Um Haaresbreite

Ein Film von Richard Fleischer

 | Strömung: Film Noir

 | Erscheinungsjahr: 1952

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: USA

 

Der B-Noir Um Haaresbreite macht aus seinen beschränkten Mitteln eine Tugend und spielt über weite Strecken in einem beengten Zug. Dabei zieht er seine Spannung aus einer schnörkellosen Erzählung, die durch gute Darsteller und die kompetente Inszenierung von Richard Fleischer aufgewertet wird.

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Filmkritik:

Um Haaresbreite entwirft eine simple wie effektvolle Prämisse: Ein Polizist soll eine Kronzeugin gegen die Mafia via Zugfahrt von Chicago nach Los Angeles überführen, doch das Syndikat ist informiert und lässt einige Gangster zusteigen, um die Zeugin zum Schweigen zu bringen.

Der Film liefert ein Musterbeispiel für die Tugenden amerikanischer B-Movies dieser Ära: Durch die Weltkriegsmigration stand den Studios ein Füllhorn an Talenten aus aller Welt zur Verfügung, sodass sie selbst für Filme aus der zweiten oder dritten Reihe hervorragendes Personal einsetzen konnten. Obwohl RKO Genrefilme am Fließband produzierte und Um Haaresbreite in nur 13 Tagen abdrehte, besitzt der Film Noir zahlreiche Qualitäten.

Eine davon wurde von höchster Stelle geehrt: Das Drehbuch von Earl Felton wurde 1953 für einen Oscar nominiert – eine Seltenheit der genrefilmscheuen Academy. Das Skript prägt das Noir-Flair von Um Haaresbreite: Von Beginn an evoziert es eine negative Weltsicht und schleudert uns zahlreiche abschätzige bis zynische Dialoge entgegen. Die Geringschätzung zwischen dem Cop und der Zeugin führt durch ständige Wortduelle zu einer präsenten Binnenspannung, die Dialoge verlaufen generell auf hohem Niveau.

Darüber hinaus gefällt die paradoxe Anlage des Szenarios: Es macht so großen Spaß, weil so wenig passiert. Die Gangster kennen das Aussehen der Zeugin nicht und der Polizist nicht alle Gangster – folglich können sich die Parteien nur gegenseitig belauern, der Film zelebriert ein Vexierspiel aus Nichtstun, das durch kleine Winkelzüge und vorausschauende Vorbereitungen bestimmt wird. Diese Pattsituation erzeugt einen hohen Druck und lässt uns auf die Eskalation warten.

Die Inszenierung von Richard Fleischer verstärkt die kammerspielartigen Elemente und die Ausweglosigkeit des Szenarios. Die selbst für Noir-Verhältnisse tief positionierte Kamera betont das Eingeschlossensein ebenso wie der damals nicht selbstverständliche Einsatz einer Handkamera. Fleischer hatte bereits ein halbes Dutzend B-Noirs für RKO gedreht; diese Souveränität ist in Um Haaresbreite jederzeit zu spüren, zumal Fleischers Talent in einigen wunderbaren Einfällen zu Ausdruck kommt.

Die sparsam, aber kompromisslos eingesetzten Gewaltszenen komplementieren die Stimmung. Ihre Wirkung verdankt der Film aber auch dem Kniff, bei aller Abgebrühtheit einige humoristische Spurenelemente zu verteilen, die mit einem Augenzwinkern eine Prise Hitchcock in diesen Thriller bringen.

So macht Um Haaresbreite letztlich eine Tugend aus seinem begrenzten Budget, das auch deshalb kaum ins Gewicht fällt, weil das Ensemble Klasse beweist; insbesondere Charles McGraw, Marie Windsor und Jacqueline White überzeugen.

Umso ärgerlicher ist es, dass Fleischers bester Film Noir seinerzeit stiefmütterlich behandelt wurde und schnell in der Versenkung verschwand. Inzwischen ist der Stoff vor allem aufgrund des mittelprächtigen Remakes Narrow Margin (Peter Hyams, 1990) bekannt, das in erster Linie auf Action setzt. Um Haaresbreite ist seinem Nachfolger in jeder Hinsicht überlegen, eine Entdeckung lohnt sich ungemein.

★★★★☆☆

1950 – 1959

In den Fünfziger Jahren befanden sich die weltweiten Studiosysteme auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. In den Vereinigten Staaten, Japan und Frankreich versammelten die Studios eine ungeheure Menge an Talent und veröffentlichten dank des geballten Produktionsniveaus zahllose Meisterwerke. Einen gewichtigen Anteil daran ist auch den Regisseuren zuzuschreiben, die sich innerhalb des Systems Freiheiten erkämpften und so ihr Potenzial ausspielen konnten.

Film Noir

Rund zwanzig Jahre lang bereicherte Hollywood die Kinos mit düster gestalteten Kriminalfilmen. Deren heruntergekommene Detektive und abgebrühte Femme fatales gingen ebenso in die Popkultur ein wie ihr pessimistischer Tonfall. Damit zählt die Schwarze Serie auch abseits seiner zahllosen Klassiker zu den einflussreichsten Strömungen der Filmgeschichte.