Die 30 besten
deutschen Filme
Noch immer zehrt das deutsche Kino vom Ruhm der Vergangenheit: Von der Zeit als eine der führenden Nationen der Stummfilmära und dem international anerkannten Autorenkino des Neuen Deutschen Films der Siebziger Jahre.
Doch es gibt auch abseits dieser Sternstunden viel zu entdecken – der Fundus der deutschen Filmgeschichte bietet bemerkenswerte Werke in allen Jahrzehnten und Genres. Selbst heute, wo Deutschland nicht mehr zu den international führenden Nationen des Kinos zählt, finden immer wieder sehenswerte Filme den Weg in die Kinos.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Natürlich ist es aussichtslos, 100 Jahre deutscher Kinogeschichte auf 30 Werke herunterzubrechen. Deshalb noch einige lobende Erwähnungen:
Viele Klassiker der einstigen Stummfilmweltmacht Deutschland lohnen sich noch immer. Das Cabinet des Dr. Caligari und Der letzte Mann habe die Bestenliste knapp verpasst. Warum Metropolis nicht dabei ist, habe ich in dieser Kritik ausgeführt. Weitere sehenswerte Vertreter des deutschen Vorkriegskinos sind Carl Theodor Dreyers Vampyr und der Film Noir-Vorläufer Voruntersuchung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Trümmerfilme wie In jenen Tagen (der 12 Jahre Nazi-Herrschaft anhand der Geschichte eines Autos nacherzählt) und zumindest einige kritische Aufarbeitungen der Vergangenheit, etwa im frühen DEFA-Film Affäre Blum, Wolfgang Staudtes Rotation und Helmut Käutners Des Teufels General. Käutner ist ein viel zu selten erwähnter Meister seines Fachs, sein Melodram Himmel ohne Sterne ist ebenfalls einen Blick wert.
In einigen besonders gelungenen Fällen gingen deutsche Filmemacher mit garstigen Satiren gegen die Vergangenheit vor. Die DEFA-Produktion Der Untertan sowie die westdeutschen Vertreter Wir Wunderkinder und Rosen für den Staatsanwalt halten der deutschen Geschichte den Spiegel vor. Zuvor hatte Wolfgang Staudte bereits die Anti-Bürokratie-Komödie Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B. gedreht.
Mit dem Neuen Deutschen Film erreichte das deutsche Kino erneut internationales Renommé; die Vertreter der Strömung könnten die Bestenliste allein füllen, deshalb musste schweren Herzens gestrichen werden. Rainer Werner Fassbinders großartiges Epos Berlin Alexanderplatz blieb als Mini-Serie ein Platz verwehrt, seine Filme Angst essen Seele auf und Warum läuft Herr R. Amok? blieben zugunsten anderer Werke außen vor.
Der auf Krawall gebürstete Peter Fleischmann beteiligte sich unter anderem mit dem kontroversen Jagdszenen aus Niederbayern und dem satirischen Coming-of-Age-Film Das Unheil an der Strömung. Auch Volker Schlöndorffs Oscar-Gewinner Die Blechtrommel sowie Werner Herzogs Fitzcarraldo und Wim Wenders‘ Paris, Texas dürfen nicht vergessen werden.
Abseits des Neuen Deutschen Films sind Wolfgang Petersens Einer von uns beiden und das Gefängnisdrama Die Verrohung des Franz Blum – beide mit Hauptdarsteller Jürgen Prochnow – ganz interessant. Zudem soll noch auf zwei gerade für deutsche Verhältnisse sehr ungewöhnliche Filme hingewiesen werden: Der Kultfilm Der Fan sowie die brechtianische Satire Das schreckliche Mädchen.
Zum Abschluss wollen wir uns noch dem deutschen Genre schlechthin widmen: Dem Kriminalfilm. Einige sehenswerte Krimis haben die Bestenliste knapp verpasst: Dominik Grafs Die Katze, die Berliner Schule-Vertreter Die innere Sicherheit und Im Schatten, das One-Take-Wunder Victoria sowie den mitreißenden Sonne und Beton.
