Die 25 besten
französischen Filme
Frankreich ist eine Weltmacht des Kinos: Eine Nation, die das Medium Film in jeder Epoche maßgeblich entwickelte – von den Pionieren der Stummfilmzeit über den Poetischen Realismus bis zur Nouvelle Vague.
Auch heute noch bildet Frankreich eine Bastion der Filmkunst, fördert seine Kinokultur und nennt mit den Filmfestspielen von Cannes das wichtigste Filmfestival der Welt sein eigen.
Diese Liste huldigt den besten französischen Filmen – den namhaften Klassikern der großen Regisseure ebenso wie einigen Vertretern des modernen Kinos, die sich im Pantheon der französischen Filmkunst einreihen.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Natürlich reichen 25 Plätze für eine Bestenliste zum französischen Kino nicht ansatzweise aus, doch die schmerzvolle Auswahl macht auch den Reiz der Sache aus. Viele großartige Filme haben es nicht auf die Liste geschafft, einige sollen an dieser Stelle zumindest erwähnt werden:
Zunächst einmal wurden Ko-Produktionen aussortiert, um die Liste konsistent zu halten. Filme, die nicht auf französisch und in Frankreich gedreht wurden, fanden (bis auf zwei Ausnahmen) ebenfalls keine Berücksichtigung. Das betrifft insbesondere Léon – Der Profi und Enter the Void, die zwischen Platz 20 und 25 einsortiert worden wären, aber ohnehin populär genug sind.
Für den Abwechslungsreichtum war es nötig, sich auf wenige Filme pro Regisseur zu beschränken. So bekommt ein Jean-Pierre Melville nicht seine 5-6 Plätze, schweren Herzens habe ich Der eiskalte Engel, Vier im roten Kreis und Der zweite Atem gestrichen.
Auch bei anderen Granden des französischen Kinos musste priorisiert werden: Bei Gaspar Noé blieb nicht nur Enter the Void, sondern auch Menschenfeind auf der Strecke, bei Robert Bresson mussten Lancelot, Ritter der Königin und Zum Beispiel Balthasar weichen. Jean Renoirs Meilensteine Toni, Die Spielregel und Die große Illusion fehlen ebenfalls.
Außerdem landeten mit Der Tag bricht an und Pépé le Moko zwei weitere Klassiker des Poetischen Realismus auf dem fiktiven 26. Platz. Diverse Vertreter der Nouvelle Vague hat es ebenfalls erwischt: Agnès Varda (Glück aus dem Blickwinkel des Mannes, Mittwoch zwischen 5 und 7), Jean-Luc Godard (Die Verachtung, Weekend) sowie Alain Resnais‘ Hiroshima mon amour und Jacques Rivettes Die schöne Querulantin.
Für einige Klassiker der französischen Spannungskinos blieb ebenfalls kein Platz. Der Mieter, Fahrstuhl zum Schafott und Lohn der Angst sind knapp an einer Platzierung vorbeigeschrammt. Das gilt auch für den mehrteiligen Stummfilm-Meilenstein Die Vampire.
Der Sprung von der Shortlist in die Endauswahl blieb auch einigen modernen Werken verwehrt. Das betrifft die skurrile Endzeitkomödie Delicatessen, das furiose Banlieue-Drama Hass und das epische Biopic Carlos – Der Schakal.
Kommen wir nun zu den fantastischen Werken, die den Cut geschafft haben – hier ist meine Auswahl der 25 besten französischen Filme:
Platz 25
Der Freund meiner Freundin
Éric Rohmer | Frankreich | 1987
Mit Der Freund meiner Freundin schloss Éric Rohmer seinen zweiten Zyklus Komödien und Sprichwörter in typischer Manier ab. Das Porträt zweier Großstädterinnen pendelt zwischen Melancholie und Heiterkeit, besticht durch lebenskluge Beobachtungen und ist scheinbar mühelos inszeniert. Dabei imponieren besonders das elegante blau-grüne Farbschema und der markante Schauplatz, die Pariser Trabantenstadt Cergy-Pontoise. Im unbeschwerten Finale finden Rohmers Klugheit und Leichtigkeit einen wunderbaren Schlusspunkt.
