Die 30 besten Filme
von 1950 bis 1959
Die Fünfziger Jahre fungierten für die Filmwelt als Übergangsphase. Insbesondere in den Vereinigten Staaten standen dem Studiosystem durch Politik, Zeitgeist und das Fernsehen große Umwälzungen bevor, sodass die Studios massiv um ihre Relevanz kämpfen mussten. Weniger, aber aufwendigere Produktionen waren die Folge und führten zu einer Reihe von Meisterwerken, bevor das System zerbrach.
Auch in Ländern wie Frankreich und Japan erreichte das Studiokino seinen Zenit und erlaubte es einigen der größten Regisseure der Kinogeschichte, binnen weniger Jahre mehrere Meisterwerke in Serie zu drehen. Viele davon finden sich in der folgenden Bestenliste wieder.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Die Fünfziger Jahre waren ein fantastisches Film-Jahrzehnt, deshalb konnte ich bei weitem nicht alle tollen Werke berücksichtigen. Einige sollen zumindest kurz genannt werden:
Zunächst einmal waren die Fünfziger Jahre ein hervorragendes Jahrzehnt für den klassischen Western. Tolle Vertreter wie Vierzig Gewehre, Warlock, Rio Bravo und Über den Todespass haben die Bestenliste nur knapp verpasst.
Bleiben wir in den Vereinigten Staaten – auch der Film Noir entwickelte sich prächtig. Die Filme der Schwarze Serie wurden zunehmend härter und düsterer. Beispiele dafür liefern Die Rechnung ging nicht auf, Polizei greift ein, Dein Schicksal in meiner Hand und Polizeirevier 21. Erwähnt werden müssen auch der Zug-Noir Um Haaresbreite, der Farb-Noir Niagara sowie der noireske Sci-Fi-Klassiker Die Dämonischen.
Das Hollywood-Kino der Fünfziger hat noch mehr zu bieten: Stanley Kubricks Antikriegsfilm Wege zum Ruhm, Billy Wilders Stalag 17, der moralischen Klassiker Die 12 Geschworenen, der weitsichtigen Medienschelte Ein Gesicht in der Menge, dem britisch-amerikanische Antikriegsfilm Die Brücke am Kwai und den beiden hervorragenden Melodramen Eine Handvoll Hoffnung und Land ohne Männer.
Außerdem dürfen wir Alfred Hitchcock nicht vergessen, aus dessen amerikanischer Phase Das Fenster zum Hof, Vertigo und Der Mann, der zuviel wusste sehenswert sind.
In Japan gelten die Fünfziger Jahre als goldene Ära, weil mehrere große Regisseure ihren Zenit erreichten. Für Akira Kurosawas Bilanz eines Lebens, Yasujirō Ozus Die Reise nach Tokio sowie drei Werke von Kenji Mizoguchi (Sansho Dayu, Ugetsu, Das Leben der Frau Oharu sowie Die Straße der Schande) blieb leider kein Platz mehr. Auch das den Zeitgeist prägende Jugenddrama Crazed Fruit ist eine Entdeckung wert.
In Europa setzte der Italienische Neorealismus seinen Siegeszug fort, besonders Die Schwindler, Der falsche General und Umberto D. sind eine Entdeckung wert. Weitere lohnenswerte Klassiker aus Italien sind die Antikriegs-Tragikomödie Man nannte es den großen Krieg und die Dostojewski-Adaption Weiße Nächte.
Zu den weiteren europäischen Klassikern auf dem fiktiven 31. Platz zählen der polnische Vertreter Eine Generation, der britische Kriminalfilm Das Mädchen Saphir, die beiden deutschen Werke Die Brücke und Des Teufels General sowie drei großartige französische Filme: Hiroshima mon amour, Fahrstuhl zum Schafott und Lohn der Angst. Der große Ingmar Bergman schließt den Blick auf Europa ab – seine Arbeiten Das siebente Siegel, Wilde Erdbeeren und Das Gesicht lohnen sich.
