Asche und Diamant

Ein Film von Andrzej Wajda

Genre: Drama

 | Strömung: Polnische Filmschule

 | Erscheinungsjahr: 1958

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: Polen

 

Asche und Diamant ist einer der renommiertesten Klassiker des polnischen Kinos. Das Drama von Andrzej Wajda nimmt eine niederschmetternde Bestandsaufnahme Polens nach dem Zweiten Weltkrieg vor und nutzt dafür ein stark verdichtetes Szenario, das nationale Traumata auf ein Einzelschicksal herunterbricht.

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Filmkritik:

Die Handlung von Asche und Diamant spielt sich innerhalb weniger Stunden in einem Hotel einer kleineren Ortschaft ab. Der junge Widerstandskämpfer Maciek soll dort ein Attentat auf einen Sekretär der kommunistischen Partei ausführen. Doch weil er kurz vor der Tat zum ersten Mal verliebt, kommen ihm Zweifel an seinem Tun.

Es handelte sich bereits um die dritte Regiearbeit des damals erst 32-jährigen Andrzej Wajda. Er schloss mit Asche und Diamant eine Trilogie ab, die den Verlauf des Zweiten Weltkrieges nachzeichnet. In seinem Debüt Eine Generation schildert der Regisseur das Leben unter deutscher Besatzung, in Kanal den Warschauer Aufstand und in Asche und Diamant die pessimistische Perspektive am Tag des Kriegsendes.

Nachdem er ein Jahr zuvor für Kanal den Spezialpreis der Jury beim Filmfestival von Cannes gewann, stieg Wajda mit Asche und Diamant endgültig zur Galionsfigur des polnischen Kinos auf. Dabei steht das frühe Schaffen des Regisseurs beispielhaft für die Polnischen Filmschule.

Die vom Italienischen Neorealismus beeinflusste Strömung entstand Mitte der Fünfziger Jahre in der „Tauwetterperiode“ des kommunistischen Landes. Sie zeichnet sich durch gesellschaftliche Bezüge und eine Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen polnischen Geschichte aus. Die Filme dieser kurzen Periode zählen zu den modernsten ihrer Zeit.

Asche und Diamant basiert auf Jerzy Andrzejewskis gleichnamigen Roman, der seinerzeit zur Schulliteratur gehörte und eine pro-kommunistische Position einnahm. Wajda sah in dem Stoff eine ambivalentere Anlage und konnte den Autor dafür gewinnen, den Roman in ein kritischeres Drehbuch umzuarbeiten. Aufgrund des guten Rufs von Andrzejewski genehmigte die staatliche Zensur die Produktion ohne Auflagen.

Die Freigabe überrascht, weil Asche und Diamant ein düsteres Porträt des Nachkriegspolens malt. Der Film spielt am 8. Mai 1945, dem Tag der deutschen Kapitulation. Polen ist befreit, aber nicht frei – auf die Besatzung der Nazis folgte die hinterrücks etablierte Herrschaft der Kommunisten, die das Land zum sowjetischen Satellitenstaat degradierten.

Eine bittere Entwicklung für die Soldaten des Widerstandes, die jahrelang für ein freies Polen gekämpft haben, um es nun in russischer Hand zu sehen:

„Das Ende des Krieges ist nicht das Ende unseres Kampfes. Der Kampf um Polen und darum, was für ein Land es werden soll, hat gerade erst begonnen.“

Der junge Widerstandskämpfer Maciek steht sinnbildlich für eine verlorene Generation. Er hat sein gesamtes Erwachsenenleben im Krieg verbracht und kennt keine zivile Normalität. Es erscheint ihm selbstverständlich, nach den Nazis auch die kommunistischen „Besatzer“ zu bekämpfen.

Wir wissen von Beginn an, dass Maciek nichts gewinnen kann – das Schicksal Polens ist längst besiegelt. Diese Perspektivlosigkeit verleiht dem Film eine fatalistische Stimmung und wirft einen Schatten auf den jungen Mann, dem trotz seiner Heldentaten ein Außenseiterdasein droht – mit dem Beginn der Friedenszeit wird sein Soldatendienst zum kriminellen Akt.

Das gärende Bewusstsein um die Zweifelhaftigkeit seines Tuns findet in einer Zufallsbekanntschaft einen Katalysator – Maciek verliebt sich unerwartet in die Barfrau des Hotels, in dem er sein Opfer belauert. Für den jungen Mann, der nur den Krieg und keine Liebe kennt, eröffnet sich erstmals eine andere Perspektive, die ein ziviles Leben und persönliches Glück denkbar macht.

