Zum Beispiel Balthasar

Ein Film von Robert Bresson

Genre: Drama

 

 | Erscheinungsjahr: 1966

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: Frankreich

 

Die Kinogeschichte kennt viele tragische Figuren, doch keine gleicht dem Protagonisten aus Zum Beispiel Balthasar: Robert Bresson stellt einen Esel in den Mittelpunkt einer allegorischen Passionsgeschichte, die uns Menschen den Spiegel vorhält.

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Filmkritik:

Wie in beinahe allen seinen Werken setzte Robert Bresson auch in Zum Beispiel Balthasar auf Laiendarsteller, denen er mit zahlreichen Szenenwiederholungen jegliches künstliche Spiel austrieb. Beinahe ohne musikalische Untermalung und in tristen Schwarz-Weiß-Bildern begleitet der Regisseur seinen Protagonisten und entwickelt im weiteren Verlauf eine besondere Wahrhaftigkeit, die Bresson zahlreiche Bestenlistenplätze einbrachte und nachfolgende Regisseure wie Bruno Dumont oder Michael Haneke nachhaltig beeinflusste.

Bressons charakteristischer Inszenierungsstil scheint wie gemacht für ein Werk wie dieses: Die langen Einstellungen und der attraktionslose, regelrecht dokumentarische Blickwinkel versetzen uns gekonnt in die Situation des Esels Balthasar. Ohnmächtig verfolgen wir das Geschehen um ihn herum und erfühlen dabei eine Welt, die seltsam automatisch abläuft. Bresson setzt das Grundgesetz von der Aktion, auf die zwingend eine Reaktion folgt, gewissermaßen außer Kraft – Balthasar tut nichts und muss doch die Auswirkungen der Menschen um sich herum ertragen.

Hinter der spröden Gestaltung offenbart Zum Beispiel Balthasar ein reichhaltiges Angebot an Themen und Interpretationen, bietet uns auf verschiedensten Ebenen Bezugspunkte an, ohne seinen universellen Charakter aufzugeben. Am offensichtlichsten scheint die katalytische Funktion Balthasars, das Wesen der Menschen zu spiegeln. In manchen Momenten scheint seine bloße Anwesenheit dafür zu sorgen, dass die Bewohner der ländlichen Gemeinde Landes Anwandlungen von Güte oder Bosheit Ausdruck verleihen. Gleichzeitig spielt der Katholik Bresson von Anfang an offen mit den Referenzen auf die Ur-Version aller Passionsgeschichten und zieht zahlreiche Parallelen zwischen Jesus Christus und Balthasar.

Weitaus interessanter finde ich jedoch einen anderen Aspekt, der deutlich greifbarer ist als die Bibelverweise – es mutet erstaunlich an, wie finster Bresson das Dorfleben darstellt. Nahezu alle Nebenfiguren weisen eklatante charakterliche Schwächen auf: Sie sind stur und geizig, amoralisch und bösartig und vor allem stets derart im kurzfristigen Denken verhaftet, dass sie über kurz oder lang scheitern müssen.

So erleiden Menschen und Esel letztlich alle ihr Schicksal. Doch hätten die Menschen das ihre besser formen können? Während Balthasar sich niemals gegen seine Besitzer wehren konnte, bleibt den Menschen gegenüber den absoluten Maßeinheiten unserer Welt ebenfalls keine Möglichkeit der Gegenwehr. Verstand und Körper, Charakter und Laster bekommen wir gegeben, ebenso wie die Zeit, die wir auf dieser Erde verbringen. Wenig an unserer Welt können wir beeinflussen und dennoch spüren wir ihre Auswirkungen.

Und während der arme Esel im Finale des Films inmitten einer Herde von Schafen liegt und mit seinem scheinbar sinnlosen Leben abschließt, erscheinen unsere gegen den immerwährenden Widerstand der Welt beschlossenen Pläne und Ziele seltsam unwichtig. Ist das wirklich alles, was wir aus unserer Zeit machen können?

Selbst in der Filmografie Bressons zählt Zum Beispiel Balthasar zu den fordernsten Werken. Die nahtlosen Zeitsprünge und die verschlossenen Figuren bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, die der französische Autorenfilmer mit einem thematischen Panoptikum und seiner visueller Schönheit belohnt.

★★★★☆☆

Robert Bresson

Für Robert Bresson dienten Filme nie dem Zweck, Geschichten zu bebildern. Dem „literarischen Kino“ schwor er ab und entwickelte eine eigene Filmsprache, deren spröde Strenge uns Zuschauer herausfordert. Bressons markante Inszenierung ist für die Trennung von Bild- und Tonebene berühmt und ermöglicht uns, tiefere Wahrheiten zu entdecken. Die Größe von Bressons reduziertem Kino entsteht nicht auf der Leinwand, sondern im Kopf des Zuschauers.

Drama

Der Dramabegriff dient als Auffangbecken für Filme, die sich keinem spezifischerem Genre zuordnen lassen. Dementsprechend viele Schattierungen ergeben sich: vom Sozial- über das Gesellschaftsdrama, das Melodram und die Tragikomödie. Die Gemeinsamkeiten dieser Subgenres liegen in realistischen, konfliktreichen Szenarien und einer Konzentration auf die Figuren.