Doch auch abseits der großen Kinonationen gibt es viel zu entdecken. Deshalb sollen zum Abschluss noch die ägyptischen Klassiker Tatort Hauptbahnhof Kairo und Der Ruf des Brachvogels sowie Das Musikzimmer aus Indien und sowie der koreanische Vertreter Madame Freedom genannt werden.
Kommen wir nun zu den 25 besten Filmen der Fünfziger Jahre:
Platz 30
Bei Anruf Mord
Alfred Hitchcock | 1954 | USA
In Bei Anruf Mord beschäftigt sich Alfred Hitchcock einmal mehr mit seinem Lieblingsthema: dem perfekten Mord. Er inszeniert die Adaption eines Broadway-Stücks als perfides Kammerspiel und beobachtet mit dem amüsierten Blick des Voyeurs, ob und wie sich der Täter aus der Affäre zieht. Ray Milland spielt den Schurken hinreißend, was den Film zu einem diabolischen Vergnügen macht – weil Millands Figur nicht gänzlich unsympathisch ist, bereitet es großen Spaß, ihm beim Herauswinden zuzusehen. Hitchcock zieht eine enorme Spannung aus der Reduktion des Szenarios und konnotiert die heikle Situation des Protagonisten mit süffisantem Augenzwinkern.
Platz 29
Die Vergessenen
Luis Buñuel | 1950 | Mexiko
Mit dem schonungslosen Sozialdrama Die Vergessenen gewann Luis Buñuel den Regiepreis in Cannes, sorgte aber auch für Kontroversen. Der Regisseur zeigt das Leben einer Gruppe von Kindern aus der Armutsschicht, die ihre Tage in den Straßen von Mexiko-Stadt verbringen. Der 80 Minuten kurze Meilenstein des mexikanischen Kinos ist deutlich durch den Italienischen Neorealismus geprägt und zeigt das Elend und die Perspektivlosigkeit der Kinder ohne erzählerische Schnörkel. Buñuel entwirft so eine wütende Anklage voller dramatischer Szenen, der omnipräsente Pessimismus macht Die Vergessenen auch heute noch zu einer eindringlichen Filmerfahrung.
Platz 28
Im Zeichen des Bösen
Orson Welles | 1958 | USA
Im Zeichen des Bösen markiert den Endpunkt des klassischen Film Noir. Der Theaterliebhaber Orson Welles legte sein Werk wie ein shakespearesches Drama an und steigerte die Schwarze Serie auf das größtmögliche Maß, was sich besonders in der Figurenzeichnung bemerkbar macht. Die grandiose Kameraarbeit und der pessimistischen Tonfall etablieren eine neurotische Stimmung, in besonderer Erinnerung bleiben die legendäre Plansequenz zu Beginn des Films und die gigantische Präsenz von Orson Welles als Antagonist.
Platz 27
Der Fremde im Zug
Alfred Hitchcock | 1951 | USA
Der Fremde im Zug bringt die typischen Motive von Alfred Hitchcock auf den Punkt: Die Patricia Highsmith-Verfilmung verwickelt einen Unschuldigen in eine Mordgeschichte, baut dabei eine große Spannung auf und versetzt das Geschehen untergründig mit schwarzem Humor. Als Motor der Geschichte dient einer der markantesten Bösewichte in Hitchcocks Schaffen – ein Psychopath mit Mutterkomplex und Vaterhass. Hitchcock setzt dessen Missetaten in ansehnlichen Bildern und mit effektvollen inszenatorischen Tricks um.
Platz 26
Der Kanal
Andrzej Wajda | 1957 | Polen
Mit Der Kanal schloss Andrzej Wajda seine mit Eine Generation und Asche und Diamant begonnene Kriegsfilmtrilogie ab. Der Film spielt 1944 und zeigt den Zusammenbruch des Warschauer Aufstands: Die Partisanen sind der deutschen Wehrmacht hoffnungslos unterlegen und ziehen sich in die Kanalisation der Stadt zurück. Hier spielt ein Großteil der Handlung, was Der Kanal einzigartig macht – die beengten Gänge, das ständige Flüstern und die unsichtbare Bedrohung durch die Nazis sorgen für eine beklemmende Atmosphäre; das fatalistische Finale hallt lange nach.
