Taxi Driver

Ein Film von Martin Scorsese

Genre: Drama

 | Strömung: New Hollywood

 | Erscheinungsjahr: 1976

 | Jahrzehnt: 1970 - 1979

 | Produktionsland: USA

 

Mit Taxi Driver drehte Martin Scorsese einen herausragenden Vertreter des New Hollywood-Kinos und setzte einen Fixpunkt der amerikanischen Filmgeschichte. Sein Drama verbindet das Erbe des Film Noir mit einer europäischen Inszenierung und entwickelt dabei eine Sogwirkung, die sich bis heute zeitlos hält.

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Filmkritik:

Taxi Driver erzählt vom 26-jährigen Vietnam-Veteranen Travis Bickle, der unter Schlaflosigkeit leidet und deshalb nachts als Taxifahrer arbeitet. Scorsese entwirft eine Charakterstudie und beschreibt die zunehmende Entfremdung eines Außenseiters im Großstadtdschungel, der schließlich seine Gewaltfantasien in die Tat umsetzt.

Drehbuchautor Paul Schrader beschäftigte sich in jungen Jahren intensiv mit dem Schaffen Robert Bressons, der in Pickpocket und weiteren Werken immer wieder von einsamen, sozial inkompatiblen Protagonisten erzählt. Dieses Leitmotiv übernahm Schrader in seinem Drehbuch zu Taxi Driver, aber auch in Regiearbeiten wie Light Sleeper, Auto Focus und der aus First Reformed, The Card Counter und Master Gardener bestehenden Trilogie.

Ähnlich wie die Filme von Robert Bresson ist auch Taxi Driver nicht einem klassischen Plot verpflichtet, sondern etabliert einen Daseinszustand. Schrader und Scorsese beschreiben den ziellosen Alltag von Travis Bickle, indem sie ihn durch eine passive Erzählung driften lassen. Immer wieder gibt es Phasen, in denen Szenen ohne Bezüge ineinander mäandern und so Bickles Leben im Leerlauf illustrieren.

Dabei ist Taxi Driver brillant gefilmt und geschnitten. Scorsese greift die lose Narration mittels einer fließenden Inszenierung auf, die das finanziell klamme und sozial schwache New York der Siebziger Jahre aus Bickles subjektiver Sicht zeigt. Sein Blick durch die Windschutzscheibe des Taxis entblößt die Bronx und Harlem als Dantesche Höllenkreise, in denen Kriminalität, Drogen und Prostitution auf engstem Raum versammelt sind.

„All the animals come out at night – whores, skunk pussies, buggers, queens, fairies, dopers, junkies, sick, venal. Someday a real rain will come and wash all this scum off the streets.“

Getragen vom Saxophon des legendären Komponisten Bernard Herrmann schwebt die Kamera durch die Straßenschluchten und lässt die Gebäude und Passanten ineinander verschwimmen. Ampeln, Straßenschilder und Leuchtreklamen wiederholen sich – teils in Großaufnahmen aneinandergeschnitten – und illustrieren Bickles Gefangensein in diesem Moloch.

Bei der visuellen Gestaltung ließ sich Scorsese von europäischen Filmemachern inspirieren. Die semidokumentarischen Ansichten der New Yorker Straßenschluchten entlieh er bei Francesco Rosi; die subjektiven Einstellungen von Bickles schweifendem Blick bei Jean-Luc Godard; für das Blocking – das räumliche Verhältnis zwischen Kamera und Schauspielern – zog Scorsese seine Inspiration aus Rainer Werner Fassbinders Händler der vier Jahreszeiten.

Zudem verließ sich Scorsese auf erprobte Darsteller und arbeitete nach Hexenkessel erneut mit Harvey Keitel und Robert De Niro zusammen. Schon in seiner Nebenrolle hatte De Niro Hexenkessel geprägt, Der Pate 2 brachte ihm den endgültigen Durchbruch und den Oscar als bester Nebendarsteller. In Taxi Driver beeindruckt er mit höchster Schauspielkunst.

In vielen Rollen der folgenden Jahrzehnte, etwa in Wie ein wilder Stier, Goodfellas, Casino und Heat, kultivierte der Schauspieler einen selbstbewussten Stil, mit seinen Manierismen enthob er seine Figuren gekonnt dem Alltäglichen. Doch in Taxi Driver ordnet sich De Niro seiner Figur unter, spielt sie ganz naturalistisch. Er trägt die Intensität seiner Rolle in sich statt vor sich her, und findet eine Nahbarkeit, die diesen Travis Bickle so beängstigend macht – wir könnten diesen Jedermann überall antreffen.

Damit korrespondiert De Niros Spiel mit Schraders Skript, das den Protagonisten ambivalent hält. Im Gegensatz zu vielen modernen Filmen, die ihre Figuren haarklein erklären, buchstabiert Taxi Driver seinen Travis Bickle nie aus. Trotz des Voiceovers, das uns Bickles Tagebuchaufzeichnungen nahebringt, bleiben viele blinde Flecken, insbesondere Bickles psychische Disposition ist uneindeutig.

