Die 25 besten

Coming-of-Age-Filme

der Kinogeschichte

Coming-of-Age-Filme schildern Ausschnitte aus dem Leben von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen; dabei bespielen sie eine große thematische Bandbreite und diverse Genres – das Sujet eignet sich sowohl für heitere Komödien als auch für finstere Dramen.

Zudem besitzt diese Spielart des Kinos ein Alleinstellungsmerkmal: Wir Zuschauer kennen seine Motive aus eigener Erfahrung. Auch deshalb erfreuen sich Coming-of-Age-Filme seit jeher einer großen Beliebtheit und werden überall auf der Welt produziert. Die nachfolgende Bestenliste enthält Vertreter aus einem Dutzend Länder und acht Jahrzehnten.

Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.

Honorable Mentions

Wie bei jeder Bestenliste mussten auch dieses Mal wieder zahlreiche sehenswerte Filme gestrichen werden, auch um inhaltliche Kohärenz zu gewährleisten. Mehr dazu in den Honorable Mentions:

Coming-of-Age-Filme decken eine enorme thematische Breite ab und werden ihrerseits von anderen Genres angezapft. Damit diese Bestenliste kohärent bleibt, musste ich einige Filme streichen, die ihre jungen Hauptfiguren überwiegend für andere Themen nutzen. Komm und sieh, Iwans Kindheit und Vierundzwanzig Augen erzählen mehr vom Krieg als von der Kindheit, auch das KZ-Drama Kapo und Roberto Rossellinis Deutschland im Jahre Null passen nicht ganz.

Gestrichen wurden auch Léon der Profi und City of God, die das Erwachsenwerden mehr als erzählerisches Mittel denn als inhaltliches Motiv einsetzen. Auch Sci-Fi- (Alles, was wir geben mussten) und Fantasyfilme wie die Harry Potter-Reihe, Pans Labyrinth, Valerie – Eine Woche voller Wunder und The Wild Boys blieben außen vor.

Diverse weitere Filme waren mir inhaltlich ebenfalls nicht klar genug. Dazu zählen die Kommunenkomödie Zusammen!, das kontroverse Drama Something Wild, Fruit Chans Made in Hong Kong und Gus van Sants Elephant. Schweren Herzens habe ich mich auch gegen Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo entschieden, der sonst einen der vordersten Plätze eingenommen hätte.

Schwierig war auch das Abwiegen in Altersfragen. Einige tolle Filme habe ich gestrichen, weil ihre Protagonisten ein wenig zu alt waren. Das ist mir besonders bei Die Reifeprüfung schwergefallen, der ein Kandidat für Platz 1 war. Auch Nur Samstag Nacht, Good Will Hunting und Samstagnacht und Sonntagmorgen handeln trotz deutlicher Coming-of-Age-Thematik eher von jungen Männern als von Jugendlichen.

Aus demselben Grund wurden auch Éric Rohmers Sommer, das philippinische Drama Das Mädchen Insiang, das koreanische Werk March of Fools und der finnische Film Die Erde ist ein sündiges Lied nicht berücksichtigt.

Nach der Anwendung dieser formalen Kriterien blieben aber noch zahlreiche Filme übrig, sodass die Endauswahl schwerfiel. Richard Linklaters Langzeitprojekt Boyhood konnte ich leider nicht mehr berücksichtigen.

Eine ganze Reihe von Filmen über vorpubertäre Kinder ist auf dem fiktiven 26. Platz gelandet. Dazu zählen Satyajit Rays Meilenstein Apus Weg ins Leben: Auf der Straße, das argentinische Drama Chronicle of a Boy Alone, die gefühlvolle japanische Kindheitsballade Schmutziger Fluss, Abbas Kiarostamis Wo ist das Haus meines Freundes? sowie der spanische Klassiker Der Geist des Bienenstocks.

