Heißes Eisen

Ein Film von Fritz Lang

Genre: Kriminalfilm

 | Strömung: Film Noir

 | Erscheinungsjahr: 1953

 | Jahrzehnt: 1950 - 1959

 | Produktionsland: USA

 

Mit einer im Mainstreamkino unüblichen Härte läutete Heißes Eisen eine neue Phase für den Film Noir ein. Raue Dialoge und drastische Gewalt prägen den Klassiker von Fritz Lang, dessen Qualität sich nicht nur auf den grimmigen Tonfall beschränkt. Der Rache-Plot greift auf mehrere spannende Frauenfiguren zurück.

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Filmkritik:

In Heißes Eisen bedroht der Selbstmord eines Polizisten ein korruptes Gebilde aus Politik, Polizei und Kriminellen. Weil der Ermittler Dave Bannion die Untersuchung nicht einstellt, reagieren die Gangster mit einer Autobombe. Als diese Bannions Frau in den Tod reißt, schwört der Cop dem Gesetz ab und begibt sich als Vigilant auf die Jagd nach den Urhebern.

Zu Beginn der Fünfziger Jahre zerfranste die Schwarze Serie zunehmend; 10 Jahre nach Beginn der Strömung probierten die Autoren und Regisseure neue Richtungen aus und trieben den Film Noir in extremere Tendenzen. Diese dritte Phase nannte Paul Schrader in seiner stimmigen Einteilung die Ära der Psychopathen.

Die Noirs dieser Periode trieben ihre Helden in die Verzweiflung und die Schurken in den Wahnsinn; Manien und Psychosen bestimmten zunehmend das Tun der Protagonisten. Der „Held“ von Heißes Eisen bietet dafür ein Musterbeispiel: Ausgerechnet Glenn Ford, der oft aufrechte, ein bisschen melancholische Helden verkörperte, verwandelt seine Figur in einen traumatisierten Einzelkämpfer, der jeglichen Halt verliert und sich selbst ins Unglück stürzt, wenn er nur die Mörder seiner Frau mit in die Hölle nehmen kann.

Bannion geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Rache; während frühere Noirs ihre Konfrontationen mit einem „sauberen“ Schuss aus dem Revolver lösen, arbeitet Bannion mit roher Gewalt. Gleich zwei Mal macht sich Fords Antiheld daran, wehrlose Gegenspieler zu erwürgen. Schmutziger konnte eine Hauptfigur des Jahres 1952 kaum handeln, der Figurentypus des Antihelden stand damals – einige Jahre nach dem Vorreiter Die Narbenhand – immer noch am Anfang seiner Entwicklung.

Heißes Eisen paart Bannion mit einem passenden Gegenstück und installiert einen sadistischen Mistkerl als Antagonisten, den Lee Marvin mit imposanter Physis und diabolischer Mimik verkörpert. Dieser Vince Stone handelt unberechenbar und schwelgt förmlich in seiner unkontrollierten Aggression. Legendär ist eine Szene, in der er einer Frau kochenden Kaffee ins Gesicht schleudert.

Jene Frau ist die ambivalenteste Figur des Films und sprengt ihre eigentliche Rolle als Damsel in Distress. Ihr erster Eindruck ist durchweg negativ: In sorgloser Dummheit lebt sie als Gangsterliebchen vor sich hin, wird von allen herumgeschubst, ist ständig betrunken und sagt nur einfältige Dinge – Karrieregift für jede aufstrebende Schauspielerin.

Der Part der Debby Marsh wird allerdings von Gloria Grahame gespielt, die gerade einen Oscar für eine Nebenrolle in Stadt der Illusionen gewonnen hatte und zuvor bereits im grandiosen Noir-Melodram Ein einsamer Ort brillierte. Grahame sorgt dafür, dass das tumbe Auftreten nur wie eine dem Selbstschutz dienende äußere Schale anmutet, dahinter lässt sie immer wieder eine sorgsam gehütete Verletzlichkeit aufblitzen.

Das starke Drehbuch von Sydney Boehm setzt ihre Figur als entscheidenden Joker ein: Wo Bannion und Stone einander negierende Pole bilden, entwickelt das Skript Grahames Figur vom passiven Dummchen zur emanzipierten Frau, die erstmals im Leben eine Position bezieht und damit den Film auf den Kopf stellt. Damit dokumentiert Heißes Eisen die neue Rolle der amerikanischen Frau nach dem Zweiten Weltkrieg: autark und selbstbewusst.

Gleich drei starke Frauenrollen beeinflussen das Geschehen: Auf der Seite des Helden die Ehefrau, deren Gleichberechtigung der Film in vielen kleinen Details wunderbar aufzeigt. Aufseiten der Antagonisten die noch emanzipiertere Ehefrau des Selbstmörders, die gleich ganz auf ihren Mann verzichtet und lieber allein das Leben mit dem Gangstergeld genießt.

Und eben Debby Marsh, die eine fantastische letzte Szene bekommt und dazu beiträgt, Heißes Eisen ein poetisches Finale zu verleihen. Erst ihre Selbstfindung ermöglicht Bannion eine Katharsis, ihre moralische Selbstaufopferung schubst ihn wieder auf den rechten Pfad zurück und schenkt ihm Frieden. Ein großer Moment des Films, der den Fatalismus und die Empathie auf die Spitze treibt und dabei direkt auf den Poetischen Realismus als Vorläufer des Film Noir verweist.

Zwar setzt die Bildgestaltung die noir-typischen Licht- und Schattenspiele ein, trotz Langs expressionistischer Vergangenheit übersteigert der Regisseur die visuelle Ebene aber nie so radikal wie anderen Vertreter der Schwarzen Serie. Seine Kraft zieht der Film aus der Mise en Scène, dem bewussten Einsatz räumlicher Tiefe und dem hervorragenden Schnitt von Charles Nelson.

In seiner Schlusseinstellung trägt Heißes Eisen das Happy End etwas dick auf und wischt die vielen Kollateralschäden zur Seite, dieses Zugeständnis verblasst jedoch unter der Wucht der 90 vorherigen Minuten. Langs Klassiker zählt zur ersten Riege des Film Noir.

★★★★★☆

Fritz Lang

Fritz Lang prägte die Kinogeschichte wie kein zweiter deutscher Regisseur. Mit aufwendigen Stummfilmen wie Metropolis setzte er technische Maßstäbe, mit M – Eine Stadt sucht einen Mörder drehte er den modernsten Tonfilm seiner Zeit. Um dem Nationalsozialismus zu entgehen, emigrierte Lang nach Hollywood und verwirklichte dort den Beschränkungen des Studiosystems zum Trotz weitere bedeutende Klassiker.

Film Noir

Rund zwanzig Jahre lang bereicherte Hollywood die Kinos mit düster gestalteten Kriminalfilmen. Deren heruntergekommene Detektive und abgebrühte Femme fatales gingen ebenso in die Popkultur ein wie ihr pessimistischer Tonfall. Damit zählt die Schwarze Serie auch abseits seiner zahllosen Klassiker zu den einflussreichsten Strömungen der Filmgeschichte.