Platz 25
Heißes Eisen
Fritz Lang | 1953 | USA
Heißes Eisen verlieh dem Film Noir eine neue Härte: Der Klassiker von Fritz Lang etabliert einen rauen Tonfall und überrascht mit drastischer Gewalt. Auch der Werdegang des Protagonisten ist bemerkenswert, der Cop auf Rachefeldzug bewegt sich an der Grenze zum Antihelden. Die starken Figuren werten den soliden Plot entscheidend auf, Heißes Eisen versammelt gleich mehrere spannende Frauenfiguren und einen psychopatischen Schurken, der von Lee Marvin formidabel gespielt wird. Die stilsichere Inszenierung von Fritz Lang bietet den passenden Rahmen für diesen düsteren Film Noir.
Platz 24
Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen
Robert Bresson | 1956 | Frankreich
Mit Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen drehte Robert Bresson einen der besten Gefängnisfilme und entwickelte die Sprache des Kinos weiter. Der Autorenfilmer brach mit erzählerischen Standards, reduzierte Form und Inhalt so stark wie möglich und spaltete die Bild- von der Tonebene ab. Damit schuf der Regisseur ein transzendentes Werk: Die Betonung des Oberflächlichen impliziert eine unsichtbare, bei Bresson stets spirituelle Ebene – sein Film setzt sich mit dieser verborgenen Kraft auseinander und unternimmt den Versuch, das Unfassbare fassbar zu machen.
Platz 23
Der Scharfschütze
Henry King | 1950 | USA
Der Scharfschütze hebt sich deutlich von anderen Western seiner Zeit ab: Einerseits nutzt er stilistische Anleihen aus dem Film Noir, andererseits zeichnet er sich durch einen nachdenklichen Pessimismus aus, der erst 15 Jahre später durch die Western des New Hollywood-Kinos salonfähig werden sollte. Ein Großteil der 80 Minuten verbringt der Film als Kammerspiel, wobei er eine fatalistische Stimmung und diverse Konfliktherde aufbaut. Neben der durchgängigen Spannung bleiben vor allem der hervorragende Gregory Peck und das clevere Finale in Erinnerung.
Platz 22
Frauengefängnis
John Cromwell | 1950 | USA
Frauengefängnis zählt zu den bedrückendsten Knastfilmen der Kinogeschichte. Mit für damalige Verhältnisse kompromissloser Drastik und finsteren Film Noir-Bildern zeigt das B-Movie von John Cromwell die Haftanstalt nicht als Ort der Resozialisierung, sondern als Moloch mit faschistischen Zügen. Das Drama schildert den Werdegang einer naiven jungen Frau zur abgebrühten Insassin ohne moralischen Kompass und changiert dabei zwischen wütender Anklage und zynischer Abrechnung. Obwohl Frauengefängnis ausschließlich hinter Gittern angesiedelt ist, sinniert er auch über die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung von Frauen. Cromwells Film Noir ist zudem glänzend gespielt und spannend in Szene gesetzt.
Platz 21
Das Wort
Carl Theodor Dreyer | 1955 | Dänemark
Das Wort offenbart, warum Carl Theodor Dreyer zu den großen Formalisten des Kinos zählt. Der dänische Regisseur reduziert den Film mit statischen Einstellungen und niedriger Schnittfrequenz auf die wesentlichsten Bestandteile; die wirkungsvolle Mise en Scène verleiht den Bildern etwas Gemäldeartiges. Die Strenge der Kompositionen erschafft eine Welt, in der etwas fehlt – damit legt Dreyer das Fundament für eine Reflexion über sein religiöses Sujet. Dennoch ist Das Wort ein erstaunlich unterhaltsamer Film voller Lebendigkeit, Spannung und Humor. Das legendäre Finale transzendiert den Stoff dann endgültig und belegt die Einzigartigkeit von Dreyers Werk.