Platz 24
Personal Shopper
Olivier Assayas | Frankreich | 2016
Genrezuweisungen prallen an Personal Shopper ab: Olivier Assayas vereint Trauerdrama, Horrorfilm, Psychothriller und Coming-of-Age-Film zu einem bewundernswert kohärenten, aber nie homogenen Werk. Gerade die Ambivalenzen und Zweideutigkeiten, die wichtigen und unwichtigen Subtexte, die Leerstellen und Imperfektionen machen den Reiz des Films aus. Die stilsichere Inszenierung und das ruhige Tempo schaffen Raum für eine dichte Atmosphäre, der sich die eher schlichte Handlung unterordnet. Aufgrund der herausragenden Leistung von Hauptdarstellerin Kristen Stewart und der aufgebrochenen Genrebestandteile fesselt Personal Shopper bis zum Abspann.
Platz 23
Der siebte Geschworene
Georges Lautner | Frankreich | 1962
Der siebte Geschworene pendelt zwischen Dürrenmatt und Dostojewski: Der Antiheld des Films folgt einem spontanen Mordimpuls und kommt nicht nur ungeschoren davon, sondern wird sogar beim Prozess gegen einen Unschuldigen in die Jury gewählt. Der Film nutzt den Mordfall für eine Abrechnung mit den Spießbürgern der Kleinstadt und entlarvt auf tragikomische Weise ihre Doppelmoral. Regisseur Georges Lautner wählt dazu eine immersive Perspektive und transportiert die Gedankengänge des von Bernard Blier hervorragend gespielten Protagonisten über die Tonebene, sodass wir wie bei Alfred Hitchcock zu Komplizen werden.
Platz 22
Außer Atem
Jean-Luc Godard | Frankreich | 1960
Außer Atem zählt zu den einflussreichsten Werken der Kinogeschichte – und vielleicht zu den coolsten. Der Klassiker von Jean-Luc Godard brachte die Nouvelle Vague ins Rollen und kombiniert Referenzen auf das amerikanische Kino mit französischer Leichtigkeit. Das episodenhafte Erzählen, der Maßstäbe setzenden Schnitt und die lässige Ästhetik des schwarz-weißen Paris sorgen für großes Flair. Passend dazu versammelt Außer Atem eines der Traumpaare der Filmgeschichte: Jean-Paul Belmondo als Möchtegern-Bogart und die zauberhafte Jean Seberg bilden ein tolles Gespann.
Platz 21
Armee im Schatten
Jean-Pierre Melville | Frankreich | 1969
Der zweite Farbfilm von Jean-Pierre Melville ist noch finsterer als die schwarz-weißen Vorgänger des Krimi-Spezialisten. Der Regisseur wandelte sein Lieblingssujet ab und erzählt dieses Mal nicht von Gangstern, sondern von Mitgliedern der Résistance, der er selbst angehörte. Gleich geblieben ist Melvilles präzise Inszenierung: Die formale Strenge und die grau-blauen Bilder versetzen Armee im Schatten mit einem bleiernen Fatalismus, der Tod schwebt über jeder Szene. Das nuancierte Spiel der vorzüglichen Charakterdarsteller (Lino Ventura, Paul Meurisse, Simone Signoret) rundet Melvilles Klassiker ab.