Er leidet offenbar unter einer weitreichenden Desensibilisierung, verhält sich regelrecht soziopathisch. Bickle scheint keine Möglichkeit zur Empathie zu besitzen und agiert in soziale Situationen unbeholfen. Sein Annäherungsversuch an die gebildete Betsy muss zwangsläufig scheitern. Schon der Versuch ist interessant – sehnt sich Bickle wirklich nach einer romantischen Beziehung oder versucht er nur auf pathologische Weise ein Selbstbild zu vervollständigen?

Sowohl Martin Scorsese als auch Paul Schrader waren stark vom Film Noir beeinflusst. Scorsese wuchs mit den ruppigen Krimis auf, Schrader trug mit seinen Notes on Film Noir zur Rezeption der Strömung bei. Darin definierte er drei Phasen, wobei er die Spätphase als Ära der Psychopathen und Selbstmordimpulse verschlagwortete – eine Beschreibung, die auch Travis Bickle erfüllt. Er steht in einer Reihe mit Noir-Protagonisten aus The Sniper oder Blast of Silence, Taxi Driver zählt zu den Neo-Noirs.

Schrader und Scorsese teilen zudem eine Wertschätzung für John Fords Westernklassiker Der schwarze Falke, in dem sich ein rassistischer Einzelgänger auf eine Rettungsmission begibt, die zunehmend an Sinn verliert. Taxi Driver weist starke Parallelen zu Fords Film auf, doch wo dieser das klassische Filmmotiv der Heldenreise dekonstruiert, drehen Schrader und Scorsese das Prinzip um: Sie lassen ihren Protagonisten eine Heldenreise konstruieren.

In Taxi Driver entsteht die Heldenreise nicht organisch, viel mehr führt der nach Lebenssinn und Bedeutung suchende Bickle sie künstlich herbei. Auf Basis von abstrakten Motiven, die Bickle selbst nicht erklären kann, versucht sich der Protagonist in einer verzweifelten Selbstermächtigung: Er weist Dingen eine Bedeutung zu, um sich von dieser anschließend antreiben zu lassen. Bickle kreiert ein Albtraum-New York, das er anschließend hassen und als Held bekämpfen kann.

Das wird insbesondere bei den beiden weiblichen Figuren des Films deutlich, die Bickle stark überhöht. Dabei begegnen wir wieder klassischen Archetypen des Film Noir: Betsy, die Travis abweist, entwickelt sich in dessen Weltsicht zur Femme fatale, die nur mit ihm spielt; die 12-jährige Prostituierte Iris hingegen dient als Damsel in Distress – der „Jungfrau in Nöten“, die Bickle plötzlich aus ihrem Elend befreien will. So erteilt er sich die Legitimation, seine Gewaltfantasien in der Praxis auszuleben.

Der katholisch sozialisierte Scorsese sinnierte sowohl in Hexenkessel als auch in späteren Arbeiten immer wieder über Sünde, Buße und Erlösung; Taxi Driver ist auch deshalb ein Meisterwerk, weil der Regisseur sich einer Katharsis radikal verweigert. Die trockene Brutalität des Finales negiert jede positive Leseart. Die Kamera durchschaut die vermeintliche Heldentat und entlarvt sie als selbstmörderischen Amoklauf. Als wäre das nicht schon finster genug, reicht der Film noch einen bitter-ironischen Epilog nach, der Travis wieder an den Ausgangspunkt versetzt. Nichts hat sich geändert.

Für den jungen Martin Scorsese änderte Taxi Driver hingegen alles: Er gewann 1976 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes und erlangte durch den finanziellen Erfolg Zugang zu größeren Projekten und künstlerischer Freiheit. Dass Scorsese den Oscar als bester Film ausgerechnet dem idealistischen Rocky überlassen musste, zählt zu den Treppenwitzen der Academy-Geschichte. Inzwischen ist klar: Taxi Driver zählt zu den Monumenten des amerikanischen Kinos und beeinflusst noch immer zahllose Filmemacher.

★★★★★★

1970 – 1979

Die durch die neuen Wellen der Sechziger Jahre eingeleiteten Veränderungen nahmen auch in den Siebzigern Einfluss. In den USA entstand das New Hollywood und in Europa u.a. der Neue Deutsche Film. Erstmals kumulierten hohe Studiobudgets und die Kreativität junger Regisseure. Gegen Ende der Siebziger sorgte eine neue Entwicklung für die Wende: Die ersten Blockbuster erschienen und etablierten das Konzept marketinginduzierter Kino-Franchises.

New Hollywood

Mitte der Sechziger Jahre gelangte das traditionelle Hollywood-Kino an einen kreativen Nullpunkt, der eine neue Strömung ermöglichte. Das New Hollywood legte die kreative Kontrolle der Produzenten in die Hände junger Regisseure, die so unkonventionelle Filme drehen konnten. Gesellschaftskritische Werke mit Außenseitern als Protagonisten sorgten für die Wiederbelebung des amerikanischen Kinos.