Der Filmsucht-Kanon:
50 essenzielle Filme
Es gibt hier auf Filmsucht.org unzählige bewusst subjektiv geprägte Bestenlisten, doch bei der Auseinandersetzung mit dem Medium Film sollte es nicht nur darum gehen, den besten Filmen nachzujagen. Ein tiefgreifendes Verständnis der Filmkunst lässt sich nur durch eine Auseinandersetzung mit den einflussreichsten und herausforderndsten Werken der Kinogeschichte aufbauen.
Welche Filme zu diesem maßgeblichen Kanon gehören, liegt natürlich wieder im Auge des Betrachters. Ich habe meine Erfahrungen aus mehr als 6.000 gesehenen Werken in dieser Liste kanalisiert: 50 essenzielle Filme, die Geschichte schrieben, die Filmsprache weiterentwickelten und auch heute noch bahnbrechende Seherfahrungen ermöglichen.
Wie immer gilt: Die nachfolgende Auflistung kann per se nicht vollständig sein. Sie ist natürlich subjektiv geprägt und verkündet keine objektiven Wahrheiten.
Da es hier nicht um beste Filme geht, ist die Auflistung nicht als Ranking zu verstehen.
Weiterführende Gedanken zu dieser Liste:
Macht ein Kanon heutzutage überhaupt noch Sinn?
Man hat den Eindruck, Geschmack wird zunehmend subjektivistischer. Im Streamingzeitalter herrscht das Diktat der Konsumierbarkeit; Filme sind immer seltener ein kollektives Ereignis, an dem wir uns alle gemeinsam reiben, die wir diskutieren und ausdifferenzieren können. Stattdessen guckt – fremdgesteuerten von Algorithmen – jeder seins.
Das moderne Konsumverhalten treibt die Menschen auseinander – doch ohne gesellschaftliches Miteinander findet keine kritische Auseinandersetzung mehr statt, was wiederum den Verkauf minderwertiger Konsumprodukte einfacher macht.
Ein Kanon zielt auf das Gegenteil ab: Die technische, filmsprachliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung des Mediums wird auf einen Nenner gebracht und ergibt eine gemeinsame Idee davon, was Film ist und sein kann.
Diese Kollektivierung „wertvoller“ Filmerfahrungen negiert nicht das individuelle, subjektive Element der Filmliebhaberei. Ein Kanon bietet vielmehr überhaupt eine Grundlage, auf der persönliche Präferenzen und Entdeckungen aufbauen können, er schafft Orientierung und fördert das Verständnis für Qualitäten und die Filmhistorie.
Ob die Welt nun unbedingt noch einen Filmsucht-Kanon braucht? Wahrscheinlich nicht. Seit Jahren verweise ich auf die die 1.000 Filme umfassende Liste von They Shoot Pictures, Don’t They? und diverse andere fachkundige Listen.
Dennoch möchte ich auf dieser Website ein Gegengewicht zu den sehr subjektiven Bestenlisten etablieren (und bald noch durch eine zweite Liste ergänzen). Außerdem erreichen mich regelmäßig E-Mails und Nachfragen, welche Filme man nun wirklich sehen muss, bevor das Leben vorbei ist. Darauf habe ich nun die Antwort …
… die zwangsläufig immer unbefriedigend sein muss, da 50 essenzielle Filme schlichtweg zu wenig sind. Als Richtlinie wollte ich mich auf maximal zwei Filme pro Regisseur oder Strömung beschränken, um von vorneherein auszuschließen, die halbe Liste mit Kubrick, Bergman und Fassbinder zu füllen. Dennoch konnte ich weder Kenji Mizoguchi noch Satyajit Ray oder Samuel Fuller unterbringen, das schmerzt.
Andere absolut essenzielle Filmemacher wie David Lean oder François Truffaut habe ich bewusst außen vor gelassen, weil sie bei mir nicht so hoch im Kurs stehen – so viel zum Thema Subjektivismus. Auch indiskutable Meilensteine wie Citizen Kane oder Vertigo habe ich gestrichen, um wenigstens etwas Raum für eine persönlichere Auswahl zu gewinnen.
Aus der rund 200 Werke umfassenden Shortlist sind am Ende diese 50 essenziellen Filme übrig geblieben:
#50
Psycho
Alfred Hitchcock | 1960 | USA
Psycho zeigt Alfred Hitchcock auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft – mit seinem Meilenstein definierte der Brite das Horrorgenre neu. Gekonnt spielt der Regisseur mit dem voyeuristischen Blick des Publikums und siedelt den Schrecken im Alltag an. Dank der effektvollen Inszenierung, der ausgefeilten Dramaturgie und dem berühmten Score von Bernard Herrmann erzeugt Psycho eine nervenaufreibende Stimmung. Überdies bleiben die bemerkenswerten Twists und die viel zitierte Duschszene in Erinnerung.
#49
Spiel mir das Lied vom Tod
Sergio Leone | 1968 | Italien
Auf keinen Western passt der Begriff „Pferdeoper“ besser als auf Spiel mir das Lied vom Tod: Handlung und Figuren sind nur rudimentär angelegt, aber die brillante Inszenierung von Sergio Leone formt daraus ein Monument für die Ewigkeit. Die unerreichte Grandezza des Klassikers fußt auf einer enormen Szenenlänge und der unverwechselbaren Musik von Ennio Morricone, die Leone ebenso genial nutzt wie die gnadenlose Aura von Charles Bronson und Henry Fonda. Das führt zu einigen der ikonischsten Szenen in der Geschichte des Genres.