Es ist auch bemerkenswert, dass viele Filme ihre jungen Protagonisten durch spezifische Milieus herausfordern. Die Einöde in Das Leben Jesu und Irrwege der Leidenschaft, die Isolation in In the Heat of the Sun, die Gefangenschaft in Evil (2003) und die Problemviertel der Großstadt in Fresh und Cooley High sorgen für spannende Filmerlebnisse, auch wenn es nicht für die Bestenliste gereicht hat.

Es geht aber auch anders herum – in manchen Filmen genießen die jungen Protagonisten große Freiheiten und scheinen ohne die Kontrolle von Autoritäten aufzuwachsen. Die schrecklichen Kinder, The Virgin Suicides und besonders Der Zementgarten liefern passende Beispiele.

Nachdem bislang überwiegend Filme mit männlichen Protagonisten genannt wurden, sollen noch einige Filme genannt werden, die vom Erwachsenwerden weiblicher Figuren erzählen und dabei oft auch emanzipatorische Entwicklungen mitnehmen. Dazu zählen Bitterer Honig und Bonjour Tristesse, Mädchenbande, Little Women und Auf das, was wir lieben.

Darüber können wir den Bogen zu einer Filmgattung schlagen, bei denen junge Figuren seit jeher hoch im Kurs stehen – japanische Animationsfilme wie Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, 5 Centimeters per Second und Your Name.

Ausnahmsweise beenden wir die Honorable Mentions diesmal mit einigen Filmen, die ich nicht mag – aber Ferris macht blau, Breakfast Club, Stand by Me und … denn sie wissen nicht, was sie tun sind zu prägend und populär, um sie nicht wenigstens zu erwähnen.

Nach dieser umfangreichen Rundschau ist klar: Coming-of-Age-Filme sind wahnsinnig reichhaltig und rund um den Globus beliebt. Kommen wir nun also zu den 25 besten Coming-of-Age-Filmen der Kinogeschichte:

Filmszene aus Aniki Bóbó

Platz 25

Aniki Bóbó

Manoel de Oliveira | 1942 | Portugal

Mit seinem Spielfilmdebüt Aniki Bóbó schuf Manoel de Oliveira einen Meilenstein des portugiesischen Kinos. Der Film schildert einen dramatischen Tag im Leben eines circa 8-jährigen Jungen und brilliert dabei durch eine stilistische Klarheit, die später typisch für den Italienischen Neorealismus werden sollte. Oliveira nutzt Originalschauplätze und Laiendarsteller, wodurch ihm eine ungekünstelte Schilderung der Lebenswelt der Kinder gelingt. Trotz einiger für Kinderaugen existenzieller Konflikte tendiert Aniki Bóbó nicht zur Schwere von ähnlich gelagerten Klassikern wie Buñuels Die Vergessenen oder Rossellinis Deutschland im Jahre Null, sondern bewahrt sich einen kindlichen Zauber. Dennoch lassen sich Anklänge an die Stimmung Portugals unter Diktator Salazar ausmachen.

Filmszene aus Fast Times at Ridgemont High

Platz 24

Fast Times at Ridgemont High

Amy Heckerling | 1982 | USA

Die auch als Ich glaub’, ich steh’ im Wald bekannte Coming-of-Age-Komödie Fast Times at Ridgemont High basiert auf den Highschool-Erinnerungen von Cameron Crowe (Vanilla Sky, Almost Famous), die Amy Heckerling mit ihrem Regiedebüt verfilmte. Crowe und Heckerling verzichten auf Plotpoints, das Geschehen entwickelt sich organisch und lässt so das Lebensgefühl einer Jugend in den Achtziger Jahren aufleben. Dazu tragen sympathischen Figuren, ihre aufstrebenden Jungdarsteller (Sean Penn, Jennifer Jason Leigh) und ein leichtfüßiger Humor bei. Dennoch driftet Fast Times at Ridgemont High nie ins Kindische ab – einige ernste und sexuelle Grundierungen verleihen dem Film eine Ambivalenz, die ihn von anderen Teenie-Komödien abhebt.