Maciek befindet sich in einer Zwickmühle: Verweigert er sich dem Attentatsbefehl, bricht er seinen Eid und verrät seine toten Kameraden. Die Ausführung des Mordanschlages raubt ihm hingegen die eigene Zukunft und bedroht die politisch fragwürdige, aber immerhin stabile zivile Ordnung – Maciek würde den noch keine 24 Stunden währenden Frieden mit Füßen treten.

Asche und Diamant verbindet die persönliche Geschichte der Figur und die Geschichte Polens zu einem komplexen Amalgam. In Macieks unauflösbarem Konflikt zwischen Vergangenheit und Zukunft, abstrakten Idealen und konkreten persönlichen Wünschen verdeutlicht der Film die Zerrissenheit der polnischen Kriegsgeneration und entwickelt eine große erzählerische Kraft.

Auch Zbigniew Cybulski ist eine Sensation: Der häufig als „polnischer James Dean“ bezeichnete Hauptdarsteller orientierte sich stark an westlichen Stars wie Dean und Marlon Brando. Sein modernes Schauspiel besitzt eine große Energie, erinnert mich jedoch mehr an Bette Davis als James Dean: Cybulski bleibt stetig in Bewegung, seine Hände und sein Gesicht sind immer beschäftigt, er greift sich so viel Bildraum wie möglich.

Der Vergleich mit James Dean bietet sich an, weil Cybulski im Alter von 39 Jahren einen tragischen Unfalltod starb. Er kam aber schon vorher auf, weil der Schauspieler eine Vorliebe für westliche Mode bewies und häufig Lederjacke und Sonnenbrille trug. Im Film begründet Maciek die Notwendigkeit der Sonnenbrille damit, während des Warschauer Aufstandes zu lange in der dunklen Kanalisation verbracht zu haben – ein amüsanter Verweis auf Kanal.

Asche und Diamant fasziniert aufgrund seines ambivalenten Tonfalls: Er startet mit einer Actionszene, hält die erste Filmhälfte in einer konspirativen Schwebe und baut so Suspense auf; es folgen romantische Anwandlungen und poetische Momente, die den Wechsel zurück ins Spannungskino umso dramatischer wirken lassen. Schließlich entlässt uns Wajda mit einer großen Portion Wehmut und einer tragischen Ironie.

Diese komplexe Mischung der Emotionen spiegelt sich auch in der Bildgestaltung wider. Im Verlauf der Spielzeit gerät die visuelle Ebene zunehmend düsterer und erinnert dabei manchmal an den Film Noir, da Kameramann Jerzy Wójcik gekonnt mit Licht und Schatten spielt, auf tiefe Perspektiven zurückgreift und von Citizen Kane inspirierte Untersichten einbaut.

Gleichzeitig beschwört Wójcik eine fatalistische Poesie und verstärkt die inhaltlichen Motive durch visuelle Metaphern. Das Bild brennender Wodka-Gläser als Andenken an gefallenen Soldaten bleibt ebenso im Gedächtnis wie ein Mord auf nächtlicher Straße, der von Feuerwerk überstrahlt wird. Am bekanntesten ist wohl das Motiv der beiden Liebenden in einer zerbombten Kirche, getrennt durch eine umgestürzte Jesusstatue.

Asche und Diamant ist ein Meilenstein des polnischen Kinos (und zählt zu den Lieblingsfilmen von Francis Ford Coppola und Martin Scorsese). Andrzej Wajdas Abgesang auf eine verlorene Generation beeindruckt inhaltlich und visuell, besitzt einen herausragenden Hauptdarsteller und hält sich aufgrund seiner universellen Themen zeitlos.

★★★★★☆

1950 – 1959

In den Fünfziger Jahren befanden sich die weltweiten Studiosysteme auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. In den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich versammelten die Studios eine ungeheure Menge an Talent und veröffentlichten dank des geballten Produktionsniveaus zahllose Meisterwerke. Einen gewichtigen Anteil daran ist auch den Regisseuren zuzuschreiben, die sich innerhalb des Systems Freiheiten erkämpften und so ihr Potenzial ausspielen konnten.

Polnische Filmschule

Die Polnische Filmschule entstand in der „Tauwetterperiode“ des kommunistischen Polens in den Fünfziger Jahren. Sie geht auf die Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Łódź zurück und brachte viele der größten Filmklassiker der polnischen Kinogeschichte hervor. Die Vertreter der Strömung zeichnen sich durch eine moderne Inszenierung und starke Bezügen zu den gesellschaftlichen Umwälzungen der jüngeren polnischen Geschichte aus.