Kommen wir nun zu den 30 besten deutschen Filmen:
Platz 30
Spur der Steine
Frank Beyer | 1966 | Deutschland
Spur der Steine zählt zu den stärksten Filmen der DEFA. Er nutzt das Treiben auf einer Großbaustelle als Lackmustest für den real existierenden Sozialismus und baut ein spannendes Figurenkonglomerat auf. Ein ehrgeiziger Parteisekretär, ein eigenwilliger Vorarbeiter und eine junge Ingenieurin verkörpern gegensätzliche Positionen der DDR-Ideologie; besonders Manfred Krug als Vorarbeiter Balla ist eine Wucht. Die Ambivalenz der in der Vorproduktion noch genehmigten Romanverfilmung stieß den Parteioberen sauer auf. Spur der Steine wurde kurz nach dem Kinostart wegen „antisozialistischer Tendenzen“ aus dem Verkehr gezogen. Er landete für 23 Jahre im Giftschrank und bedeutete das vorläufige Ende der Filmkarriere von Regisseur Frank Beyer.
Platz 29
Jerichow
Christian Petzold | 2008 | Deutschland
In diesem Kriminalfilm nach Art der Berliner Schule verlegt Christian Petzold einen Film Noir in die ostdeutsche Provinz. Die lose Adaption von James M. Cains oft verfilmten Roman Wenn der Postmann zweimal klingelt entwickelt eine eigenständige Interpretation des Stoffes. Der Fatalismus entsteht hier nicht durch die visuellen Übersteigerungen der Schwarzen Serie, sondern durch erzählerische Reduktion: Schon wenige Blicke, Gesten und Worte führen ins Verderben, die große Dramatik liegt im Kleinen. Jerichow gelingt mit nur drei (großartigen) Darstellern ein fesselndes Filmerlebnis.
Platz 28
Die Büchse der Pandora
G. W. Pabst | 1929 | Deutschland
Die Büchse der Pandora zählt zu den späten deutschen Stummfilmen und ist wohl die bekannteste Arbeit von G. W. Pabst, der die Adaption eines Bühnenstücks von Frank Wedekind im Stil der Neuen Sachlichkeit inszenierte. Die ungeschminkte Direktheit – der soziale Abstieg einer jungen Frau macht auch vor Prostitution und lesbischer Liebe nicht Halt – brachte dem Film Probleme mit der Zensur ein. Aus heutiger Sicht beeindruckt vor allem das moderne Schauspiel von Hauptdarstellerin Louise Brooks, die nicht nur das im Stummfilm essenzielle Charisma einbringt, sondern auch die tragischen Seiten der Rolle meistert, indem sie jederzeit nahbar spielt.
Platz 27
In den Gängen
Thomas Stuber | 2018 | Deutschland
In diesem Höhepunkt der Berlinale 2018 wagt ein junger Mann einen Neuanfang und heuert dafür in der Nachtschicht eines Großmarktes an. In den Gängen spielt größtenteils in den spätabendlichen Regalreihen, die Thomas Stuber als von der Außenwelt abgeschnittene Parallelwelt inszeniert. In diesem zutiefst unpersönlichen Refugium siedelt der Film eine Reihe liebenswerter Figuren an und begleitet ihr Treiben mit viel Kolorit und leisem Humor. Stuber spart an großen Gesten und richtet seinen Blick auf die kleinen Dinge des Lebens, wodurch sein Werk viel Charme und eine große Wahrhaftigkeit gewinnt. Dazu tragen die tollen Darsteller um Franz Rogowski, Sandra Hüller und Peter Kurth erheblich bei.
Platz 26
Das Kaninchen bin ich
Kurt Maetzig | 1965 | Deutschland
Der vielleicht modernste deutsche Film seiner Zeit stammt aus den DEFA-Studios der DDR. Zu sehen bekam ihn jedoch lange niemand, die Staatsführung zog ihn noch vor der Premiere aus dem Verkehr und begründete damit die Kategorie der „Kaninchenfilme“, in die sich 10 weitere verbotene Werke einreihten. Als Plädoyer für einen freiheitlichen gesellschaftlichen Wandel stand Das Kaninchen bin ich dem Anbruch der rigiden Breschnew-Ära diametral gegenüber, zumal der Film von Kurt Maetzig seine Ideen mit einer auch heute noch beeindruckenden Energie vertritt, die maßgeblich von der Stilistik der Nouvelle Vague beeinflusst wurde. Die frechen Dialoge, die schmissige Inszenierung und insbesondere der effektvolle Schnitt greifen direkt die erstarrten Konventionen der DDR an.
