Die 25 besten Filme
von 2000 bis 2009
In den Zweitausendern schraubte Hollywood seine Produktionsbudgets in ungeahnte Höhen – mittelgroße Filme starben regelrecht aus, während die Blockbuster und Franchise-Filme die Kinosäle fluteten.
Doch unterhalb der marketinginduzierten Dominanz des amerikanischen Kinos differenzierte sich die Filmlandschaft immer weiter aus. Auch dank Globalisierung und Digitalisierung konnten Filmliebhaber auf ein breites Angebot zurückgreifen und einem ambivalenten Filmgeschmack frönen, der einige Jahrzehnte vorher noch undenkbar gewesen wäre.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Weil die 25 Plätze der Bestenliste nicht ansatzweise den vielen großartigen Werken der Ära von 2000 bis 2009 gerecht werden können, gibt es wie immer noch einige Honorable Mentions:
Zu Beginn des neuen Jahrtausends schwang sich das koreanische Kino zu neuen Höhen und einer enormen internationalen Beliebtheit auf. Insbesondere Memories of Murder und Park Chan-wooks Rachetrilogie – bestehend aus Sympathy for Mr. Vengeance, Oldboy und Lady Vengeance haben eine Platzierung nur knapp verpasst.
Aus Asien soll zudem unbedingt das chinesische Drama Suzhou River genannt werden, das abseits einiger Filmfestivals ein Geheimtipp geblieben ist.
Auch einige der großen Hollywoodfilme landen auf dem fiktiven 26. Platz dieser Bestenliste. Das betrifft Quentin Tarantino (Kill Bill und Inglourious Basterds), Robert Rodriguez‘ Planet Terror, Michael Manns tollen Neo-Noir Collateral und die starke Neuausrichtung des James Bond-Franchise, Casino Royale.
Für das in den Neunziger Jahren erblühte Independentkino ging es im neuen Millennium ebenfalls stark weiter: Sofia Coppolas melancholischen Lost in Translation, die unorthodoxe Mockumentary Series 7, Gus van Sants existenziellen Gerry und Vincent Gallos radikales Drama The Brown Bunny hätte ich gerne noch untergebracht.
Weitere US-Filme des Jahrzehnts, die nicht übersehen werden sollten, sind der Episodenfilm Bobby, Atom Egoyans Vexierspiel Wahre Lügen, Sidney Lumets Spätwerk Tödliche Entscheidung, die Skandalroman-Adaption American Psycho, Sam Mendes‘ gefühlvolles Drama Zeiten des Aufruhrs und Andrew Dominiks toller Western Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford.
In Europa sorgte derweil das dänische Kino für Furore – in Form von schwarzhumorigen Tragikomödien wie Adams Äpfel, insbesondere aber auch im Schaffen von Lars von Trier, der unzählige bemerkenswerte Filme drehte. Besonders Dogville, The Boss of It All und Antichrist vermisse ich in der Bestenliste.
Zwei Vertreter des spanischsprachigen Genrekinos hätte ich ebenfalls gerne untergebracht: Guillermo del Toros Fantasyfilm Pans Labyrinth und den launigen Zeitreisethriller TimeCrimes.
Gleiches gilt auch für zwei deutsche Werke, die spannende Filmerlebnisse bieten: Michael Hanekes Das weiße Band und Fatih Akins aufwühlendes Drama Gegen die Wand.
So viel zu den Filmen, die zumindest erwähnt werden sollten; weiter geht es nun mit den 25 besten Filmen der Ära von 2000 bis 2009:
Platz 25
Saw
James Wan | 2004 | USA
Der in nur 18 Tagen abgedrehte Low-Budget-Thriller Saw avancierte über Nacht zum Sensationserfolg. Aus gutem Grund: Der Film von James Wan verdichtet sein ohnehin schon limitiertes Setting ständig weiter und schraubt so die Intensität fortwährend nach oben; immer neue Wendungen verändern die Perspektive auf das Geschehen und die Figuren. Im Gegensatz zu den immer brutaler geratenen Nachfolgern der Filmreihe beschränkt Saw seine visuelle Gewalt auf ein Minimum. Er spielt seine Schrecken vor allem auf der psychologischen Ebene aus und erweist sich damit als ungemein effektvoll.
