Die Blechtrommel
Ein Film von Volker Schlöndorff
Genre: Drama
| Strömung: Neuer Deutscher Film
| Erscheinungsjahr: 1979
| Jahrzehnt: 1970 - 1979
| Produktionsland: Deutschland
Die Blechtrommel zählte zu den schwierigsten Projekten von Volker Schlöndorff. Der Regisseur sammelte zwar viel Erfahrung mit Literaturverfilmungen, doch die ungezügelte Fabulierfreude und viele seltsame Episoden des schelmischen Entwicklungsromans von Günter Grass lassen Zweifel an einer Adaption aufkommen. Doch Schlöndorff fand einmal mehr den richtigen Ton – sein Werk gewann die Goldene Palme in Cannes und den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Filmkritik:
In rund zweieinhalb Stunden schildert Die Blechtrommel die in den Zweiten Weltkrieg schlitternde Stadt Danzig durch die Augen eines ungewöhnlichen Protagonisten. Im Alter von drei Jahren beschließt der kleine Oskar, nicht weiter zu wachsen und besiegelt damit die Distanz zu seiner Umgebung. „Von unten“ beobachtet er die Menschen, ohne selbst beachtet zu werden.
Das versetzt Oskar in die Lage, allerhand zu sehen – und zu durchschauen: Die Doppelmoral und Liebestriebe der kleinbürgerlichen Erwachsenen um ihn herum stehen sinnbildlich für eine Gesellschaft, der Oskar nicht angehören will. Der schleichende Einzug des Nationalsozialismus wirkt wie eine logische Folge der unbekümmerten Schwächen der Menschen.
Der Roman besticht durch eine Gewitztheit, die Schlöndorffs Verfilmung erfreulicherweise nicht glattbügelt. Der Regisseur bekennt sich zu den Ecken und Kanten von Grass‘ Buch und bekommt die vielen Variationen des Tonfalls gut unter einen Hut.
Die Blechtrommel ist wunderbar skurril (etwa, wenn Oskar mit seiner Blechtrommel ein ganzes Naziorchester dazu bringt, die Marschmusik durch den Donauwalzer zu ersetzen), romantisch (wenn die ménage à trois von Oskars Mutter und ihren beiden Männern gezeigt wird), seltsam (wenn der jugendliche Oskar im Kinderkörper erste sexuelle Erfahrungen sammelt) und tragisch (wenn ein Jude nach dem Krieg mit seiner imaginären, längst im Konzentrationslager vergasten Familie spricht und wir die Schatten der Toten sehen).
Aufgrund des hohen Aufwands und der großartigen Darsteller gerät Die Blechtrommel nie zur platten Farce. Angela Winkler und Mario Adorf (mit denen Schlöndorff schon Die verlorene Ehre der Katharina Blum drehte) spielen hervorragend, die guten Nebendarsteller wie Katharina Thalbach, Daniel Olbrychski und Heinz Bennent runden den Film entscheidend ab. Als größte Schwierigkeit der Produktion entpuppte sich die Besetzung des kleinen Oskars. Fündig wurden die Produzenten bei Bennents Sohn David, der damals 12 Jahre alt war und die Rolle großartig ausfüllt.
Der überdurchschnittlichen Laufzeit zum Trotz unterhält Die Blechtrommel über weite Strecken der Spielzeit. Die Zeitsprünge des episodenhaften Romans sparte Schlöndorff aus, indem er auf die Rahmenhandlung und den letzten Teil des Buches verzichtete und dem Text dadurch deutlich mehr Stringenz verlieh. Da der schelmische Tonfall von Günter Grass unangetastet blieb, besticht Die Blechtrommel auch noch vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung durch eine faszinierende Seltsamkeit.
★★★★☆☆
1970 – 1979
Die durch die neuen Wellen der Sechziger Jahre eingeleiteten Veränderungen nahmen auch in den Siebzigern Einfluss. In den USA entstand das New Hollywood und in Europa u.a. der Neue Deutsche Film. Erstmals kumulierten hohe Studiobudgets und die Kreativität junger Regisseure. Gegen Ende der Siebziger sorgte eine neue Entwicklung für die Wende: Die ersten Blockbuster erschienen und etablierten das Konzept marketinginduzierter Kino-Franchises.
Neuer Deutscher Film
Der Neue Deutsche Film grenzte sich vom populären Unterhaltungskino ab. Die Regisseure der Strömung arbeiteten unabhängig von den Studios und drehten als Autorenfilmer Werke mit vornehmlich gesellschaftlichen und politischen Bezügen. Neben der inhaltlichen Neuorientierung suchte der Neue Deutsche Film auch nach anderen Ausdrucksformen und setzte dem konventionellen Kino sowohl poetischere als auch radikalere Bilder entgegen.