Platz 20
Das letzte Ufer
Stanley Kramer | 1959 | USA
Das ungewöhnliche Melodram Das letzte Ufer spielt nach einem Atomkrieg und schildert die letzten Tage der Menschheit. Der sichere Tod durch eine atomare Wolke, die auf Australien zusteuert, dient der Handlung als Katalysator: Er zwingt das halbe Dutzend Figuren zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst und stellt die Frage, wie sie den kurzen Rest ihres Lebens verbringen wollen. Daraus zieht der Film von Stanley Kramer eine große Melancholie, die von einem beeindruckenden Staraufgebot ambivalent verwertet wird.
Platz 19
Das Lächeln einer Sommernacht
Ingmar Bergman | 1955 | Schweden
Ausgerechnet mit einer Komödie gelang Ingmar Bergman der Durchbruch – Das Lächeln einer Sommernacht schildert die Ehen und Affären von einem halben Dutzend Figuren als ironischen Reigen der Eitelkeiten und Eifersüchte. Bergman inszeniert den Kampf der Geschlechter mit souveräner Leichtigkeit und kontrastiert die gehobenen Umgangsformen mit banalen Sünden. Die in feinen Dialogen vorgetragenen verbalen Gefechte der Protagonisten sorgen für einen hohen Unterhaltungswert, wie nebenbei stellt der Regisseur noch profunde Überlegungen zum Wesen der Liebe an. Die wunderschönen Schwarz-Weiß-Bilder sind an eine Komödie fast schon verschwendet.
Platz 18
Sunset Boulevard
Billy Wilder | 1950 | USA
1950 drehte Billy Wilder eine bitterböse Abrechnung mit Hollywood: Sunset Boulevard entblößte seinerzeit wie kein zweiter Film die Schattenseiten des Glamours und die Wahnwitzigkeit des Starkultes. Wilder ließ den bei den Oscars bevorzugten Alles über Eva zahm wirken, wurde als Nestbeschmutzer angefeindet und zugleich für sein Können bewundert. Sunset Boulevard etabliert mit seinen pointierten Dialogen und barocken Bildern eine dichte, pessimistische Stimmung, gespickt mit garstigen Kommentaren auf Hollywood. Auch das Ensemble überzeugt durchweg, insbesondere das gekonnte Overacting von Gloria Swanson hallt lange nach.
Platz 17
Mein Freund Harvey
Henry Koster | 1950 | USA
Die Adaption des berühmten Theaterstücks erzählt von der Freundschaft eines Eigenbrötlers (fantastisch: James Stewart) und eines magischen zwei Meter großen Hasen, der für seine Mitmenschen und uns Zuschauer unsichtbar bleibt – wenn es ihn denn überhaupt gibt. Die (Bar-)Ausflüge der beiden bescheren der liebenswerten Komödie zahlreiche Gags, die zielsicheren Dialoge tragen ebenfalls zum hohen Unterhaltungswert bei. Mein Freund Harvey nutzt die ausnahmslose Freundlichkeit des naiven Protagonisten, um ein zeitloses Plädoyer gegen Vorurteile und starre Konventionen zu formulieren und sich für Toleranz und Nächstenliebe einzusetzen. Ein famoser Klassiker fürs Herz!
Platz 16
Vierundzwanzig Augen
Keisuke Kinoshita | 1954 | Japan
Vierundzwanzig Augen schildert die Beziehung zwischen einer jungen Lehrerin und einer Schulklasse über einen Zeitraum von 20 Jahren und stellt dabei heraus, welche Zäsur der Zweite Weltkrieg bedeutete. Das große Weltgeschehen macht auch vor der kleinen Dorfgemeinschaft nicht Halt und reißt sie auseinander, als sich die Schüler der Volljährigkeit nähern. Obwohl Kinoshita keinerlei Kampfhandlungen zeigt, schlägt er tiefe emotionale Wunden, weil lieb gewonnene Figuren auf immer verschwinden und ihre Lehrerin vor Leid vergeht. Obwohl es sich um ein Melodram handelt, entwickelt Vierundzwanzig Augen eine größere emotionale Wirkung als die meisten Antikriegsfilme.
