Too Late for Tears

Ein Film von Byron Haskin

Genre: Kriminalfilm

 | Strömung: Film Noir

 | Erscheinungsjahr: 1949

 | Jahrzehnt: 1940 - 1949

 | Produktionsland: USA

 

Der Low-Budget-Noir Too Late for Tears bespielt die typischen Motive der Schwarzen Serie, schlägt dabei jedoch einen unüblichen Weg ein: Der Film von Byron Haskin rückt keinen (Anti)Helden, sondern eine Femme fatale ins Zentrum der Geschichte und eröffnet damit einen ungewöhnlichen Blickwinkel.

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Filmkritik:

Von Beginn an besticht Too Late for Tears durch seine Ökonomie: Er verzichtet auf jegliche Exposition und baut sein Szenario binnen einer Minute auf. Das Ehepaar Palmer befindet sich auf dem Weg zu einer Party, als ihnen ein Unbekannter eine Tasche voller Geld auf den Rücksitz des Cabrios wirft. Während ihr Mann noch Bedenken hegt, hat sich Jane Palmer längst entschieden – sie will den unverhofften Reichtum auf keinen Fall wieder hergeben. Doch die 60.000 Dollar werden natürlich vermisst …

Damit bedient Too Late for Tears eine charakteristische Spielart des Film Noir: den Fluch der schlechten Tat. Der Schmutz des Geldes färbt unweigerlich auf Jane Palmer ab und stößt sie in eine Abwärtsspirale – der Versuch, die erste Sünde zu vertuschen, zieht zwangsläufig neue Missetaten nach sich. Folgerichtig verselbstständigt sich die Situation, sodass es letztlich unmöglich ist, sich aus dem Sog des Verbrechens zu befreien – Jane Palmers Gier verdammt sie von der ersten Minute an.

Dabei geht der Film auf ungewöhnliche Weise mit seiner Femme fatale um, diente diese doch in den meisten Fällen als Nebenfigur, die den Helden ins Verderben stürzt. Too Late for Tears geht einen anderen Weg und rückt Jane Palmer ins Zentrum der Geschichte, wodurch sich ein spannender Perspektivwechsel ergibt.

Im Gegensatz zu ihren „Schwestern“ aus Noirs wie Rächer der Unterwelt oder Frau ohne Gewissen, deren Absichten wir nie ganz durchschauen können, kann Jane Palmer ihr Tun vor unserem allsehenden Auge nicht verbergen. Sie tritt in jeder Szene auf und bietet uns die Möglichkeit, zwei verschiedene Seiten zu entdecken: Einerseits die souveräne, bisweilen auf Verführung angelegte Fassade, aber auch die Panik und die Verzweiflung, die sich dahinter verbergen.

Aus dem Kontrast von Schein und Sein ergibt sich ein dezenter, sardonischer Humor, der uns verspricht, Palmer für ihre Missetaten leiden zu lassen. Es ist nicht die einzige Facette, die an die Arbeiten Alfred Hitchcocks erinnert, denn die erste Filmhälfte baut auf der Vertuschung eines Mordes auf und würde hervorragend in eines der Werke des Briten passen.

Mit der Ironie ist es spätestens in der zweiten Filmhälfte vorbei. Too Late for Tears zeigt gnadenlos auf, welchen Preis Jane Palmer für ihre Sünden zahlen muss: Ihre Manipulationsversuche verkehren sich in eine gegen sie gerichtete Nötigung und der Einsatz ihrer erotischen Ausstrahlung gipfelt darin, dass sie ihren Körper als Pfand einsetzen muss. Viel weiter konnte ein Drehbuch zur Zeit des Hays Code nicht gehen.

Als Palmers Gegenpart fungiert ein Gangster, der wie gemacht für seinen Darsteller Dan Duryea ist. Der Schauspieler bevölkert diverse Film Noirs und Western mit ruchlosen Frauenschlägern und Psychopathen; auch hier spielt er einen ausgemachten Fiesling, doch dieses Mal trifft seine Bösartigkeit auf die Teflonschicht der Gier, die Jane Palmer umgibt – ein großartiges Duell zweier verkommener Gestalten, die einander verdienen!

Da Dureya mehr Raum als in seinen sonstigen Nebenrollen bekommt, zählt seine Leistung zu den besten seiner Karriere. Dennoch überstrahlt ihn Hauptdarstellerin Lizabeth Scott, die umwerfend spielt und schon mit ihrer stets angespannten Körperhaltung den Stress und die gier-induzierten Manien ihrer Figur herausarbeitet. Zuletzt lässt sie Jane Palmer beinahe wie einen Roboter mit irrationaler Programmierung wirken; ausschließlich auf das Geld fixiert und zu keinem Gefühl mehr fähig.

Too Late for Tears nutzt die Präsenz seiner starken Darsteller maximal aus und tut gut daran, denn für weitere Schauwerte fehlte schlicht das Geld. Hinter der Produktion stand die B-Movie-Schmiede Republic, deren Budgets nicht mit denen der namhaften Studios mithalten konnten. Deshalb verfolgt der Film eine andere Linie als die kleinen Filme der großen Konkurrenz.

Universal und Co. konnten auf eine Heerschar festangestellter Kamerakünstler und Regieprofis zurückgreifen, die selbst die B-Noirs in eindrucksvolle Bilder tauchten; Too Late for Tears beschränkt sich hingegen auf wenige Innenraum-Schauplätze und leuchtet diese nach altmodischem Standard hell aus. Somit erinnert der Film an altmodische Noirs wie Die Spur des Falken und weniger an zeitgemäße Vertreter mit ihrer charakteristischen Low-Key-Beleuchtung.

Die visuelle Ebene imponiert also nicht besonders, aber der niederträchtige Plot befeuert die finstere Stimmung der Schwarzen Serie. Abgesehen von Palmers Ehemann (ebenfalls überzeugend: Arthur Kennedy) gibt es keine aufrichtige Figur, sondern nur eine Ansammlung von Lügnern und Betrügern. Mitanzusehen, wie sie sich alle gegenseitig ins Unglück stürzen, ist in Too Late for Tears ein ausgemachtes Vergnügen.

★★★★☆☆

1940 – 1949

Das Kino der Vierziger Jahre spielte sich im Schatten des Zweiten Weltkrieges ab, weshalb die Werke der Ära zu den düstersten der Filmgeschichte zählen. Finstere Bilder und ein ernster Tonfall dominierten die Lichtspielhäuser: mit dem fatalistischen Film Noir in den Vereinigten Staaten und den pessimistischen Dramen des Italienischen Neorealismus in Europa.

Film Noir

Rund zwanzig Jahre lang bereicherte Hollywood die Kinos mit düster gestalteten Kriminalfilmen. Deren heruntergekommene Detektive und abgebrühte Femme fatales gingen ebenso in die Popkultur ein wie ihr pessimistischer Tonfall. Damit zählt die Schwarze Serie auch abseits seiner zahllosen Klassiker zu den einflussreichsten Strömungen der Filmgeschichte.