Platz 20
Paris gehört uns
Jacques Rivette | Frankreich | 1961
Paris gehört uns zählt zu den frühsten Vertretern der filmischen Postmoderne und entwirft ein ewiges Rätsel: Er handelt entweder vom Alltag einer orientierungslosen Studentin oder beschreibt eine geheime Verschwörung, die ganz Frankreich erfasst. Weil der Debütfilm von Jacques Rivette das Geschehen ausschließlich aus der Sicht der ahnungslosen Protagonistin erzählt, bleibt uns ein Großteil der möglichen Handlung verborgen. Mit seiner spröden Inszenierung verstärkt der Regisseur den Eindruck des Nicht-Fassbaren noch. Sein sperriger Kunstfilm verzichtet auf eine Auflösung und mag daher zunächst unbefriedigend wirken, sein zeitloses Mysterium kann so jedoch immer wieder aufs Neue erkundet werden.
Platz 19
Z – Anatomie eines politischen Mordes
Constantin Costa-Gavras | Frankreich, Algerien | 1969
„Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder tatsächlichen Ereignissen ist gewollt.“ – so beginnt Z – Anatomie eines politischen Mordes, der sich die Lambrakis-Affäre unter der griechischen Militärdiktatur vorknöpft. Politthrillerspezialist Constantin Costa-Gavras widmet sich dem Sujet mit spürbarer Wut, aber ohne Effekthascherei: Mittels einer semidokumentarischen Inszenierung und einer Erzählung aus mehreren Blickwinkeln seziert der Regisseur die Verschwörung des (im Film ungenannt bleibenden) Polizeistaates mit chirurgischer Präzision. Auch die berühmte Filmmusik von Mikis Theodorakis und das polemische Finale bleiben in Erinnerung.
Platz 18
Das Loch
Jacques Becker | Frankreich | 1960
In seinem Gefängnis-Thriller Das Loch sperrt uns Jacques Becker zu fünf Häftlingen in eine Zelle und macht uns zum Mittäter eines Ausbruchs. Dabei verzichtet der Film auf eine ausformulierte Handlung, eine Figurenzeichnung und Musik: Becker reduziert das Geschehen auf konzentriertes Schweigen und das pure physische Tun – in manchen Szenen schlagen die Insassen minutenlang auf den Beton ein. Dieser konsequente Realismus erzeugt eine ganz eigene Art von Spannung, zumal die hübschen Schwarz-Weiß-Bilder für eine dichte Stimmung sorgen, die sich im Kellergewölbe der Haftanstalt noch intensiviert.
Platz 17
Climax
Gaspar Noé | Frankreich | 2018
In Climax schickt Gaspar Noé ein Tanz-Ensemble via unfreiwilliger LSD-Überdosis auf einen Horrortrip und beschert uns einmal mehr ein rauschhaftes Meisterwerk. Aufgrund der formalen Virtuosität erzielt Climax eine hochgradig immersive Wirkung: Die in langen Plansequenzen delirierende Kamera stürzt uns mitten ins Geschehen, die stampfende Musik und die energetischen Darsteller machen uns zum aktiven Teilnehmer dieser Party voller entseelter Zombies. Da Noé gewohnt konsequent vorgeht und den Trip immer weiter eskalieren lässt, entwickelt sich Climax zu einem ungewöhnlichen Horrorfilm.
Platz 16
Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen
Robert Bresson | Frankreich | 1956
Mit Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen drehte Robert Bresson einen der besten Gefängnisfilme und entwickelte die Sprache des Kinos weiter. Der Autorenfilmer brach mit erzählerischen Standards, reduzierte Form und Inhalt so stark wie möglich und spaltete die Bild- von der Tonebene ab. Damit schuf der Regisseur ein transzendentes Werk: Die Betonung des Oberflächlichen impliziert eine unsichtbare, bei Bresson stets spirituelle Ebene – sein Film setzt sich mit dieser verborgenen Kraft auseinander und unternimmt den Versuch, das Unfassbare fassbar zu machen.