Platz 25
Gegen die Wand
Fatih Akin | 2004 | Deutschland
Gegen die Wand eroberte die Berlinale 2004 im Sturm und sicherte sich den Goldenen Bären. Das Drama von Fatih Akin entfesselt schon in den ersten Minuten eine ungeheure Wucht und konfrontiert uns mit zwei konfliktbeladenen Protagonisten, die jederzeit wie ein Vulkan ausbrechen können; somit wohnte jeder Szene eine latente Spannung inne. Inmitten ihrer Selbstzerstörung findet Akin allerdings auch berührende Momente mit enormer emotionaler Tiefe, woran das grandiose Darstellerduo Sibel Kekilli und Birol Ünel einen großen Anteil hat.
Platz 24
Die Brücke
Bernhard Wicki | 1959 | Deutschland
Der Antikriegsfilm Die Brücke spielt in der Endphase des Zweiten Weltkrieges und erzählt von einem halben Dutzend Gymnasiasten, die ihre Kleinstadt gegen die einrückenden Amerikaner verteidigen sollen. Bernhard Wicki nimmt sich viel Zeit, um das Milieu der Protagonisten zu beschreiben und etabliert sie so als nahbare Figuren. Ihre jugendliche Naivität und die Wirkmächtigkeit der nationalsozialistischen Ideologie ergeben eine verhängnisvolle Mischung; die offensichtliche Leere der Nazi-Parolen verneint jeden Heroismus schon im Ansatz. Damit stellt Die Brücke die Sinnlosigkeit des Krieges nachdrücklich heraus – das Sterben bleibt schrecklich willkürlich und dient keinem Zweck.
Platz 23
Angst vor der Angst
Rainer Werner Fassbinder | 1975 | Deutschland
In Angst vor der Angst brandmarkt Rainer Werner Fassbinder einmal mehr die bleierne Ausweglosigkeit des bürgerlichen Lebens. Vielleicht nimmt der Film in der Wahrnehmung seines Schaffens eine untergeordnete Rolle ein, weil Fassbinder diesmal wenig am Soziotop der Protagonistin interessiert ist. Es handelt sich beinahe um einen Horrorfilm: Ähnlich wie in Martha treibt er seine Protagonistin von einer Krise in die nächste. Durch die Form des Kammerspiels mutet das noch konsequenter an, der Film bleibt ganz bei seiner Hauptfigur, die von Margit Carstensen umwerfend gespielt wird.
Platz 22
Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Margarethe von Trotta, Volker Schlöndorff | 1975 | Deutschland
Die Adaption des Romans von Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll klagt mit kolportagehafter Polemik den Boulevardjournalismus an. Heute mutet Die verlorene Ehre der Katharina Blum aktueller denn je an – nicht nur in seiner Zeichnung medialer Hysterie, auch durch seine emanzipierte Protagonistin, an der sich die vielen Alphamännchen des Films abarbeiten. Margarethe von Trotta und Volker Schlöndorff behalten den distanzierten Blick der Vorlage ebenso bei wie die nahe an der Karikatur befindliche Figurenzeichnung – ihr scharfsinniger Blick und die gut aufgelegten Schauspieler sorgen für einen Höhepunkt des Neuen Deutschen Films.
Platz 21
Faustrecht der Freiheit
Rainer Werner Fassbinder | 1975 | Deutschland
Faustrecht der Freiheit zählt zu den finstersten Arbeiten von Rainer Werner Fassbinder, der hier einen Proletarier via Lottogewinn in gehobene bürgerliche Kreise schubst und an diesem neuen Umfeld zerschellen lässt. Einmal mehr verdrahtet der Regisseur die ausbeuterischen Kräfte der Liebe und des Geldes und inszeniert einen Abgesang auf die moralische Integrität unserer modernen Gesellschaftsordnung. Dabei besticht der Film durch seine melodramatisch konzentrierten Gefühle, die spürbar sind, ohne sichtbar zu werden. Das ist auch ein Verdienst der exzellenten Darsteller, angeführt von Fassbinder selbst in der Hauptrolle.