Platz 15
Weites Land
William Wyler | 1958 | USA
Der Klassiker von William Wyler verpflanzt einen gebildeten Großstädter (Paraderolle: Gregory Peck) in den Wilden Westen, wo er zwischen die Fronten eines Kleinkrieges zweier Viehzüchterfamilien gerät. Weites Land füllt seine 165-minütige Spielzeit nicht mit zig Schusswechseln, sondern beschäftigt sich ausführlich mit den gegensätzlichen Figuren, ihrer Moral und der Frage, wie Gewalt entsteht. Dabei besticht Wylers Werk durch pointierte Dialoge und starke Darsteller; die exquisiten Landschaftsaufnahmen vermitteln ein Gefühl für die Schönheit und Abgeschiedenheit des kaum erschlossenen Wilden Westens.
Platz 14
Rattennest
Robert Aldrich | 1955 | USA
Rattennest ist ein B-Movie, das Filmgeschichte schrieb: Der Klassiker von Robert Aldrich verleibte sich den klassischen Film Noir ein, kaute ihn gehörig durch und spuckte etwas Neues aus – den ersten Neo-Noir. Ohne jeden Respekt übersteigert Aldrich die Figuren und Motive der Schwarzen Serie bis ins Comichafte und orientiert sich dabei deutlich an der Nouvelle Vague. Er bricht mit traditionellen Regeln des Filmemachens, stellt die Filmhaftigkeit des Geschehens offen aus und dekonstruiert die Semantik des Film Noir. Sein postmoderner Ansatz verwandelt die simple Detektivgeschichte in eine sensationelle Pulp Fiction, die den Film Noir am Ende wortwörtlich in die Luft sprengt.
Platz 13
Zeugin der Anklage
Billy Wilder | 1957 | USA
Agatha Christie lieferte die Vorlage für diesen vorzüglichen Gerichtskrimi, den Billy Wilder zu den unterhaltsamsten Vertretern des klassischen Hollywood-Kinos formte. Der vielseitige Regisseur bringt die Spannung eines Kriminalfilms und den Witz einer Komödie ohne Brüche zusammen – die hohe Gagdichte sorgt für Kurzweil, die Wortwechsel vor Gericht fesseln mit ihren Volten und führen in ein bemerkenswertes Finale. Das Charisma von Marlene Dietrich und das nuancenreiche Spiel von Hauptdarsteller Charles Laughton verleihen Zeugin der Anklage den letzten Schliff.
Platz 12
Pickpocket
Robert Bresson | 1959 | Frankreich
In seinem 75 Minuten kurzen Meisterstück Pickpocket erzählt Robert Bresson aus dem Alltag eines Taschendiebes, der immer mehr den Zugang zur Gesellschaft verliert. Der Regisseur setzt auf seine typisch minimalistische Inszenierung und verleiht dem Film trotzdem eine enorme Eleganz. Die visuelle Reduktion hält Bresson nicht davon ab, simple Szenen mit großer Bedeutung aufzuladen, wobei sich Parallelen zu den Romanen von Camus und Dostojewski ergeben. In besonderer Erinnerung bleiben die fesselnden Taschendiebstahlszenen, die sich Bresson bei Samuel Fullers Polizei greift ein abschaute.
