New Hollywood

Ein Überblick über die spannendste Ära der amerikanischen Kinogeschichte

Einführung

Die Sechziger Jahre setzten dem klassischen Hollywood stark zu: Der gesellschaftliche Wandel, die Konkurrenz durch das Fernsehen und ein kreativer Stillstand bedrohten den Status quo. Daraus entwickelte sich eine neue Strömung: Das New Hollywood läutete die reichhaltigste Ära der amerikanischen Kinogeschichte ein.

Die Filmstudios begegneten dem Zeitenwandel durch die Förderung einer Schar junger, ambitionierter Filmemacher, die große künstlerische Freiheiten erhielten. Sie brachen mit Konventionen und Tabus, brachten neue Perspektiven ein und setzten sich kritisch mit dem Amerika ihrer Zeit auseinander. So entstanden ambivalente und gesellschaftskritische Werke, die für eine Wiederbelebung des amerikanischen Kinos sorgten.

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Ein guter Einstiegsfilm

Die Reifeprüfung

Mike Nichols | 1967 | USA

Auf dem Papier handelt es sich bei dem frühen New Hollywood-Film Die Reifeprüfung um eine romantische Komödie, dessen junger Held sich selbst finden muss, um seine große Liebe für sich zu gewinnen. Eigentlich rechnet der Film von Mike Nichols jedoch mit den Idealen der Fünfziger Jahre ab und kritisiert das gelangweilte Bürgertum. Der Film zeichnet sich durch einen enormen visuellen Einfallsreichtum aus und durch die legendäre Musik von Simon & Garfunkel. Nichols gelingt es, die kritischen und die komödiantischen Töne nahtlos zusammenzufügen und Dustin Hoffman überzeugt in seiner ersten Hauptrolle.

Top 10: Die besten Filme des New Hollywood

Filmszene aus Taxi Driver

Taxi Driver

Martin Scorsese | 1976 | USA

Taxi Driver entwirft die bedrückende Charakterstudie eines Außenseiters, der im Großstadtdschungel New Yorks verloren geht. Am von Robert De Niro meisterhaft gespielten Travis Bickle illustriert Martin Scorsese die Entfremdung des Individuums von seiner Umgebung; Bickle kann sich nicht länger verständlich machen und gleitet in eine eigene Welt ab, bis seine Gewaltfantasien in die Wirklichkeit durchbrechen. Die eindringlichen Bilder und der fantastische Jazz-Score von Bernard Herrmann verleihen Taxi Driver eine entrückte Stimmung und ziehen uns unwillkürlich in Bickles kaputte Welt. Scorsese setzt das schmuddelige New York der Siebziger Jahre eindrucksvoll in Szene.

Filmszene aus Point Blank

Point Blank

John Boorman | 1967 | USA

Point Blank zählt zu den Vorreitern der New Hollywood-Ära und hebt simples Genrekino auf ein außergewöhnliches künstlerisches Niveau. Der frühe Neo-Noir von John Boorman nutzt einen aufs Allerwesentlichste reduzierten Thriller als Gerüst für eine kunstvolle Dekonstruktion: Seine Filmsprache arbeitet regelrecht gegen die Erzählung, fragmentiert sie und setzt sie collagenhaft zusammen. Das funktioniert vor allem über einen brillanten Schnitt – die assoziative Montage vereint verschiedene Zeit- und Bedeutungsebenen zu einem komplexen Geflecht. Derweil erdet die enorme physische Präsenz von Hauptdarsteller Lee Marvin das Geschehen und hält alles zusammen.