Platz 20
Ich war neunzehn
Konrad Wolf | 1968 | Deutschland
In dem autobiographisch gefärbten Antikriegsfilm der DEFA kehrt ein 19-jähriger Exildeutscher im Dienst der sowjetischen Armee zurück in sein Heimatland. Regisseur Konrad Wolf setzt auf einen semidokumentarischen Stil und lässt die Zustände der letzten Kriegswochen für sich sprechen: Es herrscht eine regelrecht apokalyptische Stimmung; nichts scheint mehr von Belang zu sein und doch ist der Tod noch allgegenwärtig. Aufgrund der „unschuldigen“ Perspektive des jungen Protagonisten erhält der Film eine große Nahbarkeit. Die Hauptfigur verkörpert die Suche nach einer neuen Identität, nach moralischer Orientierung und einer Zukunft in den Ruinen des Nationalsozialismus.
Platz 19
Rückfälle
Peter Beauvais | 1977 | Deutschland
Der Fernsehfilm Rückfälle zeichnet ein eindringliches Alkoholikerporträt und gewinnt seine Intensität vor allem durch das starke Spiel von Günter Lamprecht. Drei Jahre vor seiner Hauptrolle in Fassbinders Epos Berlin Alexanderplatz liefert Lamprecht eine facettenreiche Darstellung, die stets den richtigen Ton trifft. Das gilt für den gesamten Film: Regisseur Peter Beauvais findet Momente voller Wucht und Dramatik, ohne seinen Protagonisten auszustellen oder die Dramatik künstlich zu forcieren. Nebenbei hinterfragt Rückfälle auf spannende Weise die Möglichkeiten des Umgangs von Staat und Gesellschaft mit selbstzerstörerischen Individuen.
Platz 18
Die Ehe der Maria Braun
Rainer Werner Fassbinder | 1979 | Deutschland
Mit dem Auftakt seiner BRD-Trilogie gelang Rainer Werner Fassbinder ein internationaler Erfolg. In Die Ehe der Maria Braun porträtiert der Autorenfilmer das Nachkriegsdeutschland mit einem bemerkenswerten Spagat. Aufgrund der umwerfenden Hanna Schygulla sowie der großartig geschriebenen Figuren und Dialoge fühlt sich das Geschehen nahbar an, zugleich ist der Film aber auch ein stilisiertes, allegorisches Melodram. Fassbinder verhandelt seine typischen Themen, darüber wirft Die Ehe der Maria Braun einen kritischen Blick auf das neue Deutschland, das dem alten gleicht. Der Faschismus mag vom Kapitalismus ersetzt worden sein, doch das zugrunde liegende Wertesystem bleibt bestehen.
Platz 17
Frau im Mond
Fritz Lang | 1929 | Deutschland
Frau im Mond beginnt als Kriminalfilm über Wirtschaftsspionage und entwickelt daraus ein großes Abenteuer, indem er die Protagonisten und ihre Konflikte in der zweiten Filmhälfte auf den Mond verlagert. Als letzter großer deutscher Stummfilm wirkt Langs Werk technisch ausgereift: Die Kameraarbeit, Kulissen und Effekte überzeugen, das Schauspiel mutet ebenfalls modern an. Auch dramaturgisch funktioniert Frau im Mond ausgezeichnet, er spitzt das Geschehen zielsicher zu und endet memorabel. Die veralteten wissenschaftlichen Annahmen – Schwerkraft, Temperatur und Luftsauerstoff des Film-Mondes gleichen der Erde – tun dem Vergnügen keinen Abbruch, sondern betonen noch den Charme des Films.