Filmszene aus Mouchette

Platz 23

Mouchette

Robert Bresson | 1967 | Frankreich

Ein Jahr nachdem Robert Bresson in Zum Beispiel Balthasar einen Esel unter den Makeln der Menschen leiden ließ, wiederholte er seine Anklage mit einem jungen Mädchen in Mouchette. Wieder zeichnet der Regisseur das pessimistische Bild einer Dorfgemeinschaft, die von Armut, Dumpfheit und Krankheit geprägt ist, und erneut opfert er seine unschuldige Hauptfigur diesem Milieu. Auch aufgrund der fantastischen Hauptdarstellerin Nadine Nortier kann sich Bresson auf seine Kernkompetenz konzentrieren und Mouchette ohne viele Dialoge gestalten. Der Film lebt durch die Kraft seiner Bilder und findet in seiner Bitterkeit einen Humanismus, der lange nachhallt.

Filmszene aus Mein Leben als Hund

Platz 22

Mein Leben als Hund

Lasse Hallström | 1985 | Schweden

Im schwedischen Coming-of-Age-Film Mein Leben als Hund muss ein 12-jähriger Junge vorübergehend zu Verwandten aufs Land ziehen und stößt dort auf eine eigentümliche Welt. Die liebenswerte Dorfgemeinschaft besteht aus Figuren voller Schrullen und Spleens. Die tragikomische Umgebung bietet die idealen Voraussetzungen für die Selbstfindung des jungen Protagonisten, der lernen muss, sich den Sinnfragen und Konflikten des Lebens zu stellen, anstatt wie bisher in ein hündisches Verhalten zu flüchten. Der Film von Lasse Hallström beweist eine große Warmherzigkeit und einen unaufgeregten Humor.

Filmszene aus Fieber im Blut

Platz 21

Fieber im Blut

Elia Kazan | 1961 | USA

Das Melodram Fieber im Blut ist einer der großen Herzschmerz-Filme seiner Zeit. Er spielt im erzkonservativen Kansas der Zwanziger Jahre und erzählt von zwei Teenagern, deren Liebe von ihren Eltern nicht akzeptiert wird. Mit seiner gewohnten Beobachtungsgabe richtet sich Regisseur Elia Kazan gegen das Klassendenken und die Prüderie der älteren Generation und treibt das Geschehen konsequent in Richtung Tragödie. Diese wirkt umso stärker, weil das Traumpaar Warren Beatty und Natalie Wood herausragend harmoniert und eine große Energie in den Film bringt, der dadurch nie zum Klischeestück gerät.

Filmszene aus Waves

Platz 20

Waves

Trey Edward Shults | 2019 | USA

Im Gegensatz zu anderen Coming-of-Age-Filmen versucht sich Waves nicht an einem einfühlsamen Porträt seiner Hauptfigur, sondern übersteigert das Leben des unter ständigem Druck stehenden Jugendlichen zu einer wuchtigen Tour de Force. Die Musik von Trent Reznor und die dynamische Kamera treiben uns durch neonlichtdurchflutete Bilderwelten, wie sie eher bei Gaspar Noé oder Nicolas Winding Refn zu erwarten wären. Die ruhelose erste Filmhälfte endet spektakulär; danach fällt Waves leider deutlich ab. Er wechselt den Tonfall und die Hauptfigur, führt seine Geschichte inszenatorisch wie inhaltlich deutlich simpler fort.

Filmszene aus Ken Park

Platz 19

Ken Park

Larry Clark | 2002 | USA

Über seine gesamte Karriere hinweg fokussierte sich der Fotograf und Regisseur Larry Clark auf das Leben von Jugendlichen. Nach seinem Meilenstein Kids verfilmte er erneut ein Drehbuch von Harmony Korine (Spring Breakers) und ging diesmal noch kompromissloser vor. Mit seiner zur Schau gestellten Freizügigkeit kokettiert Ken Park offensichtlich mit den Kontroversen des „Vorgängers“, hinter der grenzwertigen Freude am Tabu offenbart der 60-jährige Clark jedoch einmal mehr sein aufrichtiges Verständnis für die jugendlichen Protagonisten. Er hinterfragt die Elterngeneration und damit auch die Grundfesten amerikanischer Ideale, die längst nicht mehr mit den aktuellen Bedürfnissen der Jugendlichen übereinstimmen.

