Der weite Ritt
Ein Film von Peter Fonda
Genre: Western
| Strömung: New Hollywood
| Erscheinungsjahr: 1971
| Jahrzehnt: 1970 - 1979
| Produktionsland: USA
In seinem Regiedebüt Der weite Ritt offenbart Peter Fonda eine unorthodoxe Facette des Westerns. Als Vertreter des New Hollywood ignoriert der Regisseur und Hauptdarsteller die Ikonografie des Genres und inszeniert stattdessen ein stilles Melodram, das die klassischen Motive kritisch hinterfragt.
Filmkritik:
Der titelgebende lange Ritt bezieht sich auf die Odyssee von Fondas Protagonisten: Sieben lange Jahre bereiste er die Vereinigten Staaten auf der Suche nach Abenteuern und Freiheit. Zu Beginn des Films kehrt er mit leeren Händen zu seiner Frau und Tochter auf die beschauliche Farm zurück und hofft, das alte Leben wieder aufnehmen zu können.
Damit entpuppt sich Der weite Ritt als klassisches Melodram, das sich den staubigen Mantel des Westerns übergeworfen hat. Nun zählt das Genre aber zu den Spielarten des Films, in dem traditionell wenig gesprochen wird – im Zweifelsfall artikulieren sich die männlichen Protagonisten mit Fäusten oder Colts. Wer Gefühle hat, hält die Klappe und reitet schweigend in den Sonnenuntergang.
Fondas Werk nutzt diese männliche Sprachlosigkeit für eine spannende, weil oft wortlose Auseinandersetzung und schildert die zaghafte Annäherung der Eheleute überwiegend visuell. Sie diskutieren die Wunden der Vergangenheit und ihre Entfremdung nicht; stattdessen setzt Fonda die Figuren beständig in räumliche Distanz zueinander. Wenn sie einander anblicken, mutet das wie ein stiller Dialog an.
Allerdings bietet Der weite Ritt weit mehr als die vordergründige Melodramatik – als Vertreter des New Hollywood hinterfragt der Film auch amerikanische Ideale. Was haben sieben Jahre der großen Freiheit aus Fondas Protagonisten gemacht?
Es ist ja nicht so, dass sein Harry Collings hinaus in die Welt zog und dann feststellte, dass sein Herz für seine Heimat schlägt; viel mehr blieb ihm einfach kein Ort mehr, den er noch bereisen könnte. Das Land hatte ihm nichts mehr zu geben, hat es vielleicht auch nie. Offensichtlich war seiner Lebenssinnsuche kein Erfolg beschieden. Welchen Wert hatte diese Freiheit dann überhaupt?
Dieser Abgesang auf den Mythos des Wilden Westens (und damit auch auf den American Way Of Life) schlägt einen gänzlich anderen Ton an als ähnliche Werke. Wo Robert Altman in McCabe & Mrs. Miller zur Dekonstruktion greift und Sam Peckinpah die alternden Antihelden in The Wild Bunch mit Pauken und Trompeten untergehen lässt, wählt Fonda die Melancholie.
Seine Inszenierung ist ruhig und behutsam: Durch ungewöhnlich lange Überblendungen zwischen den Szenen vermittelt er die Wahrnehmung der Hauptfigur, dessen Leben wegzudriften scheint. Die Tragik des Films liegt in der Tatsache, dass just in jenem Moment, wo er es festhalten will, die Schatten der Vergangenheit nach ihm greifen und ihn zurück in die große leere Freiheit ziehen.
Nicht immer erreicht Der weite Ritt die Wahrhaftigkeit, die er anzustreben scheint, doch in seinen besten Momenten geht das Konzept des Films auf.
★★★☆☆☆
1970 – 1979
Die durch die neuen Wellen der Sechziger Jahre eingeleiteten Veränderungen nahmen auch in den Siebzigern Einfluss. In den USA entstand das New Hollywood und in Europa u.a. der Neue Deutsche Film. Erstmals kumulierten hohe Studiobudgets und die Kreativität junger Regisseure. Gegen Ende der Siebziger sorgte eine neue Entwicklung für die Wende: Die ersten Blockbuster erschienen und etablierten das Konzept marketinginduzierter Kino-Franchises.
New Hollywood
Mitte der Sechziger Jahre gelangte das traditionelle Hollywood-Kino an einen kreativen Nullpunkt, der eine neue Strömung ermöglichte. Das New Hollywood legte die kreative Kontrolle der Produzenten in die Hände junger Regisseure, die so unkonventionelle Filme drehen konnten. Gesellschaftskritische Werke mit Außenseitern als Protagonisten sorgten für die Wiederbelebung des amerikanischen Kinos.