#48
Blade Runner
Ridley Scott | 1982 | USA
Aus einem kurzen Roman des visionären Sci-Fi-Autoren Philip K. Dick formte Drehbuchautor Hampton Fancher einen Meilenstein des Genres: Blade Runner überführt die typischen Merkmale des Film Noir – eine Großstadt als Handlungsort, eine pessimistische Weltsicht, Figuren mit unklaren Motiven – in ein stimmungsvolles Zukunftsszenario. Blade Runner begeistert mit tollem Setdesign und einem faszinierenden Plot, die größte Stärke des Films liegt allerdings in seinem existenzialistischen Kern – wie er anhand einer Detektivgeschichte tiefgehende Gedanken zum Wesen der Menschlichkeit anstellt, ist umwerfende Filmkunst.
#47
Außer Atem
Jean-Luc Godard | 1960 | Frankreich
Außer Atem zählt zu den einflussreichsten Werken der Kinogeschichte – und vielleicht zu den coolsten. Der Klassiker von Jean-Luc Godard brachte die Nouvelle Vague ins Rollen und kombiniert Referenzen auf das amerikanische Kino mit französischer Leichtigkeit. Das episodenhafte Erzählen, der Maßstäbe setzenden Schnitt und die lässige Ästhetik des schwarz-weißen Paris sorgen für großes Flair. Passend dazu versammelt Außer Atem eines der Traumpaare der Filmgeschichte: Jean-Paul Belmondo als Möchtegern-Bogart und die zauberhafte Jean Seberg bilden ein tolles Gespann.
#46
Taxi Driver
Martin Scorsese | 1976 | USA
Taxi Driver entwirft die bedrückende Charakterstudie eines Außenseiters, der im Großstadtdschungel New Yorks verloren geht. Am von Robert De Niro meisterhaft gespielten Travis Bickle illustriert Martin Scorsese die Entfremdung des Individuums von seiner Umgebung; Bickle kann sich nicht länger verständlich machen und gleitet in eine eigene Welt ab, bis seine Gewaltfantasien in die Wirklichkeit durchbrechen. Die eindringlichen Bilder und der fantastische Jazz-Score von Bernard Herrmann verleihen Taxi Driver eine entrückte Stimmung und ziehen uns unwillkürlich in Bickles kaputte Welt. Scorsese setzt das schmuddelige New York der Siebziger Jahre eindrucksvoll in Szene.
#45
Die sieben Samurai
Akira Kurosawa | 1954 | Japan
Mit seinem Epos Die sieben Samurai modernisierte Akira Kurosawa das japanische Kino, begründete das Genre des Actionfilms und beeinflusst Generationen nachfolgender Filmemacher. Wie sein Vorbild John Ford zieht Kurosawa ein groß angelegtes Spektakel auf und schickt seine Helden in ein ambivalentes Abenteuer: Der Film baut regelmäßig Spannung auf, entwickelt durch unterhaltsame Dialoge und humorvolle Szenen einen hohen Unterhaltungswert und fußt auf einem tragischen Fundament, das die Szenen mit Bedeutung auflädt. Die sieben Samurai imponiert durch tolle Schauspieler und eine effektvolle Inszenierung; er bietet aber noch weit mehr als das und nutzt die Action, um universelle Überlegungen zu moralischen und gesellschaftlichen Fragen anzustellen.
#44
Panzerkreuzer Potemkin
Sergei M. Eisenstein | 1925 | Russland
Der russische Propagandafilm Panzerkreuzer Potemkin revolutionierte die Sprache des Kinos: Der geniale Regisseur und Theoretiker Sergei M. Eisenstein entwickelte mit der Attraktionsmontage ein bahnbrechendes Gestaltungsmittel. Anhand des dynamischen und suggestiven Filmschnitts formt er die Geschichte der Entstehung und Niederschlagung des antizaristischen Aufstandes des Jahres 1905 zu einem wuchtigen Erlebnis, das die Filmgeschichte bis heute beeinflusst.
#43
Das Lächeln einer Sommernacht
Ingmar Bergman | 1955 | Schweden
Ausgerechnet mit einer Komödie gelang Ingmar Bergman der Durchbruch – Das Lächeln einer Sommernacht schildert die Ehen und Affären von einem halben Dutzend Figuren als ironischen Reigen der Eitelkeiten und Eifersüchte. Bergman inszeniert den Kampf der Geschlechter mit souveräner Leichtigkeit und kontrastiert die gehobenen Umgangsformen mit banalen Sünden. Die in feinen Dialogen vorgetragenen verbalen Gefechte der Protagonisten sorgen für einen hohen Unterhaltungswert, wie nebenbei stellt der Regisseur noch profunde Überlegungen zum Wesen der Liebe an. Die wunderschönen Schwarz-Weiß-Bilder sind an eine Komödie fast schon verschwendet.
#42
Briefe eines Toten
Konstantin Lopushansky | 1986 | Russland
Der russische Endzeitfilm Briefe eines Toten schildert auf bedrückende Weise den Alltag nach einem Atomkrieg. Konstantin Lopuschanski – ehemaliger Regieassistent von Andrei Tarkowski – setzt auf eine zurückhaltende Inszenierung der in Trümmern liegenden, zum Stillstand gekommenen Welt. Ein stimmungsvolles Setdesign und finstere Bilder mit bromfarbener Tönung sorgen für eine dichte Atmosphäre und einen gedrückten Tonfall. Der bleiernen Schwere trotzt Lopuschanski mit einem humanistischen Kern, der dem drohenden Strahlungstod einen fast schon naiven Hoffnungsschimmer entgegensetzt.