Filmszene aus Gregory's Girl

Platz 18

Gregory’s Girl

Bill Forsyth | 1980 | Großbritannien

Die Coming-of-Age-Komödie Gregory’s Girl nutzt einen beschaulichen Vorort von Glasgow als Experimentierfeld eines naiven Teenagers, der zum ersten Mal Hals über Kopf verliebt ist. Dabei besticht der zweite Film des damals 33-jährigen Bill Forsyth durch großen Charme: Er etabliert einen vergnügten Tonfall und reiht pubertäre Eskapaden aneinander, ohne seinen Protagonisten auszustellen. Die mit trockenem Witz versetzten Dialoge und einige skurrile Nebenfiguren sorgen für Kurzweil und ergeben eine positive Botschaft: Die Pfade der Pubertät mögen seltsam und verschlungen sein, doch das Erwachsenwerden klappt schon irgendwie.

Filmszene aus American Graffiti

Platz 17

American Graffiti

George Lucas | 1973 | USA

Bei seinem Kinostart entwickelte sich George Lucas‘ zweiter Film American Graffiti zum Sensationserfolg und ermöglichte es dem Regietalent, sein nächstes Projekt Star Wars zu entwickeln. American Graffiti nimmt eine episodenhafte Bestandsaufnahme von Jugendlichen zwischen Highschool und Universität vor und findet dabei eine entspannte Coolness. Diese entsteht durch die Natürlichkeit der jungen Darsteller, den niemals aufgesetzt wirkenden Humor und den für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Umfang des Rock ’n’ Roll-Soundtracks. Trotz des niedrigen Budgets ist der Film erstaunlich gut inszeniert, das Produktionsdesign und die Bilder beeindrucken noch heute.

Filmszene aus Ben X

Platz 16

Ben X

Nic Balthazar | 2007 | Belgien, Niederlande

Ben X nähert sich der Coming-of-Age-Thematik mit einem frischen Ansatz: Er erzählt von einem autistischen Teenager, der in der Schule gemobbt wird und sich zu Hause in die Welt eines Online-Computerspiels flüchtet – hier versteht er die Feinheiten, die ihm in der Realität fehlen. Der Film verbindet diese beiden Ebenen auf visuell clevere Weise und lässt uns Bens autistische Wahrnehmung direkt erleben. So gelingt es Ben X hervorragend, eine Beziehung zu seinem Protagonisten zu vermitteln, zumal Greg Timmermans den Jungen herausragend spielt. Das macht sich im überraschenden Finale bezahlt, das seine Wirkung nicht verfehlt.

Filmszene aus Deep End

Platz 15

Deep End

Jerzy Skolimowski | 1970 | Großbritannien

Der britische Klassiker Deep End atmet den Geist der Swinging Sixties, deren Energie einen hoffnungslos verliebten 15-Jährigen ansteckt. Zu Beginn muten die Abenteuer des Teenagers wie eine charmante Komödie an: Regisseur Jerzy Skolimowski etabliert (auch dank der wunderbaren musikalischen Untermalung) einen beschwingten Tonfall, Situationskomik und skurrile Figuren sorgen für Kurzweil. In seinem Kern ist Deep End jedoch überhaupt nicht romantisch – er offenbart die schwierige Lage der Arbeiterklasse und den leeren Eskapismus der Ära; ein überraschender Tonfallwechsel im Finale lässt den Film dann endgültig zur Tragikomödie kippen.