Platz 11
Alles über Eva
Joseph L. Mankiewicz | 1950 | USA
Alles über Eva dominierte die Oscar-Verleihung des Jahres 1951 mit 14 Nominierungen und sechs Auszeichnungen; Joseph L. Mankiewicz gewann im zweiten Jahr in Folge die Preise für Drehbuch und Regie (im Vorjahr für Ein Brief an drei Frauen). Alles über Eva porträtiert das New Yorker Theatermilieu in einem heiteren Tonfall, doch das sollte uns nicht einlullen – das clevere Drehbuch serviert einen doppelbödigen Plot und hinterfragt den Glanz des Showbusiness. Das exzellente Ensemble um die umwerfende Bette Davis sowie die pointierten Dialoge sorgen für einen hohen Unterhaltungswert.
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Platz 10
Die Teuflischen
Henri-Georges Clouzot | 1955 | Frankreich
Im Mysterythriller Die Teuflischen ermorden zwei Frauen ihren Peiniger und müssen dann befürchten, er sei von den Toten auferstanden. Henri-Georges Clouzot versetzt uns in ihre Lage und hält das Geschehen in ständiger Unsicherheit – gibt es eine kriminologische Erklärung oder handelt es sich um einen übernatürlichen Horrorfilm? Die subtile Inszenierung und das düstere Schwarz-Weiß füttern die Paranoia mit viel Suspense, die starken Darstellerinnen verleihen dem perfiden Plot die nötige Glaubwürdigkeit.
Platz 9
Tokio in der Dämmerung
Yasujirō Ozu | 1957 | Japan
Unter den vielen großen Dramen von Yasujirō Ozu ist Tokio in der Dämmerung das finsterste. Der Meisterregisseur bleibt seinen stilistischen Grundsätzen treu, setzt allerdings stärker als sonst auf dramatische Effekte und überrascht mit einem ungewohntem Pessimismus. Passend dazu kleidet Ozu das grimmige Geschehen in erlesene Schwarz-Weiß-Bilder, die das winterliche Tokio noch trister aussehen lassen. Die Unerbittlichkeit, mit der Tokio in der Dämmerung Themen wie die familiäre Entfremdung und das anonyme Großstadtleben beschreibt, ist einzigartig in Ozus Filmografie.
Platz 8
Asche und Diamant
Andrzej Wajda | 1958 | Polen
Asche und Diamant nimmt eine niederschmetternde Bestandsaufnahme Polens nach dem Zweiten Weltkrieg vor und schildert nachfühlbar, wie Einwohner und Volksseele des Landes zwischen den deutschen und russischen Besatzern zermalmt werden. Anhand einer Rahmenhandlung um ein politisches Attentat baut Andrzej Wajda Spannung auf und bricht die nationale Tragödie auf persönliche Einzelschicksale herunter, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Die allumfassende Tristesse setzt der Regisseur mit ansehnlichen Bildern und trauriger Ironie in Szene.
Platz 7
Ein einsamer Ort
Nicholas Ray | 1950 | USA
Ein einsamer Ort vereint die beiden schicksalhaftesten Spielarten des Kinos: den Film Noir und das Melodram. Dass hier ein Mord die Grundlage für eine Liebesgeschichte bildet, illustriert die Schwärze des Stoffes, der fortwährend Zynismus und Fatalismus versprüht. Dabei brilliert der Film von Nicholas Ray durch starke Dialoge und lebt besonders von Hauptdarsteller Humphrey Bogart, der in seiner Karriere viele große Rollen meisterte, aber nie besser spielte als in Ein einsamer Ort.
Platz 6
Die sieben Samurai
Akira Kurosawa | 1954 | Japan
Mit seinem Epos Die sieben Samurai modernisierte Akira Kurosawa das japanische Kino, begründete das Genre des Actionfilms und beeinflusst Generationen nachfolgender Filmemacher. Wie sein Vorbild John Ford zieht Kurosawa ein groß angelegtes Spektakel auf und schickt seine Helden in ein ambivalentes Abenteuer: Der Film baut regelmäßig Spannung auf, entwickelt durch unterhaltsame Dialoge und humorvolle Szenen einen hohen Unterhaltungswert und fußt auf einem tragischen Fundament, das die Szenen mit Bedeutung auflädt. Die sieben Samurai imponiert durch tolle Schauspieler und eine effektvolle Inszenierung; er bietet aber noch weit mehr als das und nutzt die Action, um universelle Überlegungen zu moralischen und gesellschaftlichen Fragen anzustellen.