Platz 24
In ihren Augen
Juan José Campanella | 2009 | Argentinien
Der argentinische Kriminalfilm In ihren Augen gewann 2010 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Juan José Campanella schildert eine mehrere Jahre umspannende Mordermittlung mit einem ungewöhnlich ambivalenten Tonfall: Die pointierten Dialoge sorgen für einen hohen Unterhaltungswert und humoristische Spitzen, was der Film mit der Dynamik eines Thrillers und der Schwere eines Dramas kombiniert. Dabei ist In ihren Augen hervorragend gespielt und beeindruckend gefilmt, insbesondere eine großartige Plansequenz bleibt im Gedächtnis.
Platz 23
Anderland
Jens Lien | 2006 | Norwegen
Anderland spielt in einer perfekten Welt: Die Menschen sind freundlich und leben zufrieden vor sich hin, Konflikte oder Misstöne sind nicht existent. Bis ein Neuankömmling feststellt, wie fad und unbefriedigend die omnipräsente Perfektion ist und beginnt, die Idylle zu stören. Das spiegelt Regisseur Jens Lien auch durch formale Kontraste: Er taucht die Filmwelt in matte Farben und eine gedämpfte Stimmung, um diese Ikea-Atmosphäre durch absurde Ideen und einen trockenen Humor aufzubrechen. Dabei beweist seine Groteske Charme und Intelligenz: Mit wenigen Übersteigerungen hinterfragt sie unseren modernen, konsumgeprägten Lifestyle und stellt die Frage, was unser Leben eigentlich lebenswert macht.
Platz 22
The Dark Knight
Christopher Nolan | 2008 | USA
Mit dem zweiten Teil seiner Batman-Trilogie führte Christopher Nolan das Superheldenkino zu neuen Höhen. The Dark Knight entwickelt die Saga noch stärker in eine düstere Richtung: Er stürzt seinen Helden in moralische Dilemmata und Konflikte, die nicht zu gewinnen sind. Damit stellt er das Vigilantentum grundsätzlich infrage und folgt der Agenda des fantastischen Antagonisten. Der Joker und seine Darstellung durch Heath Ledger setzten die Glanzpunkte des Films, der durch ein hohes Tempo und aufwendige Actionsequenzen einen enormen Unterhaltungswert generiert.
Platz 21
2:37
Murali K. Thalluri | 2006 | Australien
2:37 beginnt mit einem Selbstmord auf einer Schultoilette und geht anschließend einige Tage zurück, um uns ein halbes Dutzend problembehaftete Schüler vorzustellen und eine Frage zu formulieren: Wer von ihnen wird sich das Leben nehmen? Mit dieser drastischen Prämisse bindet uns Murali K. Thalluri aktiv in das Geschehen ein und fordert unsere Beobachtungsgabe heraus. Passend dazu nimmt 2:37 eine distanzierte Perspektive ein und folgt den Figuren wie Gus van Sants Elephant mit eleganten Plansequenzen durch die Schulflure. Die geniale Auflösung der Geschichte hält uns den Spiegel vor und beendet den beeindruckenden Debütfilm auf schmerzhafte Weise.
Platz 20
Ex Drummer
Koen Mortier | 2007 | Belgien
Wie die Romanvorlage, so die Filmadaption: Ex Drummer sorgte für Kontroversen, weil er sein Publikum in eine schmuddelige Unterschichtenwelt hinabzieht und das Elend auch noch schwarzhumorig kommentiert. Der Zynismus und die omnipräsente Gewalt wären deutlich leichter zu verdammen, wenn Koen Mortier nicht so ein begnadeter Regisseur wäre – seine kreative Inszenierung zieht uns den Boden unter den Füßen weg und sorgt für eine herausfordernde Filmerfahrung, die ihre wahren Motive erst im Finale aufdeckt: Nicht die dysfunktionalen Protagonisten, sondern wir Zuschauer stehen am Ende bedröppelt da.