Filmszene aus Ein Sommer zum Verlieben

Platz 14

Ein Sommer zum Verlieben

Edward Yang | 1991 | Taiwan

Ein Sommer zum Verlieben ist das Opus magnum des Neuen Taiwanischen Kinos: In erstaunlich kurzweiligen vier Stunden schildert Edward Yang das Leben der Jugend im Taipeh der Sechziger Jahre. Sein reichhaltiges Zeit- und Gesellschaftsbild schwelgt in wunderschönen Bildern und baut eine dichte Atmosphäre auf, die die Historie Taiwans erlebbar macht. Dabei bewegt sich Yangs Film weitab jeder Sentimentalität, Ein Sommer zum Verlieben geht kritisch mit dem Kuomintang-Regime und seinem „Weißen Terror“ um und spiegelt die Auswirkungen der politischen Gewalt auch im brutalen Alltag der Jugendgangs. Dennoch besitzt Ein Sommer zum Verlieben auch viele herzliche und amüsante Momente, was für einen ambivalenten Gesamteindruck sorgt.

Filmszene aus Die innere Sicherheit

Platz 13

Die innere Sicherheit

Christian Petzold | 2000 | Deutschland

Die innere Sicherheit gibt seiner Coming-of-Age-Thematik eine ungewöhnliche Perspektive, denn die Eltern der 15-jährigen Protagonistin sind untergetauchte RAF-Terroristen. Der frühe Film von Christian Petzold bringt die Stärken der Berliner Schule hervorragend zur Geltung. Die schnörkellose Inszenierung lässt das Geschehen alltäglich aussehen und etabliert damit einen Kontrast, da die vermeintliche Normalität durch eine Enttarnung der Eltern jederzeit zur Eskalation getrieben werden könnte. Zu dieser ständigen Unsicherheit gesellen sich noch die alltäglichen Teenager-Probleme der Hauptfigur, die sich durch eine große Ambivalenz auszeichnet.

Filmszene aus Guten Morgen

Platz 12

Guten Morgen

Yasujirō Ozu | 1959 | Japan

In seinem Spätwerk Guten Morgen variiert Yasujirō Ozu seine typische Themen auf ungewohnt leichtfüßige Weise: Statt wie sonst Erwachsene vor existenzielle Probleme zu stellen, porträtiert er einige Tage im Leben zweier Kinder. Zwar ersetzen fröhliche Pupsereien hier die Schwere seiner anderen Filme, Ozus Beobachtungsgabe und Empathie kommen aber wie gewohnt zur Geltung. In seinem typischen Stil betrachtet der Autorenfilmer die Welt der Erwachsenen aus Kinderaugen und findet dabei die Wahrhaftigkeit, die seine Werke ausmacht.

Filmszene aus Ratcatcher

Platz 11

Ratcatcher

Lynne Ramsay | 1999 | Großbritannien

In Ratcatcher porträtiert Lynne Ramsay das Leben eines 12-jährigen, der in einem zugemüllten Glasgower Arbeiterviertel der Siebziger Jahre aufwächst. Dabei handelt es sich nicht um ein typisches Sozialdrama, weil die Regisseurin schon in diesem Debütfilm ein großes formales Gespür beweist. Sie verbindet die realistische Milieuschilderung mit einem poetisch dahinfließenden Erzählstil, der die Tristesse der Außenwelt mit dem Innenleben der Hauptfigur verbindet. Ein traumatisches Erlebnis schwebt wie ein Damoklesschwert über der Entwicklung des Jungen, der sich mit der Verarbeitung schwertut. All das formuliert Ratcatcher nicht aus, Ramsay lässt die Bilder und Stimmungen sprechen. Der Film spricht indes für sich selbst – ein eindrucksvolles Debüt!

Filmszene aus Crazed Fruit

Platz 10

Crazed Fruit

Kô Nakahira | 1956 | Japan

Crazed Fruit zählt zu den Vorläufern der Japanischen Neuen Welle und ist ein Vertreter der Sun Tribe-Filme, die sich auf jugendliche Protagonisten fokussierten und das Lebensgefühl der japanischen Halbstarken auf die Leinwand brachten. Kô Nakahira zeigt den rastlosen Alltag zweier Brüder im Hochsommer mit einer modernen Inszenierung, die von einer agilen Kamera und einem bemerkenswerten Schnitt geprägt wird. Im Zusammenspiel mit der Musik des legendären Tōru Takemitsu entsteht ein Film, der keine Distanz zulässt und uns vereinnahmt – eine Perspektive, die die Sittenwächter erzürnte.

