TV-Tipps
Oktober 2021
Das TV-Programm im Oktober gibt Grund zur Freude: Zahlreiche tolle Filme vertreiben jeden Anflug eines Herbstblues.
Die Rubrik TV-Tipps versucht, die immense Menge an TV-Ausstrahlungen zu kuratieren. Nur wenige Filme pro Monat werden berücksichtigt. Voraussetzung dafür sind Werbefreiheit und eine vernünftige Sendezeit.
Hass
Mathieu Kassovitz | Frankreich | 1995
Der Debütfilm von Mathieu Kassovitz nimmt Bezug auf die Jugendkrawalle des Jahres 1993 und verzichtet darauf, den gesellschaftlichen und politischen Problemen der Banlieues mit erhobenem Zeigefinger zu begegnen. Kassovitz hat kein moralisches Sozialdrama im Sinn, sondern schickt uns mitten in den reißenden Strudel der Ereignisse: Wir begleiten drei Jugendliche durch das von Unruhen erschütterte Paris und müssen uns anhand weniger Informationsschnipsel selbst ein Bild der Verhältnisse machen, was aufgrund der fesselnden Inszenierung gar nicht leicht ist.
Am Freitag, dem 01. Oktober 2021, um 22:00 Uhr auf ARTE.
Frances Ha
Noah Baumbach | USA | 2012
Frances Ha atmet den Geist Woody Allens: Allerdings steht kein Intellektueller mit Midlife-Crisis, sondern die Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau im Mittelpunkt dieser schwarz-weißen New York-Sinfonie. Baumbach schildert lebensklug und wahrhaftig, wie die Protagonistin nach einem Übergang in die Erwachsenenwelt sucht, ohne ihre Identität zu verlieren. Der Regisseur profitiert von der glänzend aufgelegten Greta Gerwig und findet einen melancholischen Tonfall, der Humor und Ernsthaftigkeit vereint und ein lebensbejahendes Fazit zieht.
Am Montag, dem 04. Oktober 2021, um 20:15 Uhr auf ONE
sowie am Freitag, dem 08. Oktober 2021, um 22:30 Uhr auf ONE.
Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen
Nicholas Ray | USA | 1954
1954 produzierte die B-Movie-Schmiede Republic mit wenig Geld einen Meilenstein. Nicholas Ray nutzt das Western-Genre als Folie für ein überlebensgroß inszeniertes Melodram, dessen Triebmittel sexuelle Neurosen und blanker Hass sind. Die Regisseure der Nouvelle Vague verehrten Ray, weil er den Western transzendiert: Mit billigen Studiokulissen und leuchtendem Technicolor überhöht er das Geschehen ins Theaterhafte und erzeugt eine einzigartige Kinowelt. Trotz eines kleinen Budgets ist Johnny Guitar ein gewaltiger Film.
Am Sonntag, dem 10. Oktober 2021, um 20:15 Uhr auf ARTE.
Der Chef
Jean-Pierre Melville | Frankreich | 1972
(Der Chef sollte eigentlich schon im letzten Monat laufen, wurde dann aber aufgrund des Todes von Jean-Pierre Belmondo verschoben)
Die letzte Arbeit des großen Jean-Pierre Melville fällt im Vergleich zu dessen früheren Gangsterfilmen etwas ab, eine Sichtung lohnt sich aber trotzdem. Melville inszeniert Der Chef gewohnt ökonomisch und cool – keine Szene ist zu viel, keine Geste überflüssig. Der wortkarge Fatalismus und die starke Besetzung (Alain Delon, Catherine Deneuve und Richard Crenna) sind ebenso stimmig wie der Höhepunkt des Films, ein via Hubschrauber durchgeführter Überfall auf einen fahrenden Zug.
Am Montag, dem 11. Oktober 2021, um 20:15 Uhr auf ARTE.
Ein Mann für gewisse Stunden
Paul Schrader | USA | 1980
Mit Ein Mann für gewisse Stunden rechnete Paul Schrader mit dem seelenlosen Materialismus der Achtziger Jahre ab, noch bevor das Jahrzehnt richtig begonnen hatte. In diesem Film über einen mit Richard Gere perfekt besetzten Gigolo ist alles käuflich, doch nichts von Bedeutung. Genüsslich lässt Schrader den schönen Schein zerbröseln und offenbart, wie gefährlich es ist, wenn selbst Freundschaft und Liebe nach ökonomischen Prinzipien funktionieren.
Am Samstag, dem 16. Oktober 2021, um 22:15 Uhr auf NDR.
Der seidene Faden
Paul Thomas Anderson | USA | 2017
Der seidene Faden entwirft einen Drei-Personen-Kosmos, in dessen Zentrum ein exaltierter Modeschöpfer (grandiose Abschiedsvorstellung: Daniel Day-Lewis) steht. Paul Thomas Anderson entwickelt psychologische, selten ausformulierte Konflikte zwischen den Figuren und baut damit eine innere Spannung auf, auf deren Entladung es sich zu warten lohnt. Die eleganten Bilder, die artifiziellen Dialoge und die tollen Darsteller kitten die vielen kleinen Risse, ohne die Entwicklung aufhalten zu können – Anderson ist ein moderner Klassiker gelungen, sein kunstvolles Psychogramm steht in der Tradition von Roman Polanski und David Cronenberg.
Am Sonntag, dem 17. Oktober 2021, um 20:15 Uhr auf ARTE.
Weites Land
William Wyler | USA | 1958
Der Klassiker von William Wyler verpflanzt einen gebildeten Großstädter (Paraderolle: Gregory Peck) in den Wilden Westen, wo er zwischen die Fronten eines Kleinkrieges zweier Viehzüchterfamilien gerät. Weites Land füllt seine 165-minütige Spielzeit nicht mit Schusswechseln, sondern beschäftigt sich ausführlich mit den gegensätzlichen Figuren, ihrer Moral und der Frage, wie Gewalt entsteht. Seine Spannung erzeugt der Film über stimmige Dialoge, starke Leistungen der Darsteller und tolle Landschaftsaufnahmen.
Am Samstag, dem 23. Oktober 2021, um 20:15 Uhr auf SWR.
Empfehlungen:
01.10.2021 – Hass – La Haine – 22:00 Uhr auf ARTE
04.10.2021 – Frances Ha – 20:15 Uhr auf ONE
08.10.2021 – Frances Ha – 22:30 Uhr auf ONE
10.10.2021 – Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen – 20:15 Uhr auf ARTE
11.10.2021 – Der Chef – 20:15 Uhr auf ARTE
16.10.2021 – Ein Mann für gewisse Stunden – 22:15 Uhr auf NDR
17.10.2021 – Der seidene Faden – 20:15 Uhr auf ARTE
23.10.2021 – Weites Land – 20:15 Uhr auf SWR
Einen Blick wert:
09.10.2021 – Der fremde Sohn – 21:35 Uhr auf ZDF Neo
09.10.2021 – Donnie Brasco – 22:00 Uhr auf ONE
20.10.2021 – Side Effects – 20:15 Uhr auf ARTE