#41
Letztes Jahr in Marienbad
Alain Resnais | 1961 | Frankreich
Letztes Jahr in Marienbad formulierte eine Einladung: Immer wieder aufs Neue dürfen wir dieses Monument der Filmgeschichte besuchen, uns in sein narratives Labyrinth begeben und stets neu entdecken. Das verwunschene Kurhotel und die ausschließlich aus Suggestionen bestehende Handlung aus der Feder von Alain Robbe-Grillet muten bei jeder Rückkehr anders an, denn Letztes Jahr in Marienbad lebt in besonderem Maße von der Imagination des Zuschauers. Die barocke Bilderflut und die hypnotische Orgelmusik leiten uns dazu an, unseren ganz eigenen Film zu sehen. Magischer kann Kino nicht sein.
#40
Die Reifeprüfung
Mike Nichols | 1967 | USA
Auf dem Papier handelt es sich bei dem frühen New Hollywood-Film Die Reifeprüfung um eine romantische Komödie, dessen junger Held sich selbst finden muss, um seine große Liebe für sich zu gewinnen. Eigentlich rechnet der Film von Mike Nichols jedoch mit den Idealen der Fünfziger Jahre ab und kritisiert das gelangweilte Bürgertum. Der Film zeichnet sich durch einen enormen visuellen Einfallsreichtum aus und durch die legendäre Musik von Simon & Garfunkel. Nichols gelingt es, die kritischen und die komödiantischen Töne nahtlos zusammenzufügen und Dustin Hoffman überzeugt in seiner ersten Hauptrolle.
#39
Bestie Mensch
Jean Renoir | 1938 | Frankreich
Bestie Mensch fußt auf einem Roman von Émile Zola und schildert den Niedergang eines Verdammten: Ein Lokführer leidet unter psychischen Störungen, verliebt sich in die falsche Frau und rutscht in eine Mordgeschichte hinein. Jean Renoir formt daraus aber keinen Thriller, sondern beschreibt den inneren Horror des Protagonisten, der keinen Ausweg aus seiner existenziellen Krise findet. Die finsteren Bilder spiegeln das Innenleben der Hauptfigur anschaulich wider und belegen ebenso wie der pessimistische Tonfall, dass Bestie Mensch zu den Vorläufern des Film Noir zählt.
#38
Barfuß durch die Hölle
Masaki Kobayashi | 1959 | Japan
Der erste Teil der epochalen Barfuß durch die Hölle-Trilogie spielt abseits der Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges und steckt trotzdem voller Grauen. Masaki Kobayashi versetzt einen Pazifisten als Aufseher in ein Arbeitslager für Kriegsgefangene und konfrontiert ihn mit der unmöglichen Aufgabe, seine humanistische Ideale mit der Dienstpflicht in Einklang zu bringen. Barfuß durch die Hölle spielt dieses Dilemma mit größtmöglicher Wucht aus und hinterfragt das Menschsein im Angesicht des Unmenschlichen.
#37
Der Pate
Francis Ford Coppola | 1972 | USA
Der Pate markiert einen Gipfel der amerikanischen Kinogeschichte und vereint alle Vorzüge des klassischen Erzählkinos aus Hollywood. Wie der Erfolgsroman von Mario Puzo entwirft auch die Adaption eine detailreiche Innenansicht der Mafia, doch es ist vor allem die Inszenierung von Francis Ford Coppola, die aus dem guten Stoff einen überragenden Film macht – die makellose Regie fügt die üppige Ausstattung, die wunderschönen Bilder von Gordon Willis und die legendäre Musik von Nino Rota perfekt zusammen. Die Starbesetzung um Marlon Brando, Al Pacino und James Caan hebt die Figurenzeichnung auf ein höheres Level, die überragenden Darsteller sind die Seele des Films.
#36
Onibaba – Die Töterinnen
Kaneto Shindô | 1964 | Japan
Onibaba fängt das feudale Japan regelrecht apokalyptisch ein und schildert den täglichen Überlebenskampf zweier Frauen in einer Zeit des Krieges. Das Meisterwerk von Kaneto Shindô ist Horror- und Historienfilm, Melodram und Antikriegsparabel zugleich. Es vereint einen harschen Existenzialismus mit Bestandteilen des Genrekinos: Mordlustige Samurai, heimlicher Sex und wütende Dämonen sorgen für Spannung und eine große Ambivalenz. Die betörenden Schwarz-Weiß-Bilder erzeugen durch ihre Symbolhaftigkeit eine magische Stimmung.
#35
Asche und Diamant
Andrzej Wajda | 1958 | Polen
Asche und Diamant nimmt eine niederschmetternde Bestandsaufnahme Polens nach dem Zweiten Weltkrieg vor und schildert nachfühlbar, wie Einwohner und Volksseele des Landes zwischen den deutschen und russischen Besatzern zermalmt werden. Anhand einer Rahmenhandlung um ein politisches Attentat baut Andrzej Wajda Spannung auf und bricht die nationale Tragödie auf persönliche Einzelschicksale herunter, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Die allumfassende Tristesse setzt der Regisseur mit ansehnlichen Bildern und trauriger Ironie in Szene.