Filmszene aus Raus aus Amal

Platz 9

Raus aus Åmål

Lukas Moodysson | 1998 | Schweden, Dänemark

Der Debütfilm von Lukas Moodysson schildert die schwierige Freundschaft zwischen einem unbeliebten Mädchen und ihrer allseits anerkannten Klassenkameradin. Dabei setzt Raus aus Åmål auf eine ungekünstelte Inszenierung, die uns auf Augenhöhe mit den Protagonistinnen bringt – ihre Unsicherheiten und der auf sie wirkende Gruppendruck werden so nachfühlbar, ohne dass der Film das Geschehen dramaturgisch zuspitzen müsste. Das ist auch ein Verdienst der überzeugenden Hauptdarstellerinnen. Moodysson trifft derweil den richtigen Tonfall: Er nimmt die Konflikte der Figuren ernst, ergänzt sie aber mit einem Augenzwinkern, das den vorübergehenden Zustand der Adoleszenz verdeutlicht.

Filmszene aus Die Einsamkeit des Langstreckenläufers

Platz 8

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers

Tony Richardson | 1962 | Großbritannien

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers ist ein Vertreter der British New Wave und zeichnet das Porträt eines perspektivlosen Jugendlichen im tristen Nottingham. Dabei geht der Klassiker von Tony Richardson weiter als viele ähnliche Filme der Strömung – die Einweisung des Protagonisten in eine Erziehungsanstalt erweitert die typische Milieubeschreibung um eine allgemeinere Ebene, die ein Plädoyer für Integrität und Individualismus formuliert. Die Entwicklung der Hauptfigur ist auch aufgrund des exzellenten Tom Courtenay spannend zu verfolgen.

Filmszene aus Eine schwedische Liebesgeschichte

Platz 7

Eine schwedische Liebesgeschichte

Roy Andersson | 1970 | Schweden

Heutzutage ist Roy Andersson für surreal-lakonisches Kunstkino bekannt, doch in den Siebziger Jahren drehte der schwedische Regisseur noch konventionellere Werke. Besonders sein Debütfilm Eine schwedische Liebesgeschichte ist einen Blick wert: Andersson entwickelt einen gefühlvollen Coming-of-Age-Film über die erste Liebe zweier 15-jähriger Teenager, unterfüttert diesen jedoch mit einer weiteren Perspektive und stellt dem Glück der Protagonisten das Unglück der Erwachsenen um sie herum gegenüber. Diese hadern mit kaputten Ehen, Einsamkeit und Perspektivlosigkeit, was in latenter Aggression und existenzieller Verzweiflung mündet. Und im Finale blitzen dann sogar schon Anderssons Faible für surreale Momente und ein feiner, aber tragischer Humor auf.

Filmszene aus Die Vergessenen

Platz 6

Die Vergessenen

Luis Buñuel | 1950 | Mexiko

Mit dem schonungslosen Sozialdrama Die Vergessenen gewann Luis Buñuel den Regiepreis in Cannes, sorgte aber auch für Kontroversen. Der Regisseur zeigt das Leben einer Gruppe von Kindern aus der Armutsschicht, die ihre Tage in den Straßen von Mexiko-Stadt verbringen. Der 80 Minuten kurze Meilenstein des mexikanischen Kinos ist deutlich durch den Italienischen Neorealismus geprägt und zeigt das Elend und die Perspektivlosigkeit der Kinder ohne erzählerische Schnörkel. Buñuel entwirft so eine wütende Anklage voller dramatischer Szenen, der omnipräsente Pessimismus macht Die Vergessenen auch heute noch zu einer eindringlichen Filmerfahrung.