Platz 19
Pulse
Kiyoshi Kurosawa | 2001 | Japan
Zu einer Zeit, als das Internet noch am Beginn seiner heutigen Bedeutung stand, drehte Kiyoshi Kurosawa den Arthouse-Horrorfilm Pulse, der erstaunlich früh der fortschreitenden Digitalität der Menschheit nachspürte. Hier transferiert eine Welle von Selbstmorden Menschen ins digitale Nichts, während ihre Körper verschwinden. Kurosawa verzichtet weitestgehend auf Schockmomente und setzt auf ein bedächtiges Tempo, um eine erst mysteriöse und später apokalyptische Stimmung zu erzeugen. Wenn sich Tokio (wortwörtlich) zur Geisterstadt entwickelt, spielt sich der Horror vornehmlich auf einer existenziellen Ebene ab: Das analoge Leben gerät zur Sackgasse der medialen Welt und konfrontiert die Zurückgebliebenen mit einer tiefgehenden Einsamkeit.
Platz 18
Lilja 4-ever
Lukas Moodysson | 2002 | Schweden, Dänemark
Nachdem Lukas Moodysson seine Karriere mit den lebensbejahenden Werken Raus aus Åmål und Zusammen! gestartet hatte, schlug er mit Lilja 4-ever einen gänzlich anderen Tonfall an. Der schwedische Regisseur schildert die Leidensgeschichte einer allein gelassenen 16-Jährigen mit großer Wucht und bedrückendem Tonfall. Dabei zeigt Lilja 4-ever keine Gnade und inszeniert Liljas Werdegang als gnadenlose Abwärtsspirale: Durch immer neue Steigerungen zieht uns der Film ständig aufs Neue den Boden unter den Füßen weg und sorgt damit für eine intensive Filmerfahrung.
Platz 17
(500) Days of Summer
Marc Webb | 2009 | USA
In einer Zeit voller gefühliger, aber austauschbarer Independentfilme gelang Marc Webb ein Geniestreich dieser Gattung: (500) Days of Summer unterscheidet sich aufgrund einiger kluger Kniffe von anderen Vertretern. Insbesondere die narrative Verschachtelung implementiert einen echten Mehrwert: Der Film erzählt die 500 Tage währende Liebesbeziehung nicht chronologisch, sondern in mäandernden Episoden, die sich bisweilen direkt widersprechen und Kontraste setzen. Dabei überzeugt (500) Days of Summer durch großen Ideenreichtum, unaufgeregten Humor, kreative visuelle Einfälle, einen tollen Soundtrack und die Chemie zwischen Joseph Gordon-Levitt und Zooey Deschanel.
Platz 16
Enter the Void
Gaspar Noé | 2009 | Frankreich
Mit Enter the Void löste sich Gaspar Noé noch konsequenter als zuvor vom Erzählkino und schuf ein Filmerlebnis, dass das Kino in seiner puren Form feiert. Erst erleben wir das Geschehen 30 Minuten lang durch die Augen des Protagonisten (Blinzeln inklusive), dann entfesselt dessen Tod die Kamera; für den Rest der 160-minütigen Spielzeit schweben wir mit seiner Seele durch das nächtliche Neonlicht Tokios. Noé und sein Kameramann Benoît Debie entwerfen eine berauschende Bilderwelt, inhaltlich bleibt der Film mit seiner buddhistisch angehauchten Leben-nach-dem-Tod-Vision eher diffus. Wie Noés Lieblingsfilm 2001: Odyssee im Weltraum ist auch Enter the Void ein Werk zum unterbewussten Fühlen, nicht zum Verstehen.
Platz 15
Sunshine
Danny Boyle | 2007 | USA, Großbritannien
Sunshine startet als klassisches Sci-Fi-Abenteuer: Er spielt ausschließlich im Weltraum bzw. in einem Raumschiff, dessen achtköpfige Crew sich auf einer Mission zur Rettung der Erde befindet. Die berauschenden Bilder sorgen für eine dichte Stimmung, während das Drehbuch von Alex Garland (Ex Machina) Suspense aus den internen Spannungen der Besatzung zieht. Doch dann traut sich Sunshine etwas Besonderes: Der Film transzendiert den bis dahin „realistischen“ Plot, beschwört den Fiction-Aspekt des Genres und etabliert einen nicht-fassbaren Antagonisten. Am Finale im Stil eines Slasher-Films scheiden sich die Geister; es bringt definitiv eine neue Dynamik ein.
