Die 30 besten Filme
von 1970 bis 1979
In den Siebziger Jahren konsolidierte sich die weltweite Filmlandschaft und schlug den Weg zum heutigen modernen Kino ein. Die Neuen Wellen in Frankreich, Japan und der Tschechoslowakei ebbten ab; in Deutschland und in den Vereinigten Staaten bildeten sich zwar neue Strömungen, diese waren aber deutlich stärker in dem bestehenden System eingebettet als ihre Vorläufer.
Besonders das amerikanische Kino entwickelte sich rasant: Das New Hollywood-Kino gab jungen Regisseuren eine nie da gewesene Freiheit, der Hays-Code wurde abgeschafft und die ersten Independentfilme sorgten für Furore. Mitte der Siebziger schlug schließlich die Geburtsstunde der Blockbuster – Hollywood fand eine mustergültige Erfolgsformel für die kommenden Jahrzehnte.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Die Auswahl ist groß, der Platz begrenzt – wie immer mussten tolle Filme außen vor bleiben. Einige davon sollen zumindest lobend erwähnt werden.
Das lange verschmähte Horrorkino blühte in den Siebziger Jahren auf und bescherte uns viele Highlights. Genannt werden müssen der subtile australische Vertreter Picknick am Valentinstag, okkulte Filme wie Der Exorzist und The Wicker Man, der Zombie-Klassiker Dawn of the Dead, der ikonische Backwood-Horror The Texas Chainsaw Massacre, Roman Polanskis kafkaesker Der Mieter und das mysteriöse Trauer-Drama Wenn die Gondeln Trauer tragen.
Ein weiteres Genre mit weltweiter Beliebtheit war der Gangsterfilm. Die Kriminellen traten in unterschiedlichsten Ausprägungen auf. Sam Peckinpah inszenierte Steve McQueen in Getaway als Bank- und Warren Oates als Kopfräuber (in Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia). In Frankreich trieben die Vier im roten Kreis ihr Unwesen, in Italien nahm Milano Kaliber 9 die Filme Tarantinos um Jahrzehnte vorweg. Im tristen England räumte der psychopathische Michael Caine in Get Carter auf und in New York hieß es: Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123.
In den Vereinigten Staaten drehte sich in den Siebziger Jahren alles um das New Hollywood, dessen zahllose sehenswerte Vertreter nicht alle in die Bestenliste passten. Für den Paranoia-Thriller Die drei Tage des Condor, George Lucas‘ dystopischen Debütfilm THX 1138, Roman Polanskis Chinatown und das wunderbare Spielsucht-Drama Spieler ohne Skrupel blieb leider kein Platz.
Bei Woody Allen habe ich Der Stadtneurotiker zugunsten anderer Arbeiten gestrichen. Dann muss noch auf den König des Independentfilms hingewiesen werden: Der einmalige Stil von John Cassavetes ist in Mord an einem chinesischen Buchmacher und Die erste Vorstellung zu bewundern.
Weitere starke amerikanische Filme sind der unterschätzte Nur Samstag Nacht sowie der Backwood-Thriller Beim Sterben ist jeder der Erste. Deutlich klassischer war James Bond im lohnenswerten Der Spion, der mich liebte unterwegs. Zu guter Letzt: Stevens Spielberg wegweisender Blockbuster Der weiße Hai ist auf dem fiktiven 31. Platz gelandet.
Die Siebziger Jahren waren auch ein Jahrzehnt der Skandalfilme von mäßiger bis ausgezeichneter Qualität. Empfehlenswert sind Bernardo Bertoluccis Der letzte Tango in Paris, Marco Ferreris Das große Fressen sowie Luis Bunuels Dieses obskure Objekt der Begierde.
Für rege Diskussionen sorgte auch eine goldene Ära des deutschen Kinos – der Neue Deutsche Film brachte Höhepunkte in Hülle und Fülle. Allein von Rainer Werner Fassbinder sind fünf Filme hauchdünn an der Bestenliste vorbeigeschrammt. Händler der vier Jahreszeiten, Angst essen Seele auf, Faustrecht der Freiheit, Die Ehe der Maria Braun sowie Angst vor der Angst sind absolut sehenswert. Auch die Heinrich Böll-Verfilmung Die verlorene Ehre der Katharina Blum sowie die vom Fernsehen produzierte Alkoholikerballade Rückfälle lohnen sich.