Filmszene aus 2:37

Platz 5

2:37

Murali K. Thalluri | 2006 | Australien

2:37 beginnt mit einem Selbstmord auf einer Schultoilette und geht anschließend einige Tage zurück, um uns ein halbes Dutzend problembehaftete Schüler vorzustellen und eine Frage zu formulieren: Wer von ihnen wird sich das Leben nehmen? Mit dieser drastischen Prämisse bindet uns Murali K. Thalluri aktiv in das Geschehen ein und fordert unsere Beobachtungsgabe heraus. Passend dazu nimmt 2:37 eine distanzierte Perspektive ein und folgt den Figuren wie Gus van Sants Elephant mit eleganten Plansequenzen durch die Schulflure. Die geniale Auflösung der Geschichte hält uns den Spiegel vor und beendet den beeindruckenden Debütfilm auf schmerzhafte Weise.

Filmszene aus Lilja 4-ever

Platz 4

Lilja 4-ever

Lukas Moodysson | 2002 | Schweden, Dänemark

Nachdem Lukas Moodysson seine Karriere mit den lebensbejahenden Werken Raus aus Åmål und Zusammen! gestartet hatte, schlug er mit Lilja 4-ever einen gänzlich anderen Tonfall an. Der schwedische Regisseur schildert die Leidensgeschichte einer allein gelassenen 16-Jährigen mit großer Wucht und bedrückendem Tonfall. Dabei zeigt Lilja 4-ever keine Gnade und inszeniert Liljas Werdegang als gnadenlose Abwärtsspirale: Durch immer neue Steigerungen zieht uns der Film ständig aufs Neue den Boden unter den Füßen weg und sorgt damit für eine intensive Filmerfahrung.

Platz 3

Die letzte Vorstellung

Peter Bogdanovich | 1971 | USA

Der frühe New Hollywood-Vertreter Die letzte Vorstellung schildert den öden Alltag einer Gruppe Teenager in einer texanischen Provinzstadt. Peter Bogdanovichs Coming-of-Age-Film glänzt durch ambivalente Figuren und einen besonderen Tonfall: Er vereint die Tristesse und die Melancholie der Gegenwart mit einer unbestimmten Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dabei gerät der Film nie melodramatisch und vermeidet Klischees, durch seine Wahrhaftigkeit entwickelt er trotzdem eine große Kraft, die ein Gespür für das Milieu und die Ära vermittelt. Die aufstrebenden Jungdarsteller (Jeff Bridges, Randy Quaid und Cybill Shepherd, die später die Betsy in Taxi Driver spielte) überzeugen ausnahmslos.

Platz 2

Blau ist eine warme Farbe

Abdellatif Kechiche | 2013 | Frankreich

Blau ist eine warme Farbe gewann 2013 die Goldene Palme in Cannes. Er begleitet die 15-jährige Adéle über drei Jahre beim Erwachsenwerden und fokussiert sich dabei auf die erste große – in diesem Fall lesbische – Liebe. Dafür verzichtet der Film auf ein dramaturgisches Gerüst, er lässt lieber den langen Zeithorizont und die universelle Thematik für sich arbeiten. So entwickelt Blau ist eine warme Farbe seine Figuren ganz organisch, ermöglicht dadurch eine große Nahbarkeit und mitreißende emotionale Höhepunkte, wozu auch die ausschweifenden und streitbaren Sexszenen beitragen.

Platz 1

Kids

Larry Clark | 1995 | USA

Mit ihrem Debütfilm sorgten Regisseur Larry Clark und Drehbuchautor Harmony Korine für Kontroversen: Ihre Darstellung jugendlicher Umtriebe traf den Zeitgeist und schockte eine ganze Generation von Eltern. Kids zieht seine Wirkung aus einer großen Authentizität: Clark drehte mit Laiendarstellern und ließ diese viel improvisieren, was zu natürlichen Dialogen im Jugendslang führt. Dem Regisseur gelingt es, das Lebensgefühl der Jugendlichen einzufangen und kritisch zu hinterfragen, ohne pädagogisch auf sie herabzublicken – Kids bewegt sich stets auf Augenhöhe mit seinen Protagonisten und ist trotz abschreckender Szenen von großer Empathie geprägt.

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