Platz 14
The Descent – Abgrund des Grauens
Neil Marshall | 2005 | Großbritannien
The Descent evoziert auf meisterhafte Weise existenziellen Horror: Er schickt sechs Frauen auf eine Odyssee durch ein unterirdisches Höhlensystem und überrascht mit blutigen Konflikten. Da sich der Film viel Zeit für die Exposition und die Figuren nimmt, verkommt er trotz einiger Schocks nie zur Gewaltorgie. Der klaustrophobische Schauplatz und die finsteren Bilder sorgen für ein Höchstmaß an Atmosphäre. Durch die psychisch labile Hauptfigur und einige erzählerische Brüche lässt The Descent mehrere Lesarten zu, was dem intensiven Filmerlebnis einen zusätzlichen Reiz verleiht.
Platz 13
City of God
Fernando Meirelles | 2002 | Brasilien
Anhand von einem Dutzend Figuren und einer mehrere Jahre umfassenden Handlung entwirft City of God ein Porträt des Lebens in den brasilianischen Favelas. Obwohl der Werdegang der Protagonisten von Armut, Perspektivlosigkeit und Kriminalität geprägt ist, verzichtet Fernando Meirelles auf einen erhobenen Zeigefinger, sein Film besitzt ein Herz für seine Figuren und durchaus auch humorvolle Seiten. Der Plot ist reich an Details und mitreißend inszeniert, formal überzeugt City of God durch eine dynamische Kameraführung und die ansehnliche Bildgestaltung.
Platz 12
Hautnah
Mike Nichols | 2004 | USA
Die Theateradaption Hautnah zeigt ein großartiges Ensemble (Natalie Portman, Jude Law, Julia Roberts, Clive Owen) in wechselnden Paarkonstellationen. Ihre Konflikte sorgen für dauerhafte Spannung: In pointierten Dialogen zwingen die Figuren einander mit kompromissloser Direktheit zum Seelenstriptease. Hautnah verzichtet auf Klischees und Konventionen und begegnet seinem Publikum auf Augenhöhe; er traut uns zu, das Innenleben der Figuren ohne die Hilfe erzählerischer Krücken zu ergründen. Regisseur Mike Nichols (Die Reifeprüfung) beweist wieder einmal seinen besonderen Zugang zu Menschen am Scheideweg ihres Lebens – Hautnah ist ein Meisterwerk.
Platz 11
Als das Meer verschwand
Brad McGann | 2004 | Neuseeland
Dem jung verstorbenen Regisseur und Drehbuchautor Brad McGann ist mit seinem ersten und zugleich letzten Film ein Meisterwerk gelungen. Die neuseeländische Romanverfilmung Als das Meer verschwand besitzt eine enorme erzählerische Dichte und umfasst genügend Material, um drei bis vier Filme zu füllen. Das Drehbuch vereint diverse Genres (Coming of Age- und Kriminalfilm, Drama, Thriller) und mehrere Zeitebenen zu einem in sich geschlossenen Konstrukt, das Schicht um Schicht abgetragen wird und dabei stetig neue Facetten enthüllt. Die inszenatorische Zurückhaltung, die Schönheit der neuseeländischen Landschaft und die starken Darsteller halten den Film trotz der vielen Motive nahbar und ungekünstelt.