Platz 15
Der Rabe
Henri-Georges Clouzot | Frankreich | 1943
Im französischen Klassiker Der Rabe hetzt jemand die Bürger einer Kleinstadt mit anonymen Briefen gegeneinander auf. Regisseur Clouzot nutzt typische Motive des Whodunit-Krimis für eine kluge Gesellschaftsstudie, die auch uns Zuschauer einbezieht, denn der Film lockt uns in eine Falle. Er kritisiert Doppelmoral und Vorverurteilungen, leitet uns jedoch gleichzeitig mit einigen geschickt platzierten Indizien dazu an, unsere Ressentiments auf ein Dutzend Verdächtige zu projizieren. Dabei sorgen die mysteriöse Stimmung und das durchgängige Suspense bis zur letzten Szene für Spannung.
Platz 14
Blau ist eine warme Farbe
Abdellatif Kechiche | Frankreich | 2013
Blau ist eine warme Farbe gewann 2013 die Goldene Palme in Cannes. Er begleitet die 15-jährige Adéle über drei Jahre beim Erwachsenwerden und fokussiert sich dabei auf die erste große – in diesem Fall lesbische – Liebe. Dafür verzichtet der Film auf ein dramaturgisches Gerüst, er lässt lieber den langen Zeithorizont und die universelle Thematik für sich arbeiten. So entwickelt Blau ist eine warme Farbe seine Figuren ganz organisch, ermöglicht dadurch eine große Nahbarkeit und mitreißende emotionale Höhepunkte, wozu auch die ausschweifenden und streitbaren Sexszenen beitragen.
Platz 13
Die Teuflischen
Henri-Georges Clouzot | Frankreich | 1955
Der Mysterythriller Die Teuflischen serviert einen perfiden Plot um zwei Frauen, die ihren Peiniger ermorden und dann befürchten müssen, er sei von den Toten auferstanden. Henri-Georges Clouzot versetzt uns in ihre Lage und sorgt für eine ständige Unsicherheit – gibt es eine kriminologische Erklärung oder handelt es sich bei Die Teuflischen um einen übernatürlichen Horrorfilm? Die subtile Inszenierung und das düstere Schwarz-Weiß füttern die Paranoia mit viel Suspense, die starken Leistungen der Darsteller tragen ebenfalls viel zur Spannung bei.
Platz 12
Nikita
Luc Besson | Frankreich | 1990
Nikita bedeutete den internationalen Durchbruch für Luc Besson, der das gefühlsbetonte Cinéma du look auf das Thriller-Genre anwandte und so einen Hybridfilm schuf, der Melodramatik mit brachialer Action kombiniert. Der Regisseur kleidet das Geschehen in eine raue Musikvideoästhetik und verstärkt damit den Eindruck des Unwirklichen. Dem gegenüber steht eine aufs Wesentliche reduzierte Erzählweise, die die Zeitebene aufbricht und die Figuren kaum charakterisiert – wir können ihr Tun und ihre Gefühle nie ganz einschätzen, womit sich Nikita eine spannende Unvorhersehbarkeit bewahrt.
Platz 11
Humanität
Bruno Dumont | Frankreich | 1999
Ein Sexualmord in einer Kleinstadt bildet den erzählerischen Rahmen von Humanität, doch wie so oft dekonstruiert Bruno Dumont ein Genre. Hier formt er aus einem Kriminalfilm eine existenzielle Zustandsbeschreibung des ermittelnden Polizisten. Mit quälender Langsamkeit beobachtet Dumont den meist stummen, meist passiven Protagonisten, um hinter der regungslosen Miene eine gärende Entwicklung hervorzubringen. Das Innenleben der Hauptfigur findet ihre Entsprechung in der nihilistischen Welt um sie herum: Inmitten der tristen, erstarrten Bilder erscheint ein Miteinander für die Menschen unmöglich.
