frauenleichen in den Überresten der niedergebrannten Hütte sowie einer schwarzen Katze, die miauend das Leid der Unschuldigen beklagt…

Der brutale Auftakt bildet das Fundament von Shindôs Werk. Der Regisseur und Drehbuchautor konzipierte den Plot auf der Basis zweier folkloristischer Sagen und lässt die beiden tot geglaubten Frauen schnell wieder auftreten: Nachts erscheint eine von ihnen vorbeiziehenden Kriegern, um sich von ihnen durch den düsteren Bambuswald geleiten zu lassen. Bei ihrem Haus angelangt, bedankt sie sich mit reichlich Sake und betört die Krieger, um ihnen anschließend den Hals aufzureißen – alte Magie und frisches Blut gestatten den Frauen übernatürliche Kräfte, um auf ewig Rache an der Kaste der Samurai nehmen zu können.

Beinahe ausschließlich nachts spielt Kuroneko und überwältigt mit seiner ätherischen Bildgestaltung, die auf harte Kontraste setzt: Oft bleibt ein Großteil des Bildes schwarz, während die weißen Kimonos der beiden Protagonistinnen mittels einer ausdrucksstarken High-Key-Beleuchtung gespenstisch illuminiert werden, sodass die Frauen von innen zu leuchten scheinen. Da die Handlung über weite Strecken im dunklen Bambuswald und dem darin befindlichen Haus der beiden Frauen spielt, etabliert Shindô eine mythische Parallelwelt und eine immense Atmosphäre; ein Entkommen aus dieser Welt scheint weder für die Frauen, noch ihre Opfer möglich.

Während die phänomenale Lichtsetzung und das tolle Setdesign die Geisterwelt illustrieren, sorgen Schnitt und Montage für die effektvolle Magie des Films, der die übernatürlichen Kräfte seiner Protagonistinnen selten offen zeigt, sondern lieber filmsprachlich überträgt. Es sind kurze Augenblicke, die für Irritationen sorgen und den vordergründigen Schein durchbrechen: Kleine Schnitte lassen die Frauen immer wieder unverhofft verschwinden; eine kurze Zeitlupe transponiert den kleinen Sprung über eine Pfütze einen Wimpernschlag lang zu einem gespenstischen Schweben; etwas Wind verwandelt einen Frauenzopf in einen Katzenschwanz und aus einem Kimonoärmel scheint für den Bruchteil einer Sekunde eine haarige Pranke statt einer Hand zu ragen.

Auch die wenigen Sequenzen, in denen die Geister ihre Fähigkeiten offenbaren, sind ansehnlich in Szene gesetzt: Durch hervorragendes Wirework schweben die Darsteller scheinbar schwerelos durch die Szenerie. Als nicht minder effektvoll erweist sich die Tonebene des Films, die ominöse Geräusche genauso effektiv nutzt wie plötzliche Momente voller Stille.

Während Kuroneko in der ausführlichen Exposition eine ganze Filmhälfte darauf verwendet, die Atmosphäre zu verdichten und die Gesetzmäßigkeiten seiner Welt zu etablieren, sieht das Drehbuch danach eine neue, gänzlich tragische Entwicklung vor und entwickelt den Horrorfilmelementen zum Trotz ein übersinnliches Melodram. Dadurch sinken Tempo und Spannungskurve zunächst ab, der Plot erhält jedoch im Gegenzug einen emotionalen Unterbau, der sich später bezahlt macht.

Nebenbei konnotiert Shindô in den wenigen Szenen außerhalb des Bambuswaldes wie schon in seinem vier Jahre zuvor entstandenem Meisterwerk Onibaba die Klassengesellschaft, das männliche Patriarchat und „dessen“ Kriege negativ: Die Frauen morden nicht nur für ihre persönliche Rache, sondern vertreten gewissermaßen auch alle anderen Armen und Unschuldigen, die von den feudalen Autoritäten ausgebeutet werden.

Im Finale schließt sich der Kreis, Melodram und Horrorfilm kulminieren wie die Tag- und die Nachtwelt des Films. Ob Kuroneko seinen Figuren Erlösung schenkt oder ihr Scheitern an herzlosen dämonischen Kräften schildert, überlässt er dem Publikum, während das Miauen der schwarzen Katze erneut durch die Nacht des Bambuswaldes hallt und uns zur Rückkehr verlockt.

★★★★★★

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Japanische Neue Welle

Als die französische Nouvelle Vague die Filmsprache veränderte, inspirierte sie auch die Regisseure im fernen Japan. Diese brachen nun ebenfalls mit traditioneller Inszenierung und altbackener Themenwahl. Es folgten Arbeiten unterschiedlichster Genres, die sich deutlich gesellschaftskritischer gaben und dazu einer modernen, manchmal sogar radikalen Inszenierung bedienten.