Filmszene aus McCabe & Mrs. Miller

McCabe & Mrs. Miller

Robert Altman | 1971 | USA

In dem New Hollywood-Western McCabe & Mrs. Miller formuliert Autorenfilmer Robert Altman einen Abgesang auf den amerikanischen Traum und dekonstruiert das Genre. Von der großen Freiheit ist hier nichts zu spüren, das Geschehen spielt sich in einer verschneiten Berglandschaft ab, die entsättigten Bilder und die melancholische Musik Leonard Cohens lassen den Ort trist wirken. Westernhelden gibt es hier keine – Frauen haben die Hosen an, während Männer über ihre Bärte sinnieren. In dieser Western-Wirklichkeit reihen sich sinnlose Gewalt und platzende Träume aneinander, der amerikanische Traum bleibt unerreichbar.

Filmszene aus Die letzte Vorstellung

Die letzte Vorstellung

Peter Bogdanovich | 1971 | USA

Der frühe New Hollywood-Vertreter Die letzte Vorstellung schildert den öden Alltag einer Gruppe Teenager in einer texanischen Provinzstadt. Peter Bogdanovichs Coming-of-Age-Film glänzt durch ambivalente Figuren und einen besonderen Tonfall: Er vereint die Tristesse und die Melancholie der Gegenwart mit einer unbestimmten Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dabei gerät der Film nie melodramatisch und vermeidet Klischees, durch seine Wahrhaftigkeit entwickelt er trotzdem eine große Kraft, die ein Gespür für das Milieu und die Ära vermittelt. Die aufstrebenden Jungdarsteller (Jeff Bridges, Randy Quaid und Cybill Shepherd, die später die Betsy in Taxi Driver spielte) überzeugen ausnahmslos.

Filmszene aus Der Tod kennt keine Wiederkehr

Der Tod kennt keine Wiederkehr

Robert Altman | 1973 | USA

Im Rahmen des New Hollywood-Kinos dekonstruierte Robert Altman eine Reihe amerikanischer Genres; in Der Tod kennt keine Wiederkehr knöpft er sich den Film Noir und dessen ikonischste Figur Philipp Marlowe vor. Dabei zeigt er keinerlei Respekt und führt beide ad absurdum – Altman drehte keinen Neo- sondern einen Anti-Noir. Der Tod kennt keine Wiederkehr entwirft eine dysfunktionale Filmwelt und einen unnützen Helden, der Plot bleibt fragmentarisch und führt nirgendwo hin. Mit dieser postmodernen Prägung beeinflusste Altmans Werk unzählige Nachfolger, insbesondere die Gebrüder Coen und The Big Lebowski.

Filmszene aus The Wild Bunch

The Wild Bunch

Sam Peckinpah | 1969 | USA

The Wild Bunch ist vor allem für seine gewaltigen Shootouts bekannt, doch schon nach dem legendären Schusswechsel zu Beginn schaltet Sam Peckinpah in einen anderen Modus und präsentiert uns einen über weite Strecken ruhigen Film, der sich am besten als Melodram müder Männer beschreiben lässt. Der Regisseur beobachtet der Verfall des Wilden Westens anhand einer Bande von Outlaws, die an der Neuzeit scheitern. Es herrscht eine diffuse Stimmung in diesem Film, der unbändige Lebensgier mit kompromisslosem Fatalismus mischt, bis Peckinpahs Vision in einem wahnwitzig montierten Finale verglüht.

Filmszene aus Driver

Driver

Walter Hill | 1978 | USA

Mit Driver trieb Walter Hill den Neo-Noir auf die Spitze: Der Thriller reduziert das Geschehen auf Versatzstücke und erzählt mit größtmöglicher Ökonomie. Hill gesteht seinen Figuren nicht einmal Namen zu – sie bleiben „der Fahrer“, „der Cop“ und die Femme fatale. Mit dieser konzentrierten Herangehensweise verdichtet der Regisseur „Handlung“ zu Blicken, kleinen Gesten, aufheulenden Motoren – der Film verkauft keinen Plot, sondern pures Kino. Daraus zieht Driver eine unangestrengte Coolness und den Fatalismus, den jeder gute Neo-Noir benötigt. Zudem lieferte der ausschließlich in nächtlichem Neonlicht spielende Film die Vorlage für Nicolas Winding Refns Drive.