Platz 16
Transit
Christian Petzold | 2018 | Deutschland
Christian Petzold adaptierte den gleichnamigen Roman von Anna Seghers mit einem besonderen Kniff: Er scheint immer noch im Jahr 1940 zu spielen – die Deutsche Wehrmacht steht kurz vor Paris -, doch das Produktionsdesign entspricht dem des Jahres 2018. Somit spielt Transit nicht im Gestern oder im Heute, sondern in einer magischen Welt, wie sie nur im Kino möglich ist. Gekonnt etabliert Petzold eine fatalistische Stimmung und gehetzte Figuren, die verzweifelt einen Weg aus der Stadt suchen. In diesem Klima der Vergeblichkeit wirkt die Poesie der geschickt eingewobenen Liebesgeschichte umso stärker und weckt Reminiszenzen an Casablanca.
Platz 15
Katzelmacher
Rainer Werner Fassbinder | 1969 | Deutschland
Für sein zweites Werk Katzelmacher adaptierte Rainer Werner Fassbinder ein Stück aus seinem Antitheater zu einem radikal reduzierten Film, der anhand einer Gruppe von Spießbürgern mit Biederkeit und Doppelmoral abrechnet. Der Regisseur zeichnet eine Welt dysfunktionaler Kommunikation und individueller Unzufriedenheit, in der die Protagonisten ihre Defizite ausgleichen, indem sie sie auf andere projizieren. Fassbinder kennzeichnet diese Bigotterie als Nährboden für einen längst überwunden geglaubten Faschismus und lässt durch die strenge formale Gestaltung keinen Ausweg zu.
Platz 14
Das Testament des Dr. Mabuse
Fritz Lang | 1933 | Deutschland
Der zweite Teil von Fritz Langs Mabuse-Trilogie führt die Geschichte des titelgebenden Verbrechergenies stimmig fort und profitiert dabei von der Aura, die der epische Vorgänger dem Antagonisten verliehen hat. Das Testament des Dr. Mabuse spielt geschickt mit der unsichtbaren Macht des Bösewichts, der hier in den Hintergrund rückt und trotzdem allgegenwärtig erscheint. So bleibt der Plot über weite Strecken mysteriös, bis das geniale Finale die Fäden zusammenführt. Fritz Lang hat diesen frühen Thriller souverän in seinem Griff, nutzt effektvoll die Mittel des jungen Tonfilms und gewinnt so einen hohen Unterhaltungswert.
Platz 13
Die Sieger
Dominik Graf | 1994 | Deutschland
Obwohl die Produzenten Dominik Grafs Traum vom deutschen Genrekino mehrfach beschnitten, zählt Die Sieger zu den Höhepunkten der deutschen Filmgeschichte. Der Thriller über ein Sondereinsatzkommando ignoriert Genre-Konventionen zugunsten spannender Indifferenzen; er nimmt sich viel Zeit, um Stimmungen nachzuspüren, in Figuren hineinzuhorchen und Zwischentöne übereinanderzuschichten. Gerade weil er keine ausgewogene Balance sucht, bildet Die Sieger seine aus den Fugen geratene Welt so effektvoll ab, hält ein durchgängiges Suspense und bietet darüber hinaus intensive Spannungsszenen.
Platz 12
Händler der vier Jahreszeiten
Rainer Werner Fassbinder | 1972 | Deutschland
Händler der vier Jahreszeiten läutete das Hauptwerk von Rainer Werner Fassbinder ein und wurde zum Archetyp für spätere Arbeiten. Der Autorenfilmer passte seinen Stil an und erzielte so den erhofften Durchbruch beim breiten Publikum. Anhand eines unter den Ansprüchen seiner Mitmenschen leidenden Obsthändlers entwirft Fassbinder das Bild einer bürgerlichen Gesellschaft voller Zwänge und Ressentiments, die nur funktioniert, indem sich die Menschen gegenseitig ausbeuten. Wer sich dem System nicht unterwirft, wird daraus entfernt.