Platz 5
Der unsichtbare Dritte
Alfred Hitchcock | 1959 | USA
Der unsichtbare Dritte ist vielleicht der unterhaltsamste Film von Alfred Hitchcock, der hier einen komödiantischen Thriller allererster Güte serviert. Die einfallsreiche Geschichte um einen Unschuldigen, der in eine Verschwörung gerät, strotzt nur so vor memorablen Momenten und schlagkräftigen Dialogen. Hauptdarsteller Cary Grant erweist sich als Idealbesetzung, da er die Spannungsszenen und das humoristische Fach gleichermaßen beherrscht. Zudem beweist Hitchcock vollendeten Stilwillen, seine kunstvolle Inszenierung wertet Der unsichtbare Dritte entscheidend auf.
Platz 4
Feuer im Grasland
Kon Ichikawa | 1959 | Japan
Der Antikriegsfilm Feuer im Grasland bietet ein außergewöhnliches Erlebnis. Das Werk von Kon Ichikawa schickt einen japanischen Soldaten auf eine Odyssee über ein pazifisches Eiland, das längst von den Amerikanern überrannt wurde. Der Regisseur entfesselt das Grauen des Krieges, ohne den Sensationen des Genres anheimzufallen: Gerade die Beiläufigkeit der schockierenden Szenen erweist sich als effektvoll. Die erhabenen Schwarz-Weiß-Bilder beeindrucken ebenso wie die ausgezeichneten Schauspieler – das eindringliche Spiel des völlig abgemagerten Tatsuya Nakadai bleibt lange in Erinnerung.
Platz 3
Johnny Guitar
Nicholas Ray | 1954 | USA
1954 produzierte die B-Movie-Schmiede Republic mit wenig Geld einen Meilenstein. Nicholas Ray nutzt das Western-Genre als Folie für ein überlebensgroß inszeniertes Melodram, dessen Triebmittel sexuelle Neurosen und blanker Hass sind. Die Regisseure der Nouvelle Vague verehrten Ray, weil er den Western transzendiert: Mit billigen Studiokulissen und leuchtendem Technicolor überhöht er das Geschehen ins Theaterhafte und erzeugt einen maximal verdichteten Über-Western. Trotz eines kleinen Budgets ist Johnny Guitar ein gewaltiger Film.
Platz 2
Floating Clouds
Mikio Naruse | 1955 | Japan
Das meisterhafte Melodram von Mikio Naruse schildert eine konfliktbeladene Liebesbeziehung im Nachkriegsjapan. Die Hassliebe der beiden Protagonisten erstreckt sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren, die der Film effektvoll verdichtet. Dem Regisseur gelingt es hervorragend, ein Gefühl für das unsichtbare Band zwischen den Hauptfiguren zu vermitteln – sie können nicht voneinander lassen, aber auch nicht miteinander leben. Naruses tiefgehendes Verständnis für menschliche Emotionen verleiht Floating Clouds eine zeitlose Allgemeingültigkeit.
Platz 1
Barfuß durch die Hölle
Masaki Kobayashi | 1959 | Japan
Der erste Teil der epochalen Barfuß durch die Hölle-Trilogie spielt abseits der Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges und steckt trotzdem voller Grauen. Masaki Kobayashi versetzt einen Pazifisten als Aufseher in ein Arbeitslager für Kriegsgefangene und konfrontiert ihn mit der unmöglichen Aufgabe, seine humanistische Ideale mit der Dienstpflicht in Einklang zu bringen. Barfuß durch die Hölle spielt dieses Dilemma mit größtmöglicher Wucht aus und hinterfragt das Menschsein im Angesicht des Unmenschlichen.
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