#34
Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen
Robert Bresson | 1956 | Frankreich
Mit Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen drehte Robert Bresson einen der besten Gefängnisfilme und entwickelte die Sprache des Kinos weiter. Der Autorenfilmer brach mit erzählerischen Standards, reduzierte Form und Inhalt so stark wie möglich und spaltete die Bild- von der Tonebene ab. Damit schuf der Regisseur ein transzendentes Werk: Die Betonung des Oberflächlichen impliziert eine unsichtbare, bei Bresson stets spirituelle Ebene – sein Film setzt sich mit dieser verborgenen Kraft auseinander und unternimmt den Versuch, das Unfassbare fassbar zu machen.
#33
Die schwarze Narzisse
Powell & Pressburger | 1947 | Großbritannien
Im britischen Klassiker Die schwarze Narzisse übernimmt eine Delegation von Nonnen ein Kloster im Himalaya. Was wie ein Abenteuerfilm beginnt, wandelt sich zum Melodram und mündet in lupenreinem Horror; diese nahtlose Genre-Melange wird durch eine feine Charakterzeichnung und ein exzellentes Ensemble ermöglicht. Das Autorenfilmerduo Powell & Pressburger zaubert wie gewohnt mit dem Technicolor und präsentiert den durch fantastische Matte Paintings erweiterten (Studio-)Himalaya bildgewaltig. Die beiden Filmemacher formen aus der exotischen Stimmung, einer untergründigen sexuellen Spannung und langsam gärendem Wahnsinn ein Meisterwerk.
#32
Am Rande des Rollfelds – La Jetée
Chris Marker | 1962 | Frankreich
Am Rande des Rollfelds mag „nur“ ein Kurzfilm sein, doch Chris Markers experimentelles Zeitreisedrama besitzt ein Alleinstellungsmerkmal: Marker erzählt die Geschichte ausschließlich in Standbildern. Mit diesem Kunstgriff beseitigt der Regisseur das grundlegende Manko von Zeitreisefilmen (und dem Hollywood-Remake 12 Monkeys) – die Unveränderbarkeit der zeitlichen Wahrnehmung durch uns Zuschauer. Der Film transzendiert die Zuschauer-Zeit, die nicht länger bewegt erscheint und damit ihre Bedeutung verliert. Daher bilden Form und Inhalt in Am Rande des Rollfelds eine geschlossene Einheit, woraus ein rauschartiges Filmerlebnis entsteht.
#31
Das Wort
Carl Theodor Dreyer | 1955 | Dänemark
Das Wort offenbart, warum Carl Theodor Dreyer zu den großen Formalisten des Kinos zählt. Der dänische Regisseur reduziert den Film mit statischen Einstellungen und niedriger Schnittfrequenz auf die wesentlichsten Bestandteile; die wirkungsvolle Mise en Scène verleiht den Bildern etwas Gemäldeartiges. Die Strenge der Kompositionen erschafft eine Welt, in der etwas fehlt – damit legt Dreyer das Fundament für eine Reflexion über sein religiöses Sujet. Dennoch ist Das Wort ein erstaunlich unterhaltsamer Film voller Lebendigkeit, Spannung und Humor. Das legendäre Finale transzendiert den Stoff dann endgültig und belegt die Einzigartigkeit von Dreyers Werk.
#30
Der Leopard
Luchino Visconti | 1963 | Italien
Das dreistündige Sittengemälde Der Leopard gewann 1963 die Goldene Palme in Cannes. Basierend auf dem Roman von Giuseppe di Lampedusa erzählt Luchino Visconti vom Fürsten Salina, der seine Familie durch die stürmischen Zeiten des 19. Jahrhunderts manövriert. Dem Regisseur gelingt es, das Innenleben des Protagonisten – seine Zweifel, seine Wehmut, sein Verantwortungsgefühl – spürbar zu machen und nebenbei die historischen Entwicklungen Italiens zu dokumentieren. Dabei beeindruckt Der Leopard durch schiere Opulenz, die aus den imposanten Cinemascope-Bildern der sizilianischen Landschaft, dem prächtigen Produktionsdesign und der Musik von Nino Rota entsteht.
#29
Tokio in der Dämmerung
Yasujirō Ozu | 1957 | Japan
Unter den vielen großen Dramen von Yasujirō Ozu ist Tokio in der Dämmerung das finsterste. Der Meisterregisseur bleibt seinen stilistischen Grundsätzen treu, setzt allerdings stärker als sonst auf dramatische Effekte und überrascht mit einem ungewohntem Pessimismus. Passend dazu kleidet Ozu das grimmige Geschehen in erlesene Schwarz-Weiß-Bilder, die das winterliche Tokio noch trister aussehen lassen. Die Unerbittlichkeit, mit der Tokio in der Dämmerung Themen wie die familiäre Entfremdung und das anonyme Großstadtleben beschreibt, ist einzigartig in Ozus Filmografie.