Filmszene aus Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss

Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss

Sydney Pollack | 1969 | USA

Mit dem New Hollywood-Klassiker Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss rechnet Sydney Pollack schonungslos mit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie und der Sensationslust des Publikums ab. Dafür schildert er einen Tanzmarathons zur Zeit der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre, in dessen Verlauf die Protagonisten immer weiter entmenschlicht werden. Indem Pollack die Zeitebene verschwimmen lässt und die kammerspielartige Stimmung betont, verleiht er seinem Film parabelhafte Züge und eine existenzialistische Prägung. Dabei gelingt es dem Regisseur, seine Figuren nicht auszustellen, sondern nähert sich ihnen mit großer Empathie.

Filmszene aus Bonnie und Clyde

Bonnie und Clyde

Arthur Penn | 1967 | USA

Einer der radikalsten Filme seiner Zeit: Bonnie und Clyde erhitzte mit seiner Gewaltdarstellung die Gemüter und zerschmetterte damit den Hays Code, der jahrzehntelang die Moral Hollywoods definierte. Regisseur Arthur Penn gelingt das Kunststück, seine Antihelden nicht zu glorifizieren und dennoch Partei gegen das Establishment zu ergreifen. Seine furiose Inszenierung, die legendäre Banjo-Musik und die tollen Darsteller schufen einen Meilenstein der Ära und leiteten mit dem New Hollywood-Kino die spannendste Periode der amerikanischen Kinogeschichte ein.

Filmszene aus Der Schwimmer

Der Schwimmer

Frank Perry | 1968 | USA

Ein Geheimtipp des New Hollywood-Kinos: In Der Schwimmer unternimmt der Protagonist eine Reise durch alle Pools seiner Nachbarschaft. Die skurrile Idee nimmt eine tragische Wendung – wir bemerken schnell die erzählerischen Brüche, die eine subjektive Perspektive offenbaren – die Menschen reagieren irritiert bis feindlich auf den von Burt Lancaster gespielten Schwimmer. Über die Gründe hält uns Regisseur Frank Perry lange im Unklaren und dekonstruiert nebenbei den amerikanischen Traum: Die Reise durch den idyllischen Vorort offenbart die Seelenlosigkeit seiner Bewohner.

Die wichtigsten New Hollywood-Filme

1967 – Die Reifeprüfung (Mike Nichols)
1967 – Point Blank (John Boorman)
1967 – Bonnie und Clyde (Arthur Penn)
1968 – Der Schwimmer (Frank Perry)
1969 – The Wild Bunch (Sam Peckinpah)
1969 – Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss (Sydney Pollack)
1969 – Asphalt-Cowboy (John Schlesinger)
1969 – Easy Rider (Dennis Hopper)
1970 – Little Big Man (Arthur Penn)
1970 – M.A.S.H. (Robert Altman)
1970 – Ein Mann sucht sich selbst (Bob Rafelson)
1971 – McCabe & Mrs. Miller (Robert Altman)
1971 – Die letzte Vorstellung (Peter Bogdanovich)
1971 – Der weite Ritt (Peter Fonda)
1971 – Klute (Alan J. Pakula)

1971 – Asphaltrennen (Monte Hellman)
1971 – Harold and Maude (Hal Ashby)
1973 – Der Tod kennt keine Wiederkehr (Robert Altman)
1973 – American Graffiti (George Lucas)
1973 – Serpico (Sidney Lumet)
1973 – Badlands – Zerschossene Träume (Terrence Malick)
1974 – Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia (Sam Peckinpah)
1974 – Zeuge einer Verschwörung (Alan J. Pakula)
1975 – Die drei Tage des Condor (Sydney Pollack)
1975 – Hundstage (Sidney Lumet)
1976 – Taxi Driver (Martin Scorsese)
1978 – Driver (Walter Hill)
1978 – Finger (James Toback)
1980 – Heaven’s Gate (Michael Cimino)

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