Platz 11
Aus einem deutschen Leben
Theodor Kotulla | 1977 | Deutschland
Theodor Kotullas Aus einem deutschen Leben schildert in drei Stunden und vierzehn Kapiteln das Leben eines Nationalsozialisten, der vom einfachen Arbeiter zum Lagerkommandanten von Auschwitz aufsteigt. Kotulla ermöglicht uns einen unverstellten Blick, indem er das Porträt nüchtern und ungekünstelt hält; so wird deutlich, wie unspektakulär und geradlinig der Weg des Protagonisten verläuft und wie das autoritäre System seine zahllosen Helfer einspannt. Götz George spielt seinen Schreibtischtäter mit faszinierenden Widersprüchen und vermittelt den Menschen hinter der SS-Uniform als Musterbeispiel für die Banalität des Bösen.
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Platz 10
Das weiße Band
Michael Haneke | 2009 | Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich
Michael Hanekes Sittengemälde einer Dorfgemeinschaft nimmt einen Kriminalfall zum Anlass, um die Machtstrukturen zwischen den gesellschaftlichen Schichten und innerhalb der Familien zu erkunden. Trotz der edlen Schwarz-Weiß-Fotografie ist Das weiße Band ein ungemütlicher Film. Es gärt in den Figuren, abseits der Kamera scheinen sich Abgründe aufzutun. Nicht von ungefähr trägt der Film den Zusatztitel „Eine deutsche Kindergeschichte“ – die Kinder der Erzählung werden später in Nazideutschland leben und wirken.
Platz 9
Aguirre, der Zorn Gottes
Werner Herzog | 1972 | Deutschland
Aguirre, der Zorn Gottes markiert die erste Zusammenarbeit von Werner Herzog und Klaus Kinski und entwickelte sich zu einem großen internationalen Erfolg für den Neuen Deutschen Film. Herzog transzendiert den Mythos des Abenteuerfilms zu einem kontemplativen Fiebertraum und stürzte sich dafür in einen produktionstechnischen Gewaltakt, der sich unmittelbar im Endergebnis widerspiegelt und eine rohe Poesie ermöglicht. Getragen von den elegischen Bildern, einer eigentümlichen Musik und der Präsenz Klaus Kinskis, entwickelt Aguirre, der Zorn Gottes einen magischen Sog.
Platz 8
M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Fritz Lang | 1931 | Deutschland
M beruht lose auf den Taten des Serienmörders Peter Kürten und schildert, wie Polizei und Unterwelt nach einem Triebtäter fahnden. Obwohl es sich um Fritz Langs ersten Tonfilm handelt, reizt der Regisseur die neuen Möglichkeiten auf beeindruckende Weise aus und nutzt die auditive Ebene zur Erweiterung der bisherigen Filmsprache. Nebenbei entwirft Lang ein stimmiges Zeitbild des Berlins der frühen Dreißiger und steigert das Geschehen fortwährend, bis der furiose Peter Lorre im legendären Finale seinen großen Auftritt hat.
Platz 7
Lola
Rainer Werner Fassbinder | 1981 | Deutschland
Der zweite Teil in Fassbinders BRD-Trilogie verlegt Heinrich Manns Roman Professor Unrat in die Wirtschaftswunderjahre und erzählt vom Niedergang eines biederen Amtsleiters, der sich im Netz einer korrupten Kleinstadt verfängt. Fassbinder übersetzt den Verlust der emotionalen und moralischen Bodenhaftung mittels einer expressiven, vielfarbigen Beleuchtung und verleiht dem Geschehen so eine irreale Schicksalhaftigkeit. Dank der erstklassigen Besetzung (Armin Mueller-Stahl, Mario Adorf und Barbara Sukowa) bleiben die Figuren trotzdem greifbar, sodass Lola nie zur kalten Versuchsanordnung verkommt.
Platz 6
Nosferatu, eine Symphonie des Grauens
F. W. Murnau | 1922 | Deutschland
100 Jahre nach seiner Uraufführung vermag Nosferatu uns nicht mehr zu erschrecken, seine Faszination hat sich der Stummfilm von F. W. Murnau jedoch bewahrt: Als typischer Vertreter des Expressionismus bezaubert der Klassiker mit ansehnlichen Bildkompositionen. Murnaus kompetente Inszenierung erzeugt eine verwunschene Stimmung, die sich auf Bram Stokers zeitlosen (und ohne Lizenzierung verwendeten) Dracula-Stoff stützt. Einmalig ist hingegen die markante Erscheinung des Vampirs, die inzwischen längst zur Ikonografie des Horrorgenres zählt.