#28
Sein oder Nichtsein
Ernst Lubitsch | 1942 | USA
Sein oder Nichtsein zählt zu den bemerkenswertesten Komödien der Filmgeschichte und fabuliert einen herrlich abstrusen Plot über eine polnische Theatertruppe, die plötzlich nicht nur auf der Bühne, sondern auch im echten Leben Nazis spielen muss. Der Film lebt vom Genie Ernst Lubitschs, der Tempo, Timing und treffsichere Dialoge auf unverwechselbare Weise vereint und den Nationalsozialismus bereits 1942 präzise aufs Korn zu nehmen wusste. Doch Humor ist nicht alles – Sein oder Nichtsein erzeugt in der zweiten Filmhälfte eine unerwartete Spannung; selten liegen Thriller und Komödie so dicht zusammen.
#27
Blue Velvet
David Lynch | 1986 | USA
In vielerlei Hinsicht steigerte David Lynch in Blue Velvet das Erfolgsrezept seiner Kultserie Twin Peaks: Erneut entlarvt der Filmemacher den Horror hinter der Fassade einer malerischen Kleinstadt, allerdings verzichtet der Film auf den skurrilen Humor der Serie und forciert stattdessen blankes Entsetzen. Dazu trägt besonders Dennis Hopper als gewalttätiger Psychopath bei, der jede seiner Szenen in einen Albtraum verwandelt. Neben der durchweg exzellenten Besetzung (Kyle MacLachlan, Laura Dern, Isabella Rossellini) und der Musik von Angelo Badalamenti begeistern die ansehnlichen Bilder und die durchweg bedrohliche Stimmung.
#26
Dr. Mabuse, der Spieler
Fritz Lang | 1922 | Deutschland
Im ersten seiner drei Mabuse-Filme verankert Fritz Lang eine mitreißende Kriminalgeschichte in einem Sittengemälde der Weimarer Republik. Trotz einer Länge von viereinhalb Stunden besitzt Dr. Mabuse, der Spieler einen enormen Unterhaltungswert, da die moderne Inszenierung und die ausgezeichnete Dramaturgie die Spannung hochhalten und die Vielzahl an Figuren und Schauplätzen für Abwechslung sorgt. Zudem profitiert das Stummfilmepos von seinem titelgebenden Bösewicht, der durchweg faszinierend bleibt und die Superschurken der Bond-Filme vorwegnahm.
#25
2001: Odyssee im Weltraum
Stanley Kubrick | 1968 | Großbritannien, USA
2001: Odyssee im Weltraum zählt zu den Meilensteinen der Kinogeschichte und ist wohl der einflussreichste Science-Fiction-Film. Stanley Kubrick definierte das Genre neu und verlieh ihm eine bis dahin ungeahnte Seriosität. Sein Epos setzte technische Maßstäbe – die Effekte und die Musik prägten das Genre – und sprengte mit seiner Millionen Jahre umfassenden Geschichte erzählerische Maßstäbe. Das Produktionsdesign. Die Konsequenz von Kubricks Vision enthebt den Film gewöhnlicher Maßstäbe, hält ihn ambivalent und somit zeitlos – 2001: Odyssee im Weltraum bietet auch heute noch eine wuchtige Filmerfahrung.
#24
Die Frau in den Dünen
Hiroshi Teshigahara | 1964 | Japan
Drei Genies auf dem Höhepunkt ihres Könnens prägten Die Frau in den Dünen: Der Autor Kōbō Abe, der Regisseur Hiroshi Teshigahara und der Komponist Tōru Takemitsu schufen einen Höhepunkt der Japanischen Neuen Welle. Teshigaharas Werk entzieht sich den Konventionen des Kinos und bietet ein einmaliges Filmerlebnis: Die parabelhafte Geschichte, die expressiven Bilder und die ungewöhnliche Musik entwickeln eine hypnotische Wirkung. Da sich Die Frau in den Dünen vielfältig interpretieren lässt und dabei in sich geschlossen bleibt, wohnt ihm eine zeitlose Faszination inne.
#23
Fahrraddiebe
Vittorio De Sica | 1948 | Italien
Fahrraddiebe ist ein Schlüsselwerk des Italienischen Neorealismus. Aus einem schlichten Szenario – ein Mann und sein kleiner Sohn suchen in den Straßen Roms nach einem gestohlenen Fahrrad – entwickelt Regisseur Vittorio De Sica eine Odyssee durch die menschliche Seele. Fahrraddiebe beeindruckt durch eine schnörkellose Erzählweise, die vornehmlich die Bilder sprechen lässt und eine ergreifende Wahrhaftigkeit etabliert. De Sicas Meilenstein verknüpft alltägliche Details mit großen Themen und erzeugt durch diesen Kontrast eine ungewöhnliche Dramatik. Er entwirft ein bemerkenswertes Bild seiner Zeit und bleibt zugleich aufgrund seiner universellen Inhalte zeitlos.
#22
Strafpark – Punishment Park
Peter Watkins | 1971 | USA
Die Mockumentary Punishment Park ist ein Höhepunkt subversiven Filmemachens. Regisseur Peter Watkins kanalisiert die Wut der Vietnam-Ära in eine Anklage gegen staatlichen Machtmissbrauch. Durch den Verzicht auf die Konventionen des Spielfilms entfaltet seine politische Parabel eine enorme Wucht und spricht uns gleichermaßen auf einer intellektuellen wie auf einer emotionalen Ebene an. Aufgrund der universellen Themen und der effektvollen Inszenierung hält sich Punishment Park zeitlos; auch Watkins‘ nebenher stattfindende Auseinandersetzung mit der Unmöglichkeit medialer Objektivität ist heute aktueller denn je.
