Black Girl

Ein Film von Ousmane Sembene

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 1966

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: FrankreichSenegal

 

Black Girl markiert einen Meilenstein des afrikanischen Kinos. Der Debütfilm von Ousmane Sembène erschien 1966 und gilt als erster wichtiger Film aus dem Subsahara-Teil des Kontinents. Anhand einer tragischen Geschichte versetzt uns das Drama in die Lage, das schädliche europäische Selbstverständnis aus afrikanischer Sicht zu erleben.

Copyright

Filmkritik:

Der 69 Minuten kurze Film verfolgt den Werdegang einer jungen Frau aus Senegals Hauptstadt Dakar. Durch eine Anstellung als Kindermädchen bei einem weißen französischen Paar entflieht Diouana der Arbeitslosigkeit. Als ihre Arbeitgeber zurück nach Frankreich ziehen, begleitet Diouana sie. Doch der Traum vom Auswandern prallt auf die unerwartet schweren Lebensumstände in Europa.

Das afrikanische Kino existierte viele Jahrzehnte gar nicht. Die französische Regieung verbot etwa via Dekret, dass die Bevölkerung seiner Kolonien eigene Filme drehte. Erst nachdem der Senegal 1960 seine Unabhängigkeit erlangte, entstand trotz fehlender Infrastruktur eine Filmbewegung – ein erstes, leuchtendes Beispiel für Subsahara-Afrika.

Einen großen Anteil daran trägt der senegalesische Regisseur Ousmane Sembène, der sich zunächst einen Namen als Schriftsteller machte. Doch aufgrund der hohen Analphabetenrate erkannte Sembène, dass es eines anderen Mediums bedurfte, um die breite Bevölkerung anzusprechen.

Er studierte Filmwissenschaften in Moskau und drehte 1966 sein Langfilmdebüt Black Girl. Als Nachfolger renommierter Regisseure wie Jean-Luc Godard und Claude Chabrol gewann Sembène direkt den französischen Prix Jean-Vigo und durfte ein Jahr später in der Jury des Filmfestivals von Cannes Platz nehmen.

Abseits seines filmhistorischen Wertes besticht Black Girl durch zahlreiche Qualitäten. Weil es Sembène vortrefflich gelingt, das Leben aus Diouanas Sicht zu zeigen, ermöglicht der Film uns Europäern, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Die Kontraste zwischen den Kontinenten treten hier deutlich zutage und fordern einen herben Tribut von der jungen Frau.

In Dakar lebte Diouana in einer räumlich wie gesellschaftlich offenen Community, in Frankreich versetzt Sembène sie in eine schmucklose kleine Wohnung, die Arbeitsplatz und Wohnort zugleich ist. Die tristen Bilder und die fehlende Filmmusik unterstreichen ohne weitere Kommentierung, dass Diouana ihre Freiheit gegen das Leben in einem Gefängnis getauscht hat.

Dabei handelt Black Girl gar nicht mal so sehr von Rassismus. Diouanas Arbeitgeber zeichnen sich eher durch eine Mischung aus Unverständnis und Ignoranz aus. Diouana verliert nicht nur ihren Freiraum, sondern auch alle sozialen Bindungen. Ihre Arbeitgeber etablieren ein distanziertes Angestelltenverhältnis, dessen Kommunikation ausschließlich in Anweisungen stattfindet. Es entsteht eine kalte, unpersönliche Atmosphäre.

Ohne Verbundenheit zur Welt und den Personen um sie herum bleiben Diouana nur noch innere Monologe als letzte Artikulationsmöglichkeit. Via Voice-Over erhalten wir Zuschauer Zugang zu diesen Gedanken, die immer enttäuschter und pessimistischer geraten. Aus der ersten Entfremdung erwächst eine Entmenschlichung, die Diouana immer mehr zu schaffen macht und sich dank der schnörkellosen Erzählweise auch auf uns überträgt.

Der erzählerische Ansatz zählt zu den Vorzügen von Black Girl, weil Ousmane Sembène keine Schuldfragen verfolgt. Er verzichtet auf Pathos und moralisierende Effekthascherei, baut stattdessen auf eine nüchterne Inszenierung und natürlich wirkende Laiendarsteller. Daraus erwächst eine schlichte Klarheit, die den Zugang zu den schwierigen Themen des Films erleichtert.

Nachdem französische Filme die Kolonien jahrzehntelang „wie Insekten“ (O-Ton Sembène) beobachtet hatten, gelang es dem Regisseur mit Black Girl, den ehemaligen Herren den Spiegel vorzuhalten. Das tragische Drama hinterfragt das europäische Selbstverständnis und zählt zu den wesentlichen Werken des humanistischen Kinos.

★★★★☆☆

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.