Einer der unbesungenen Helden des deutschen Films ist Peter Fleischmann, der bei der europäischen Ko-Produktion Der dritte Grad Regie geführt hat – ein Geheimtipp! Machen wir gleich mit dem europäischen Kino weiter: Mit dem Italowestern Todesmelodie und dem italienischen Drama Ein besonderer Tag, der tschechischen politischen Metapher Die Hexenjagd und dem ungewöhnlichen sowjetischen Antikriegsfilm Im Morgengrauen ist es noch still.
Auch Jan Troells schwedisches Epos Emigranten sowie der Coming of Age-Film Eine schwedische Liebesgeschichte sollen erwähnt werden. Paul Verhoevens niederländisches Kriegsdrama Der Soldat von Oranien ist ebenfalls eine Entdeckung wert.
Abschließend sollen noch drei asiatische Vertreter empfohlen werden: Der japanische Kultfilm Sasori – Scorpion, das gewagte koreanische Melodram Night Voyage und das tragische philippinische Drama Das Mädchen Insiang.
Kommen wir nun zu meinen 30 Favoriten der Jahre 1970 bis 1979:
Platz 30
Blue Collar
Paul Schrader | 1978 | USA
Nach erfolgreichen Jahren als Drehbuchautor (u.a. Taxi Driver) beging Paul Schrader mit Blue Collar sein Regiedebüt. Er zeichnet anhand von drei Protagonisten, die zusammen am Fließband einer Detroiter Automobilfabrik arbeiten, ein ungeschminktes Porträt der amerikanischen Arbeiterklasse. Schrader stellt sich in den Dienst der Protagonisten und rechnet mit dem American Dream ab: Die harte Arbeit zahlt sich nicht aus; obwohl die nationale Wirtschaft auf dem Rücken der Blue Collar Worker wächst, bekommen diese keinerlei Dankbarkeit. Schraders angenehm unaufgeregter Film lebt besonders durch die hervorragenden Darsteller: Yaphet Kotto und Harvey Keitel sind stark, Richard Pryor ragt sogar noch heraus.
Platz 29
Manila
Lino Brocka | 1975 | Philippinen
Mit dem Sozialdrama Manila sicherte Regisseur Lino Brocka dem philippinischen Kino 1975 internationale Anerkennung. Er inszeniert die Suche eines jungen Mannes vom Land nach seiner in Manila verschwundenen Freundin als fatalistische Odyssee und stürzt uns dabei in die tiefsten Niederungen der philippinischen Hauptstadt. Indem Brockas Werk sozialen Realismus mit melodramatischen Akzenten verknüpft, entwickelt es eine durchschlagende Wirkung. Der Regisseur kritisiert die politische Lage des Landes und lässt seinen Pessimismus zunehmend in Wut umschlagen. Manila ist ein verzweifelter Aufschrei in Filmform – die Raserei des Finales hallt lange nach.
Platz 28
Lancelot, Ritter der Königin
Robert Bresson | 1974 | Frankreich
Spät in seiner Karriere drehte Robert Bresson eine wunderbar seltsame Ritterfarce und dekonstruiert die legendären Ritter König Artus‘ inhaltlich wie formal. Er zersetzt ihre Körper durch den übermäßigen Einsatz von Nahaufnahmen, die nur noch Hände, Beine, Schwertspitzen übrig lassen, und zeigt die Tafelritter nicht als hehre Helden, sondern als traurige Metallmänner. Dem absurden Treiben lässt sich nicht einmal eine humorvolle Seite abgewinnen – die armseligen Tafelritter, von monoton sprechenden Laiendarstellern gespielt, scheitern zu erbarmungslos. Sie verlieren Glauben, Verbundenheit und Treue, ohne ihr Schicksal abwenden zu können.