#21
Hafen im Nebel
Marcel Carné | 1938 | Frankreich
Hafen im Nebel zählt zu den Höhepunkten des französischen Vorkriegskinos und verhandelt die typischen Themen des Poetischen Realismus – die individuelle Suche nach Glück und den Widerstand gegen ein übermächtiges Schicksal. Regisseur Marcel Carné und Kameramann Eugen Schüfftan verwandeln die Hafenstadt Le Havre in eine übersteigerte Trübsinnsversion ihrer selbst; ihre Melancholie durchdringt alles Handeln der Figuren, ihr Pessimismus nimmt den Film Noir vorweg. Wie in der Schwarzen Serie herrscht eine Sehnsucht nach fernem Glück, doch wer davon kostet, bezahlt immer einen Preis.
#20
Aguirre, der Zorn Gottes
Werner Herzog | 1972 | Deutschland
Aguirre, der Zorn Gottes markiert die erste Zusammenarbeit von Werner Herzog und Klaus Kinski und entwickelte sich zu einem großen internationalen Erfolg für den Neuen Deutschen Film. Herzog transzendiert den Mythos des Abenteuerfilms zu einem kontemplativen Fiebertraum und stürzte sich dafür in einen produktionstechnischen Gewaltakt, der sich unmittelbar im Endergebnis widerspiegelt und eine rohe Poesie ermöglicht. Getragen von den elegischen Bildern, einer eigentümlichen Musik und der Präsenz Klaus Kinskis, entwickelt Aguirre, der Zorn Gottes einen magischen Sog.
#19
Harakiri
Masaki Kobayashi | 1962 | Japan
Unter dem Vorwand eines rituellen Selbstmordes entwickelt der japanische Samuraifilm Harakiri ein fesselndes Vexierspiel: Wie in einem Krimi legt der Klassiker von Masaki Kobayashi mittels einer ausgeklügelten Rückblendenstruktur nach und nach seine Geheimnisse offen. Aus den Volten der Geschichte zieht Masaki Kobayashi das größtmögliche Suspense – zum Ende des Films könnte jeder Dialog eine Gewalteruption verursachen. Die elegische Inszenierung und das eindringliche Spiel von Hauptdarsteller Tatsuya Nakadai runden das Meisterwerk ab.
#18
Der zweite Atem
Jean-Pierre Melville | 1966 | Frankreich
Jean-Pierre Melvilles epische Gangsterballade Der zweite Atem drängt eine Riege grandioser Charakterdarsteller um Lino Ventura zu einem tödlichen Katz- und Mausspiel. Aufgrund der kühlen Inszenierung gewinnen die Morde und Überfälle eine erschreckende Brutalität; trotz ihrer kompromisslosen Vorgehensweise romantisiert Melville seine Protagonisten jedoch und macht sie zu Getriebenen von abstrakten Ehrbegriffen und eines übermächtigen Schicksals. Melville schildert ihren Niedergang hochelegant, aber aufs Wesentliche konzentriert. Tristen Großstadtpanoramen gebären einen omnipräsenten Fatalismus: In Der zweite Atem hat niemand etwas zu gewinnen außer einem würdevollen Abgang.
#17
Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen
Nicholas Ray | 1954 | USA
1954 produzierte die B-Movie-Schmiede Republic mit wenig Geld einen Meilenstein. Nicholas Ray nutzt das Western-Genre als Folie für ein überlebensgroß inszeniertes Melodram, dessen Triebmittel sexuelle Neurosen und blanker Hass sind. Die Regisseure der Nouvelle Vague verehrten Ray, weil er den Western transzendiert: Mit billigen Studiokulissen und leuchtendem Technicolor überhöht er das Geschehen ins Theaterhafte und erzeugt einen maximal verdichteten Über-Western. Trotz eines kleinen Budgets ist Johnny Guitar ein gewaltiger Film.
#16
Das süße Leben – La Dolce Vita
Federico Fellini | 1960 | Italien
Das süße Leben zählt zu den zentralen Filmen im Werk von Federico Fellini und gewann 1960 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes. In seinem Opus Magnum schildert der Ausnahmeregisseur das bedeutungsleere Leben der römischen Schickeria und die Sensationslust der Medien daran. Dabei wechselt Fellini gekonnt den Tonfall: Leichtfüßige Ironie, banale Nichtigkeiten und bittere Tragik fließen nahtlos ineinander. Die todschicken Schwarz-Weiß-Bilder bleiben ebenso in Erinnerung wie die energiegeladenen Auftritte von Marcello Mastroianni und Anita Ekberg.
#15
Rom, offene Stadt
Roberto Rossellini | 1945 | Italien
Rom, offene Stadt zählt zu den essenziellen Werken des Italienischen Neorealismus und begleitet drei Hauptfiguren über fünf Tage hinweg durch das von Nazideutschland besetzte Rom des Jahres 1943. Dafür greift Rom, offene Stadt auf eine bei späteren Vertretern der Strömung untypische Melodramatik zurück, die ihre Wirkung nicht verfehlt und eine eindringliche Botschaft formuliert. Die in zwei Teile gegliederte Erzählstruktur ermöglicht einerseits ambivalente Figuren und eine große Wahrhaftigkeit und realisiert andererseits das dramatische Potenzial des Themas.