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Platz 10
Watchmen
Zack Snyder | 2009 | USA
Die Graphic Novel von Alan Moore und Dave Gibbons zählt zu den Referenzwerken ihrer Gattung, doch die Filmadaption von Zack Snyder steht der Vorlage in nichts nach. Mit sicherer Hand vereint der Regisseur verschiedene Genres und Stile zu einem homogenen Mix. Watchmen bespielt ein breites Themenfeld und erzeugt eine bedeutungsschwangere Schwere; trotzdem garantieren die Coolness der Figuren, der Humor, die launige musikalische Untermalung und die stilsicher inszenierte Action einen hohen Unterhaltungswert. Damit erweist sich Watchmen als Unikat: Als Blockbuster mit Ecken und Kanten, der seinem Publikum viel zutraut und durch großen Stilwillen imponiert.
Platz 9
A Scanner Darkly
Richard Linklater | 2006 | USA
Wie so viele Science-Fiction-Stoffe basiert auch A Scanner Darkly auf einer Vorlage von Philip K. Dick (Blade Runner, Minority Report). Der Adaption gelingt es ausgezeichnet, die diffusen Stimmungen des Romans einzufangen: Die Paranoia einer dauerüberwachten, drogenzerfressenen Gesellschaft, den absurden Humor der Drogenkonsumenten und die Tragik der zerbrechenden menschlichen Beziehungen. Diese zerfahrene Welt erhält durch das ungewöhnliche Animationsverfahren eine passende visuelle Entsprechung. Aufgrund des vielschichtigen Inhalts und einer spielfreudigen Besetzung (Keanu Reeves, Woody Harrelson, Robert Downey Jr.) zählt A Scanner Darkly zu den interessantesten Sci-Fi-Filmen seiner Ära.
Platz 8
Memento
Christopher Nolan | 2000 | USA
Mit seinem zweiten Werk Memento feierte Christopher Nolan seinen Durchbruch und bewies nach Following erneut sein Faible für kreative Narrative. Der Thriller über einen rachsüchtigen Mann ohne Kurzzeitgedächtnis erzählt seine Handlung sowohl vom Anfang als auch vom Ende aus, sodass viele Szenen in umgekehrter Chronologie zu sehen sind und sich ein Puzzle voller spannender Brüche ergibt. Die verdrehte Zeitebene wandelt die dem kleinen Budget geschuldete Nüchternheit in eine Stärke um: Das Geschehen von Memento erscheint stark verdichtet und erzeugt so einen großen Fatalismus. Zu letzterem trägt auch Guy Pearce bei, der die Hauptfigur eindringlich verkörpert.
Platz 7
No Country for Old Men
Joel & Ethan Coen | 2007 | USA
Die Romane von Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy fußen auf einer sprachlichen Ökonomie, die sie unverfilmbar erscheinen lässt, doch den Coen-Brüdern ist mit No Country for Old Men eine würdige Adaption gelungen. Sie erzählen so verdichtet wie möglich, bleiben immer im Präsens, halten durchweg ein Tempo. Dadurch evoziert der Film ein Gefühl der Endgültigkeit – die Jagd eines soziopathischen Killers (famos: Javier Bardem) auf einen Mann mit gestohlenem Drogengeld scheint wie auf Schienen zu verlaufen, das Schicksal aller Beteiligten bereits vorgeplant zu sein. Der durchdringende Fatalismus und die konzentrierte Regie der Coens formen No Country for Old Men zu einem herausragenden Werk.
Platz 6
Brick
Rian Johnson | 2005 | USA
In seinem Debütfilm Brick verlegt Rian Johnson den Film Noir an eine kalifornische High School. Das Experiment einer Detektivgeschichte unter Jugendlichen funktioniert prächtig, da der Film seinen postmodernen Ansatz nicht überreizt; er verzichtet auf offensichtliche Ironie und gestattet sich lediglich ein lakonisches Augenzwinkern. Brick besticht durch ein schnörkelloses Drehbuch, das insbesondere in den erstklassigen Dialogen immer sofort zum Punkt kommt. Es hält den Plot lange mysteriös und beschwört einen düsteren Tonfall, ohne aufgesetzt zu wirken. Das ist auch ein Verdienst der starken Jungdarsteller um Joseph Gordon-Levitt, die angenehm subtil spielen.