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Platz 10
Pickpocket
Robert Bresson | Frankreich | 1959
In seinem 75 Minuten kurzen Meisterstück Pickpocket erzählt Robert Bresson aus dem Alltag eines Taschendiebes, der immer mehr den Zugang zur Gesellschaft verliert. Der Regisseur setzt auf seine typisch minimalistische Inszenierung und verleiht dem Film trotzdem eine enorme Eleganz. Die visuelle Reduktion hält Bresson nicht davon ab, simple Szenen mit großer Bedeutung aufzuladen, wobei sich Parallelen zu den Romanen von Camus und Dostojewski ergeben. In besonderer Erinnerung bleiben die fesselnden Taschendiebstahlszenen, die sich Bresson bei Samuel Fullers Polizei greift ein abschaute.
Platz 9
Das Irrlicht
Louis Malle | Frankreich | 1963
Mit viel Gefühl für Stil und Stimmung inszeniert Louis Malle in Das Irrlicht den melancholischen Abgesang eines Lebensmüden, der nach dem Alkoholentzug durch das fad gewordene Paris getrieben wird. In stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Bildern fängt der Regisseur die Odyssee des Protagonisten ein und sinniert dabei über die Möglichkeiten unterschiedlicher Lebensentwürfe und die Frage, welcher Sinn dem Leben innewohnt. Die berühmte Klaviermusik von Eric Satie und das Schauspiel von Maurice Ronet gleichen einander in ihrem Minimalismus, in dem sich die ganze Welt verbirgt.
Platz 8
Hafen im Nebel
Marcel Carné | Frankreich | 1938
Hafen im Nebel zählt zu den Höhepunkten des französischen Vorkriegskinos und verhandelt die typischen Themen des Poetischen Realismus – die individuelle Suche nach Glück und den Widerstand gegen ein übermächtiges Schicksal. Regisseur Marcel Carné und Kameramann Eugen Schüfftan verwandeln die Hafenstadt Le Havre in eine übersteigerte Trübsinnsversion ihrer selbst; ihre Melancholie durchdringt alles Handeln der Figuren, ihr Pessimismus nimmt den Film Noir vorweg. Wie in der Schwarzen Serie herrscht eine Sehnsucht nach fernem Glück, doch wer davon kostet, bezahlt immer einen Preis.
Platz 7
Bestie Mensch
Jean Renoir | Frankreich | 1938
Bestie Mensch fußt auf einem Roman von Émile Zola und schildert den Niedergang eines Verdammten: Ein Lokführer leidet unter psychischen Störungen, verliebt sich in die falsche Frau und rutscht in eine Mordgeschichte hinein. Jean Renoir formt daraus aber keinen Thriller, sondern beschreibt den inneren Horror des Protagonisten, der keinen Ausweg aus seiner existenziellen Krise findet. Die finsteren Bilder spiegeln das Innenleben der Hauptfigur anschaulich wider und belegen ebenso wie der pessimistische Tonfall, dass Bestie Mensch zu den Vorläufern des Film Noir zählt.
Platz 6
Twentynine Palms
Bruno Dumont | Frankreich | 2003
Twentynine Palms zählt zu den seltenen Seherfahrungen, die geradezu körperlich spürbar sind. Bruno Dumont entwirft einen radikal reduzierten, existenzialistischen Albtraum: Er sperrt ein aufgrund einer Sprachbarriere dysfunktionales Paar in die menschenfeindliche kalifornische Wüste und schildert ihre Tage zwischen Wortlosigkeit und rüdem Sex. Inmitten der inneren wie äußeren Leere erscheint eine Flucht unmöglich, folglich reiht Dumont lediglich fragmentarische Episoden aneinander, ohne durch erzählerische Kompromisse eine Entwicklung oder einen Ausweg aufzuzeigen. Die latente Aggression und das archaische Setting münden in einem schockierenden Finale, das lange nachhallt.