#14
Solaris
Andrei Tarkowski | 1972 | Russland
In Solaris nimmt uns der russische Meisterregisseur Andrei Tarkowski mit auf philosophische Reise in den Weltraum. Am Ort der Handlung – einer heruntergekommenen Raumstation – angekommen, entwickelt der Film eine beklemmende Stimmung und hält uns mit seinem mysteriösen Plot lange im Ungewissen. Im weiteren Verlauf tauscht Tarkowski den psychologischen Horror gegen existenzielle Fragestellungen und denkt über das Wesen der Menschheit nach. Die Vielschichtigkeit von Solaris lädt ebenso zum wiederholten Schauen ein wie die schwerelose Kamera und die atmosphärische Musik von Eduard Artemjew.
#13
Floating Clouds
Mikio Naruse | 1955 | Japan
Das meisterhafte Melodram von Mikio Naruse schildert eine konfliktbeladene Liebesbeziehung im Nachkriegsjapan. Die Hassliebe der beiden Protagonisten erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren, die der Film effektvoll verdichtet. Dem Regisseur gelingt es hervorragend, ein Gefühl für das unsichtbare Band zwischen den Hauptfiguren zu vermitteln – sie können nicht voneinander lassen, aber auch nicht miteinander leben. Naruses tiefgehendes Verständnis für menschliche Emotionen verleiht Floating Clouds eine zeitlose Allgemeingültigkeit.
#12
Die 120 Tage von Sodom
Pier Paolo Pasolini | 1975 | Italien
Die 120 Tage von Sodom ist der große Schandfleck der Kinogeschichte: Auf Basis der pornografischen Erzählung des Marquis de Sade entwarf das Enfant terrible Pier Paolo Pasolini eine grausame Illustration faschistischer Umtriebe. In einer zweistündigen Tour de Force reiht der italienische Regisseur mannigfaltige Arten menschlicher Gewaltakte aneinander und nutzt dafür eine filmische Form, die jegliche Abstraktion verhindert – Pasolini zwingt sein Publikum zum Hinsehen, ohne Voyeurismus als Ventil zu erlauben. Damit gelang dem kurz darauf ermordeten Filmemacher ein zeitloses politisches Manifest, das weder Läuterung noch Katharsis zulässt.
#11
Nosferatu, eine Symphonie des Grauens
F. W. Murnau | 1922 | Deutschland
100 Jahre nach seiner Uraufführung vermag Nosferatu uns nicht mehr zu erschrecken, seine Faszination hat sich der Stummfilm von F. W. Murnau jedoch bewahrt: Als typischer Vertreter des Expressionismus bezaubert der Klassiker mit ansehnlichen Bildkompositionen. Murnaus kompetente Inszenierung erzeugt eine verwunschene Stimmung, die sich auf Bram Stokers zeitlosen (und ohne Lizenzierung verwendeten) Dracula-Stoff stützt. Einmalig ist hingegen die markante Erscheinung des Vampirs, die inzwischen längst zur Ikonografie des Horrorgenres zählt.
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#10
Ringo
John Ford | 1939 | USA
John Ford drehte 1939 den maßgeblichen Western seiner Zeit: Ringo verpasste dem bis dato aus B-Movies bestehenden Genre einen seriösen Unterbau. Ford nutzt eine durch diverse Zwischenfälle bedrohte Postkutschenfahrt, um anhand archetypischer Figuren die Ideale und Motive der amerikanischen Gesellschaft zu hinterfragen – im Angesicht der Gefahr entblößen die Protagonisten nach und nach ihre Vorurteile und Wertesysteme. In Ringo arbeitete der Regisseur zum ersten Mal mit John Wayne zusammen, dem so der Durchbruch gelang – der Beginn einer legendären Kollaboration, die 23 weitere Filme umfasst.
#9
Händler der vier Jahreszeiten
Rainer Werner Fassbinder | 1972 | Deutschland
Händler der vier Jahreszeiten läutete das Hauptwerk von Rainer Werner Fassbinder ein und wurde zum Archetyp für spätere Arbeiten. Der Autorenfilmer passte seinen Stil an und erzielte so den erhofften Durchbruch beim breiten Publikum. Anhand eines unter den Ansprüchen seiner Mitmenschen leidenden Obsthändlers entwirft Fassbinder das Bild einer bürgerlichen Gesellschaft voller Zwänge und Ressentiments, die nur funktioniert, indem sich die Menschen gegenseitig ausbeuten. Wer sich dem System nicht unterwirft, wird daraus entfernt.
#8
Frau ohne Gewissen
Billy Wilder | 1944 | USA
Frau ohne Gewissen vereint das gesamte Vokabular des Film Noir in sich: In dem klassischen Plot (der drei genialen Autoren James M. Cain, Raymond Chandler, Billy Wilder) stiftet eine Femme fatale einen Versicherungsvertreter zum Mord an ihrem Ehemann an. Dafür nutzt der Film eine typische Rückblendenstruktur und etabliert über die schlagkräftigen Dialoge einen großen Fatalismus. Auch aufgrund der ausdrucksstarken Low-Key-Beleuchtung ist die Sünde der Protagonisten jederzeit greifbar. Dank der großartigen Schauspieler (Barbara Stanwyck und Fred MacMurray) sowie Billy Wilders mitreißender Inszenierung fesselt Frau ohne Gewissen von der ersten bis zur letzten Szene.