Platz 5
Twentynine Palms
Bruno Dumont | 2003 | Frankreich
Twentynine Palms zählt zu den seltenen Seherfahrungen, die geradezu körperlich spürbar sind. Bruno Dumont entwirft einen radikal reduzierten, existenzialistischen Albtraum: Er sperrt ein aufgrund einer Sprachbarriere dysfunktionales Paar in die menschenfeindliche kalifornische Wüste und schildert ihre Tage zwischen Wortlosigkeit und rüdem Sex. Inmitten der inneren wie äußeren Leere erscheint eine Flucht unmöglich, folglich reiht Dumont lediglich fragmentarische Episoden aneinander, ohne durch erzählerische Kompromisse eine Entwicklung oder einen Ausweg aufzuzeigen. Die latente Aggression und das archaische Setting münden in einem schockierenden Finale, das lange nachhallt.
Platz 4
Der Herr der Ringe: Die Gefährten
Peter Jackson | 2001 | Neuseeland, USA
Die Gefährten steht hier als Stellvertreter für das Gesamtkunstwerk, das Peter Jacksons mit Der Herr der Ringe schuf. Der neuseeländische Filmemacher adaptierte J. R. R. Tolkiens Fantasyepos standesgemäß: mit einer epischen Laufzeit, die Werktreue ermöglicht, und einem immensen Produktionsaufwand, der über die Kulissen, Kostüme und Effekte eine stimmungsvolle Vision von Mittelerde erschafft. Doch Der Herr der Ringe lebt nicht von seinem Budget allein, er ist auch bestechend inszeniert – die Regie von Peter Jackson ist ungeheuer kreativ und wirkungsvoll. Die grandiosen Bilder, die exzellenten Darsteller und ein erstaunlich hohes Tempo runden den modernen Klassiker ab.
Platz 3
Prestige – Meister der Magie
Christopher Nolan | 2006 | USA
In Prestige entwirft Christopher Nolan ein Vexierspiel um zwei rivalisierende Bühnenmagier des späten 19. Jahrhunderts und nutzt dafür einmal mehr eine komplexe Narration, die über mehrere Erzählebenen Schicht um Schicht der gegenseitigen Täuschungen abträgt, bis wir zum Kern der Geschichte vorstoßen. Die leidenschaftliche Abneigung der beiden Protagonisten sorgt für einen emotionalen Kern und verhindert damit die kühle, technische Distanz der späteren Werke Nolans. Dabei ist Prestige auch noch schön gefilmt, fabelhaft ausgestattet und mit charismatischen Darstellern versehen.
Platz 2
Sin City
Robert Rodriguez | 2005 | USA
Sin City ist die definitive Comicverfilmung: Robert Rodriguez gelingt es, die Essenz von Millers Graphic Novel auf Celluloid zu bannen, vom geradlinigen Erzählstil über die typenhaften Figuren, vom schwarzen Humor bis zur kompromisslosen Gewalt. Vor allem aber setzt Rodriguez das Geschehen handwerklich brillant in Szene – nicht die sture Werktreue, sondern sein inszenatorisches Talent erweckt die Filmadaption zum Leben. Im Gegensatz zu den Avengers und Co. fühlt sich Sin City nie digital an, weil Rodriguez‘ Regie eine große Körperlichkeit vermittelt und fantastische Bilder für seine Film Noir-Welt findet.
Platz 1
Irreversibel
Gaspar Noé | 2002 | Frankreich
Der Skandalfilm von Gaspar Noé stürzt uns in ein filmisches Inferno und schockt mit drastischen Gewaltszenen, die durch die rückwärts verlaufende Szenenfolge eine ungewöhnliche Dynamik entfalten. Indem Irreversibel die Richtung von Ursache und Wirkung dreht, können wir die Gewalt nicht abstrahieren; Noé zwingt uns so ständig dazu, das Tun der Protagonisten zu hinterfragen, und evoziert durch die Unabwendbarkeit des Geschehens einen tiefschwarzen Fatalismus. Dabei greift Noé auf lange Plansequenzen und eine entfesselte Handkamera zurück, die den Strudel der Raserei eindrucksvoll illustriert und auf meisterhafte Weite aufzeigt, welche Wucht das Medium Film entwickeln kann.
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