Platz 5
Der Teufel mit der weißen Weste
Jean-Pierre Melville | Frankreich | 1962
Mit Der Teufel mit der weißen Weste drehte Jean-Pierre Melville ein Referenzwerk des Gangsterfilms. Wie in späteren Arbeiten inszeniert der Regisseur das Leben der Pariser Unterwelt mit großem Fatalismus und düsteren Bildern. Durch das komplexe Drehbuch – dem Lieblingsskript von Quentin Tarantino – erhält der Film einen besonderen Reiz: Die Erzählung verweigert uns den Überblick, sodass wir das Handeln der Gangster nie einordnen können. Gut und Böse verschwimmen, unsere Sympathien wechseln, Zusammenhänge ergeben sich (zu) spät. Erst im Finale offenbart Melville das Gesamtbild, um dann mit einem packenden Höhepunkt abzuschließen.
Platz 4
Am Rande des Rollfelds – La Jetée
Chris Marker | Frankreich | 1962
Am Rande des Rollfelds mag „nur“ ein Kurzfilm sein, doch Chris Markers experimentelles Zeitreisedrama besitzt ein Alleinstellungsmerkmal: Marker erzählt die Geschichte ausschließlich in Standbildern. Mit diesem Kunstgriff beseitigt der Regisseur das grundlegende Manko von Zeitreisefilmen (und dem Hollywood-Remake 12 Monkeys) – die Unveränderbarkeit der zeitlichen Wahrnehmung durch uns Zuschauer. Der Film transzendiert die Zuschauer-Zeit, die nicht länger bewegt erscheint und damit ihre Bedeutung verliert. Daher bilden Form und Inhalt in Am Rande des Rollfelds eine geschlossene Einheit, woraus ein rauschartiges Filmerlebnis entsteht.
Platz 3
Kinder des Olymp
Marcel Carné | Frankreich | 1945
Trotz haarsträubender Produktionsbedingungen unter der deutschen Besatzung beendete Marcel Carné den Poetischen Realismus mit einem Höhepunkt. Sein Meisterwerk Kinder des Olymp begeistert durch eine literarische Qualität: Das Drehbuch von Jacques Prévert glänzt durch fein ziselierte Dialogkaskaden und drei bemerkenswerte Figuren, die sich – jede auf ihre eigene Weise – in dieselbe Frau verlieben. Dabei verbindet Kinder des Olymp gekonnt Komödie und Tragödie, huldigt den Künsten und macht das Leben zur Bühne. Die letzte Kollaboration von Carné und Prévert ist ein Film für die Ewigkeit.
Platz 2
Irreversibel
Gaspar Noé | Frankreich | 2002
Der Skandalfilm von Gaspar Noé entfesselt ein filmisches Inferno und schockt mit drastischen Gewaltszenen, die durch die rückwärts verlaufende Szenenfolge eine ungewöhnliche Dynamik entfalten. Indem Irreversibel die Richtung von Ursache und Wirkung dreht, kann die Gewalt nicht abstrahiert werden; Noé zwingt uns dazu, filmische Gewalt und vermeintliches Heldentum zu hinterfragen, und evoziert durch die Unabwendbarkeit des Geschehens eine tiefschwarzen Fatalismus. Dabei erzeugt die meisterhafte Inszenierung durch ihre entfesselte Handkamera einen Strudel der Raserei, der eindrucksvoll illustriert, welche Kraft das Kino entwickeln kann.
Platz 1
Letztes Jahr in Marienbad
Alain Resnais | Frankreich | 1961
Letztes Jahr in Marienbad formulierte eine Einladung: Immer wieder aufs Neue dürfen wir dieses Monument der Filmgeschichte besuchen, uns in sein narratives Labyrinth begeben und stets neu entdecken. Das verwunschene Kurhotel und die ausschließlich aus Suggestionen bestehende Handlung aus der Feder von Alain Robbe-Grillet muten bei jeder Rückkehr anders an, denn Letztes Jahr in Marienbad lebt in besonderem Maße von der Imagination des Zuschauers. Die barocke Bilderflut und die hypnotische Orgelmusik leiten uns dazu an, unseren ganz eigenen Film zu sehen. Magischer kann Kino nicht sein.
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