Platz 5
Das Boot
Wolfgang Petersen | 1981 | Deutschland
Das Boot ermöglicht ein atmosphärisch dichtes Filmerlebnis, denn den Großteil des 200-Minuten-Epos verbringen wir an Bord eines deutschen U-Boots in den eisigen Tiefen des Atlantiks. Da die überraschend mobile Kamera den beengten Verhältnissen trotzt und der Film statt Musik eine eindringliche Geräuschkulisse einsetzt, entwickelt Das Boot eine große immersive Kraft – wir erleben den oft ungewissen U-Boot-Krieg als Teil der Mannschaft. Aus dieser Unmittelbarkeit zieht die Romanverfilmung eine enorme Spannung, während die markanten Figuren den emotionalen Rahmen schaffen.
Platz 4
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
Uli Edel | 1981 | Deutschland
Mit seiner Filmadaption übertraf Uli Edel den Erfolg des Tatsachenromans über eine heroinabhängige, sich prostituierende Minderjährige sogar noch und schuf einen Meilenstein des deutschen Kinos. Der Regisseur transponiert den nüchternen Stil der Vorlage zu einem ganz auf Stimmungen konzentrierten Film, der den Werdegang der Protagonisten als fließenden Prozess einfängt. Dabei etablieren die bravourösen Jungschauspieler und die ungekünstelten Dialoge eine Bodenständigkeit, die im Zusammenspiel mit den stimmungsvollen Berlin-Bildern eine große Wucht entwickelt.
Platz 3
Schwarzer Kies
Helmut Käutner | 1961 | Deutschland
Mit dem Noir-Melodram Schwarzer Kies plante Helmut Käutner einen gezielten Angriff auf deutsche Tabus: Der Regisseur nimmt die hässlichen Seiten des Wirtschaftswunders ins Visier und zerlegt das Idealbild des deutschen Wiederaufbaus am Beispiel einer Kleinstadt, die von Zynismus und Gier durchzogen ist. Käutner kombiniert eine stimmungsvolle Milieubeschreibung mit hübschen Schwarz-Weiß-Bildern und einem omnipräsenten Fatalismus, der uns bis zuletzt im Unklaren darüber lässt, ob wir einer Liebesgeschichte oder einer Tragödie beiwohnen.
Platz 2
Welt am Draht
Rainer Werner Fassbinder | 1973 | Deutschland
Mit seinem bahnbrechenden TV-Epos Welt am Draht nahm Rainer Werner Fassbinder Matrix und Inception um Jahrzehnte vorweg. Der Autorenfilmer übernahm die (Computer-)Welt von Daniel F. Galouyes Roman Simulacron-3, nutzt das Science-Fiction-Szenario aber als Variationsraum seiner typischen Milieus. Fassbinder sprengt die Grenzen des Genrefilms für eine zutiefst pessimistische Bestandsaufnahme der modernen Gesellschaft: Die Computermenschen des Films unterscheiden sich mit ihrem kalten Auftreten, Kommunikationsdefiziten und ausbeuterischen Motiven nicht von anderen Werken des Regisseurs. Dabei profitiert seine Vision von starken Darstellern und einem bemerkenswerten Produktionsdesign.
Platz 1
Dr. Mabuse, der Spieler
Fritz Lang | 1922 | Deutschland
Im ersten seiner drei Mabuse-Filme verankert Fritz Lang eine mitreißende Kriminalgeschichte in einem Sittengemälde der Weimarer Republik. Trotz einer Länge von viereinhalb Stunden besitzt Dr. Mabuse, der Spieler einen enormen Unterhaltungswert, da die moderne Inszenierung und die ausgezeichnete Dramaturgie die Spannung hochhalten und die Vielzahl an Figuren und Schauplätzen für Abwechslung sorgt. Zudem profitiert das Stummfilmepos von seinem titelgebenden Bösewicht, der durchweg faszinierend bleibt und die Superschurken der Bond-Filme vorwegnahm.
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