Ein Toter spielt Klavier

Ein Film von Seth Holt

 

 | Erscheinungsjahr: 1961

 | Jahrzehnt: 1960 - 1969

 | Produktionsland: Großbritannien

 

Der Psychothriller Ein Toter spielt Klavier entstammt den britischen Hammer-Studios und dürfte das beste Werk der kultigen Genrefilmschmiede sein. Der Thriller von Seth Holt entwirft in seiner 81 Minuten kurzen Spielzeit ein launiges Schreckensszenario mit hohem Mysteryfaktor und diversen Twists.

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Filmkritik:

Geschickt versetzt uns Ein Toter spielt Klavier in die Lage der Protagonistin Penny, die nach vielen Jahren in das Haus ihres Vaters zurückkehrt und dort zum ersten Mal ihrer Stiefmutter begegnet, während ihr Vater sich noch auf einer Geschäftsreise befindet. Zusammen mit Penny werden wir vor die Aufgabe gestellt, uns möglichst schnell eine Meinung über die Protagonisten zu bilden.

Dass hier vieles im Argen liegt, wird spätestens klar, als Penny nachts auf eine geisterhafte Erscheinung ihres toten Vaters stößt und beginnt, an ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln.

Das Drehbuch taugt als Musterbeispiel ökonomischen Erzählens: Anhand weniger Figuren und mit nur einem Schauplatz baut Ein Toter spielt Klavier binnen kurzer Zeit viel Suspense auf und steigert das Geschehen zunehmend, ohne allzu viel von den Hintergründen seiner Handlung preiszugeben.

Dabei bedient sich der Film bei großen Vorbildern wie Henri-Georges Clouzots Meisterwerk Die Teuflischen oder den Werken von Alfred Hitchcock. Doch obwohl das Drehbuch stets dicht am Klischee wandelt und vor Groschenromanelementen nur so wimmelt, spielt es doch derart lustvoll mit den Versatzstücken des Horrorfilms, dass Holts Werk zu keinem Zeitpunkt billig nachbuchstabiert wirkt, sondern einen ganz eigenen Charme entwickelt.

Die expressive Bildgestaltung steht den inhaltlichen Kapriolen in nichts nach und taucht die Welt des Films überwiegend in finstere Schwärze, spielt geschickt mit den wenigen Lichtquellen und den daraus resultierenden Schatten. Selbst während der am Tage spielenden Szenen vermittelt die Kamera des erfahrenen Douglas Slocombe (Adel verpflichtet, Der große Gatsby, Indiana Jones) eine sinistere Atmosphäre und lässt die sonst so sonnige Côte d’Azur reichlich unfreundlich aussehen.

Die Darsteller sorgen derweil für Bodenhaftung und erden den freudig fabulierten Plot. Neben Hauptdarstellerin Susan Strasberg (der Tochter des weltberühmten Schauspiellehrers Lee Strasberg, der unter anderem Paul Newman, Marlon Brando, Robert De Niro und Al Pacino ausbildete) überzeugen auch Ann Todd als Stiefmutter und der ungemein geschickt besetzte Christopher Lee als obskurer Arzt.

Die zweite Filmhälfte zieht das Tempo deutlich an und führt uns geschickt auf falsche Fährten, während das Suspense zunehmend konkreteren Spannungsszenarien weicht. Das Finale stellt das Geschehen dann nahezu komplett auf den Kopf, zaubert binnen weniger Sekunden gleich mehrere Twists aus dem Hut und verleitet zum vergnügten Applaudieren ob der nicht unbedingt ernst zu nehmenden, aber unheimlich effektvollen Überraschungen.

Das Finale steht beispielhaft für den Gestus des Films – Ein Toter spielt Klavier sorgt gerade deshalb für einen Heidenspaß, weil er sich in jedem Moment zu seinem B-Movie-Status bekennt und selbstbewusst mit Genreversatzstücken jongliert.

★★★★★☆

1960 – 1969

Die Sechziger Jahre zählen zu den revolutionärsten Jahrzehnten der Kinogeschichte. Mehrere Strömungen – die neuen Wellen – verschoben künstlerische Grenzen und modernisierten die Filmsprache. Viele Regisseure ließen die themen der vorherigen Generationen hinter sich und drehten freiere, gesellschaftskritischere Werke.

Thriller

Ähnlich wie der Actionfilm basiert auch das Thriller-Genre nicht auf inhaltlichen, sondern auf formalen Gesichtspunkten. Eine größtmögliche, im Optimalfall konstant gehaltene Spannung ist das Ziel. Dafür bedienen sich Thriller in der Regel einer konkreten Bedrohungslage. Wird die Gefahr überwiegend über Andeutungen und Suspense transportiert, findet gerne der Terminus Psychothriller Anwendung.