Nightmare – Mörderische Träume
Ein Film von Wes Craven
1984 schlug die Geburtsstunde der erfolgreichsten Horrorserie der Achtziger Jahre: Mit Nightmare – Mörderische Träume und seinem prägenden Bösewicht Freddy Krueger gelang Wes Craven ein prägender Überraschungserfolg.
Filmkritik:
Dazu verhalf Cravens Werk ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal: Im Gegensatz zu anderen Slasherfilmen wie Halloween und Freitag der 13., die wortkarge Killer auf sündige Jugendliche hetzten, besitzt Nightmare mit Freddy Krueger einen deutlich verbaler veranlagten Schurken und auch eine große Portion Humor.
Der Mann mit dem Rasiermesserhandschuh lebt nicht primär für den Akt des Tötens, sondern nutzt das Meucheln der Jugendlichen als Mittel zum Zweck: Es ist die Angst, die Krueger nährt. Dementsprechend steht das Terrorisieren der Opfer höher im Kurs als das Morden selbst – wo Michael Myers und Jason Vorhees zielgerichtet hacken und stechen, ist bei Krueger der Weg das Ziel. Die bösartigen Spielchen der heimlichen Hauptfigur im rot-grün gestreiften Pullover sorgen für den bisweilen absurden Unterhaltungswert der inzwischen auf acht Teile gewachsenen Nightmare-Reihe.
Da Krueger nicht in der realen Welt existiert, sondern seine Opfer in ihren Träumen heimsucht, kann sich Nightmare den Spaß erlauben, die Logik auszuhebeln – in den Fantasiewelten scheint alles möglich, was dem Film einen zusätzlichen Reiz verleiht. Craven spielt geschickt mit dem Übergang von Wachsein und Traum, sodass die Protagonisten und das Publikum szenenweise nicht sicher sein können, ob Gefahr besteht oder nicht.
Für die Killer und Monster des Horrorgenres ist es guter Brauch, die Sündigen mit dem Tod zu strafen; insbesondere in den Eighties-Slashern müssen scharenweise Jugendliche dran glauben, die mit dem Sex nicht bis zur Ehe warten wollten. Auch in diesem Element unterscheidet sich Nightmare von anderen Genrevertretern. Zwar gibt Cravens Werk ebenfalls einigen Frühreifen die Gelegenheit zur Kopulation, der Subtext des Films zielt jedoch in eine gänzlich andere Richtung und schiebt nicht den Teenagern, sondern deren Eltern die Schuld zu.
Einmal mehr entpuppt sich die bürgerliche Idylle der amerikanischen Vorstadt als Fassade für Lügen und Ängste. Während tagsüber der sonnenbeschienene amerikanische Traum vorgelebt wird, zeugen die nächtlichen Albträume von Unsicherheiten und Rissen in dieser schönen heilen Welt. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, wie wenig die Elterngeneration ihre Kinder versteht, sobald diese aus den Bahnen der Konvention abweichen. Der Film geht sogar noch einen Schritt weiter: Die Eltern kennen das nächtliche Grauen durchaus, verdrängen es jedoch derart manisch, dass darüber die Kommunikation zu ihren Kindern zerstört wird. Anders formuliert: Sie opfern die Nähe zu ihren Kindern, um sich ihrer Illusion der perfekten Welt hingeben zu können. Deshalb kennt Nightmare auch kein Happy End: Der Schrecken wird nicht besiegt, sondern wiederhergestellt.
Das Zerbrechen der bürgerlichen Idylle thematisierte Wes Craven bereits zwölf Jahre zuvor in seinem Schocker Das letzte Haus links, wo das aus Ingmar Bergmans Die Jungfrauenquelle übernommene Sujet jedoch aufgrund der reißerischen Aufmachung untergeht. In Nightmare zeigt sich Craven deutlich gereifter und entwickelte einen Stil, der zum Genrestandard wurde. Der Regisseur selbst wendete sein Erfolgsrezept aus Horror und Humor später auch im Kultfilm Scream und dessen Nachfolgern an, die wiederum das Horrorkino der Neunziger nachhaltig prägten.
Allerdings findet Nightmare nicht immer die richtige Balance. Der gallige Humor sorgt für einen soliden Unterhaltungswert, darunter leidet jedoch der Gruselfaktor. Die erste Mordszene schindet noch gehörig Eindruck und findet auch in puncto Gewaltdarstellung ein stimmiges Maß. Danach folgen noch einige wunderbar makabre Einfälle wie die kultige Badewannenszene, in der Freddys Klingenhandschuh sich plötzlich aus dem Schaum zwischen den Beinen einer wegdämmernden Jugendlichen erhebt, davon abgesehen bleiben packende Horrorsequenzen jedoch Mangelware.
Damit lebt Nightmare hauptsächlich von seinem makaberen Spaß und dem interessanten Subtext und eignet sich mehr für einen launigen als einen spannenden Horrorfilmabend. Fans von Johnny Depp sollten ebenfalls einen Blick riskieren: Der Star durfte hier in jungen Jahren sein Debüt geben.
★★★☆☆☆
Horrorfilm
Das Horrorgenre gibt uns die Möglichkeit, Schreckensszenarien durchzuspielen und damit Stress aus unserem Unterbewusstsein abzuleiten. Der Horrorfilm bedroht immer die Normalität – sei es durch Geister, Monster oder Serienkiller. In der Regel bestrafen die Antagonisten die Verfehlungen von Sündern, inzwischen verarbeiten postmoderne Horrorfilme diese Motive jedoch auch ironisch und verbreitern damit die ursprünglichen Sujets des Genres.