Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond

Ein Film von Kenji Mizoguchi

Genre: DramaFantasyfilm

 

 | Erscheinungsjahr: 1953

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: Japan

 

Ugetsu zählt zu den zentralen Werken der goldenen Ära des japanischen Films und ist ein Herzstück in der Filmografie von Kenji Mizoguchi. Mit seinem eleganten Inszenierungsstil trug der Regisseur entscheidend dazu bei, das japanische Kino im Westen populär zu machen.

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Filmkritik:

Ugetsu kombiniert zwei Geistergeschichten von Ueda Akinari und spielt in einer Ära ständiger Bürgerkriege, in denen lokale Fürsten im 16. Jahrhundert um mehr Macht kämpften. In dieser instabilen Zeit sehen zwei einfache Bauern die Chance auf ein besseres Leben – der eine will reich, der andere ein gefürchteter Samurai werden. Die beiden Männer ordnen ihren Ambitionen sogar die Sicherheit ihrer Familien unter, was dramatische Konsequenzen nach sich zieht.

Eben solche Konsequenzen kannte Mizoguchi aus eigener Erfahrung: Als er sieben Jahre alt war, trieb sein Vater die Familie durch Spekulationen in den Ruin, Mizoguchis 14-jährige Schwester wurde an ein Geisha-Haus verkauft. Dieser Werdegang hallt immer wieder in Mizoguchis Filmen nach, die sich ihren Figuren mit großer Sensibilität nähern und aus einer moralischen Haltung heraus die Ungerechtigkeit der Welt beklagen. Insbesondere das Schicksal der Frauen im patriarchalen Japan bildet einen Schwerpunkt seines Schaffens.

Nachdem Mizoguchi vor dem Zweiten Weltkrieg vorwiegend zeitgenössische Filme gedreht hatte, wandte sich der Regisseur nach Kriegsende dem Jidai-geki, dem Historienfilm, zu. Ähnlich wie der amerikanische Western hatte sich das Genre thematisch und inhaltlich erschöpft, zudem wurden die Samuraifilme während des Krieges als qualitativ fragwürdiges Propagandamaterial missbraucht; Mizoguchi selbst war dazu gezwungen worden, Die 47 Ronin zu drehen.

Von den staatlichen Repressionen befreit, machte es sich der Regisseur zum Anliegen, den japanischen Historienfilm zu erneuern. Das gelang Mizoguchi vollumfänglich: Binnen weniger Jahre drehte er mit Das Leben der Frau Oharu, Ugetsu und Sansho Dayu drei Historienfilme, die zu den Meilensteinen des japanischen Kinos gerechnet werden.

Damit schuf Mizoguchi nicht nur das Fundament einer goldenen Ära und inspirierte jüngere Filmemacher wie Akira Kurosawa, er machte das japanische Kino auch international bekannt. Nach Achtungserfolgen von Akira Kurosawas Rashomon und Teinosuke Kinugasas Das Höllentor gewann Mizoguchi drei Jahre in Folge einen Preis bei den Filmfestspielen von Venedig. Die Festivalerfolge verliehen dem im Westen unbekannten Kino Japans einen enormen Popularitätsschub.

Ein wesentlicher Faktor für die Wirkung von Mizoguchis Filmen ist ihr charakteristischer Inszenierungsstil. Ähnlich wie sein Kollege Yasujirō Ozu folgte Mizoguchi dem Ideal, die Anzahl der Schnitte niedrig zu halten und sich auf die Kraft der Kameraarbeit zu verlassen. Doch wo Ozu die maximale Reduktion suchte und die Kamera statisch hielt, wählte Mizoguchi den entgegengesetzten Weg.

Inspiriert von japanischen Rollbildern entwickelte der Regisseur einen fließenden Stil, bei dem die Kamera das Geschehen in langsamen, eleganten Fahrten einfängt. Dafür griff Mizoguchi auf Schienen und vor allem auf Kranaufnahmen zurück; letztere machten laut seinem Kameramann Kazuo Miyagawa 70% von Ugetsu aus.

Die niedrige Schnittfrequenz und der fließende Stil verleihen Mizoguchis Werken einen hohen Grad an Immersion; durch die weitläufigen Panoramen erzeugt der Regisseur ein Gefühl für die Größe seiner Filmwelten und unterstreicht die oft schicksalhaft aufgeladenen Handlungen seiner Werke.

In Ugetsu kommt das in einer zentralen Szene zur Geltung, die als Schlusspunkt der Exposition dient: Die Protagonisten fahren in einem Boot über den nebelverhangenen Biwa-See und stoßen auf unheilschwangere Zeichen; wir Zuschauer schweben dank der Kamera mit ihnen durch den Nebel und spüren instinktiv, dass diese Bootsfahrt einen Wendepunkt markiert.

Neben seinen formalen Qualitäten besitzt Ugetsu ein überraschend modernes Storytelling, das mehrere Genres miteinander kombiniert: Historienfilm, Melodram und Geistergeschichte finden ohne jeden Bruch zusammen und lassen sich auch retrospektiv nicht trennen. Wie so oft schreckt Mizoguchi vor dramatischen Fallhöhen nicht zurück und erzählt mit großer Konsequenz. Er stößt seine Figuren unbarmherzig ins Unglück oder gar in den Tod, ein versöhnliches Ende ist nur mit Kollateralschäden möglich.

Daraus lässt sich auch ein Kommentar zum verlorenen Weltkrieg ableiten, der in Japan ein Tabuthema blieb. Mizoguchi zeichnet den feudalen Bürgerkrieg in Ugetsu weniger als physische, sondern als psychische Bedrohung: Er zersetzt das Denken der Menschen, die die Schönheit des einfachen Lebens vergessen und sich Gier und Machtstreben verschreiben – eine Entwicklung, die auch im nationalistischen Japan vor dem Weltkrieg stattfand.

★★★★★☆

Kenji Mizoguchi

Kenji Mizoguchi gehört zu den Meistern des japanischen Films. Geprägt durch Erlebnisse in seiner Kindheit, drehte er zwanzig Jahre lang Werke, in denen Frauen vom Patriarchat unterdrückt werden und in den Traditionen der Gesellschaft gefangen sind. Für seine wütenden Dramen und Historienfilme entwickelte Mizoguchi einen “fließenden” Inszenierungsstil, der besonders durch die elegante Kameraarbeit zur Geltung kommt.

Fantasyfilm

Zusammen mit seinen nahen Verwandten, dem Horror- und dem Science-Fiction-Kino, widmet sich der Fantasyfilm dem Übersinnlichen, der Magie und den Monstern. Das Genre lädt uns in besonderem Maße dazu ein, wieder Kind zu sein: Es entführt uns in märchenhafte Welten mit eigenen Gesetzen, die bevölkert werden von Helden, Schurken und Ungeheuern.