#7
Stalker
Andrei Tarkowski | 1979 | Russland
Stalker verkörpert die ganze Magie des Kinos. Der Klassiker von Andrei Tarkowski spielt in der mythischen „Zone“, einem von Außerirdischen durcheinandergebrachten Landstrich, dessen besondere Stimmung der Regisseur in prächtigen Naturbildern einfängt. Da die „Zone“ voller unsichtbarer Gefahren steckt, erzeugt der russische Klassiker eine untergründige Spannung. Über die tiefsinnigen Dialoge der drei gegensätzlichen Figuren entwickelt sich die Reise durch die „Zone“ zur Selbsterkundung – bevor die Protagonisten den sagenhaften „Raum der Wünsche“ finden können, müssen sie sich selbst finden. Diese Entdeckungstour bietet ein überwältigendes Filmerlebnis.
#6
Die Nacht
Michelangelo Antonioni | 1961 | Italien
Die Nacht ist der zweite Teil von Michelangelo Antonionis Entfremdungstrilogie und schildert einen Tag im Leben eines Paares, dessen Ehe schon lange erkaltet ist. Der Filmemacher verzichtet auf offene Konflikte, stattdessen illustriert er das erstarrte Leben der Protagonisten mit großer Subtilität. Mittels der ansehnlichen, aber kalten Bilder, der abweisenden Mailänder Architektur und der tristen Stimmung spiegelt der Film das Innenleben seiner Figuren wider. Die Nacht verfügt über eine exzellente Besetzung (Marcello Mastroianni, Jeanne Moreau, Monica Vitti) und schafft mit seiner Lakonie ein Bewusstsein für die Vergänglichkeit des Lebens.
#5
Apocalypse Now
Francis Ford Coppola | 1979 | USA
Mit Apocalypse Now brach Francis Ford Coppola die Konventionen des Antikriegsfilms auf: Lose auf Joseph Conrads Literaturklassiker Herz der Finsternis basierend, treibt der Film die Soldaten wie in einem Road-Movie durch ein fiebriges Vietnam-Wunderland. Insbesondere in der Redux-Fassung mutiert der Krieg zur irrsinnigen Oper, der gigantische Produktionsaufwand ermöglichte überwältigende Bilder und eine hypnotische Stimmung. Das herausragende Darsteller-Ensemble um Martin Sheen und Marlon Brando rundet das rauschhafte Filmerlebnis ab.
#4
Casablanca
Michael Curtiz | 1942 | USA
Casablanca zählt zu den größten Klassikern der amerikanischen Kinogeschichte: Michael Curtiz verbindet Romantik und Dramatik, Hoffnung und Pessimismus, Pathos, Kriegspropaganda und Hollywoodglanz zu einem zeitlosen Epos. Getragen von der internationalen Spitzenbesetzung um Humphrey Bogart und Ingrid Bergman beschwört der Film eine Utopie, deren Protagonisten ihre persönlichen Belange einem Ideal unterordnen. Das Drehbuch strotzt nur so vor memorablen Dialogen und bemerkenswerten Figuren; obwohl sich das Geschehen über weite Strecken in der Schwebe befindet, reiht das Skript zahlreiche Höhepunkte aneinander. Das legendäre Finale bestätigt noch einmal: Casablanca ist ein Klassiker für die Ewigkeit.
#3
In the Mood for Love
Wong Kar-Wai | 2000 | Hongkong
Der immer wieder zu den besten Werken des 21. Jahrhundert gezählte In the Mood for Love ist ein Liebesfilm ohne sichtbare erotische Annäherung – die Protagonisten bleiben gemeinsam einsam, weil ihr Beisammensein in einem sozial und architektonisch repressiven Hongkong des Jahres 1962 von vorneherein aussichtslos erscheint. Dabei verzichtet Wong Kar-wai auf eine konkrete Erzählung und reiht lose Momentaufnahmen aneinander; dennoch entwickelt In the Mood for Love einen enormen Sog. Das kunstvolle Produktionsdesign, die betörenden Bilder und das Charisma von Maggie Cheung und Tony Leung verleihen dem Film eine zeitlose Eleganz.
#2
Moderne Zeiten
Charles Chaplin | 1936 | USA
Moderne Zeiten zeigt Charlie Chaplin auf dem Höhepunkt seines Könnens: Der späte Stummfilm markiert den letzten Auftritt des legendären Tramps und konfrontiert ihn mit dem industrialisierten Kapitalismus. Dies führt insbesondere in der ersten Filmhälfte zu urkomischem Slapstick, wenn Chaplins Held das Geschehen einer Fabrik auf den Kopf stellt; dahinter steckt jedoch eine Anklage gegen eine Welt, die nur noch nach Profit und Leistung strebt, dabei aber immer unmenschlicher und kälter gerät. Die zweite Filmhälfte bildet dazu einen Gegenpol und formuliert ein emotionales Plädoyer für das menschliche Miteinander.
#1
Ekel
Roman Polanski | 1965 | Großbritannien
Ekel ist ein Meisterwerk des psychologischen Horrors und der erste Film in Roman Polanskis Mieter-Trilogie. Er schildert einige Tage aus dem Leben einer Frau, die sich in ihrer Wohnung verbarrikadiert und mit inneren Dämonen kämpft. Der Regisseur inszeniert den schleichenden Wandel der Protagonistin subtil: Stück für Stück bricht er die alltägliche Normalität auf, bis sie sich in einen surrealen Albtraum verwandelt. Dabei profitiert der Film enorm von Hauptdarstellerin Catherine Deneuve, die überragend spielt.
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