Platz 27
Manhattan
Woody Allen | 1979 | USA
Manhattan zählt zu den Höhepunkten im Schaffen von Woody Allen. Der Autorenfilmer sinniert einmal mehr über die Differenzen zwischen den Geschlechtern, das Älterwerden, Sex, Kunst und Religion. Zugleich stimmt Allen eine Hymne auf das Großstadtleben an und huldigt seinem New York, das in Gordon Willis‘ prächtigen Schwarz-Weiß-Bildern eingefasst wird. Die besondere Stimmung der Weltstadt scheint direkt in das Handeln der Figuren einzugreifen. Die pointierte Figurenzeichnung, die scharfzüngigen Dialoge und die Situationskomik haben sich einen zeitlosen Charme bewahrt.
Platz 26
Aguirre, der Zorn Gottes
Werner Herzog | 1972 | Deutschland
Aguirre, der Zorn Gottes markiert die erste Zusammenarbeit von Werner Herzog und Klaus Kinski und entwickelte sich zu einem großen internationalen Erfolg für den Neuen Deutschen Film. Herzog transzendiert den Mythos des Abenteuerfilms zu einem kontemplativen Fiebertraum und stürzte sich dafür in einen produktionstechnischen Gewaltakt, der sich unmittelbar im Endergebnis widerspiegelt und eine rohe Poesie ermöglicht. Getragen von den elegischen Bildern, einer eigentümlichen Musik und der Präsenz Klaus Kinskis, entwickelt Aguirre, der Zorn Gottes einen magischen Sog.
Platz 25
Die letzte Vorstellung
Peter Bogdanovich | 1971 | USA
Der frühe New Hollywood-Vertreter Die letzte Vorstellung schildert den öden Alltag einer Gruppe Teenager in einer texanischen Provinzstadt. Peter Bogdanovichs Coming-of-Age-Film glänzt durch ambivalente Figuren und einen besonderen Tonfall: Er vereint die Tristesse und die Melancholie der Gegenwart mit einer unbestimmten Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Dabei gerät der Film nie melodramatisch und vermeidet Klischees, durch seine Wahrhaftigkeit entwickelt er trotzdem eine große Kraft, die ein Gespür für das Milieu und die Ära vermittelt. Die aufstrebenden Jungdarsteller (Jeff Bridges, Randy Quaid und Cybill Shepherd, die später die Betsy in Taxi Driver spielte) überzeugen ausnahmslos.
Platz 24
Der Clou
George Roy Hill | 1973 | USA
Inmitten der Erneuerung durch das New Hollywood-Kino erschien mit Der Clou ein im besten Sinne altmodischer Film, der sieben Oscars gewann. Das Werk von George Roy Hill besitzt eine spielerische Leichtigkeit, maßgeblich angetrieben von der tollen Besetzung um Robert Redford, Paul Newman und Robert Shaw. Der hohe Produktionsstandard äußert sich in prächtigen Kulissen und Kostümen, einer eleganten Kameraarbeit sowie memorablen Wischblenden, die ihm damals schon einen Retro-Charme verliehen. Davon sollten wir uns nicht täuschen lassen: Der Film über eine groß angelegte Betrügerei an einem Mafiaboss nutzt eine manipulative Inszenierung, die auch uns Zuschauer hinters Licht führt.
Platz 23
Aus einem deutschen Leben
Theodor Kotulla | 1977 | Deutschland
Theodor Kotullas Aus einem deutschen Leben schildert in drei Stunden und vierzehn Kapiteln das Leben eines Nationalsozialisten, der vom einfachen Arbeiter zum Lagerkommandanten von Auschwitz aufsteigt. Kotulla ermöglicht uns einen unverstellten Blick, indem er das Porträt nüchtern und ungekünstelt hält; so wird deutlich, wie unspektakulär und geradlinig der Weg des Protagonisten verläuft und wie das autoritäre System seine zahllosen Helfer einspannt. Götz George spielt seinen Schreibtischtäter mit faszinierenden Widersprüchen und vermittelt den Menschen hinter der SS-Uniform als Musterbeispiel für die Banalität des Bösen.
Platz 22
Lady Snowblood
Toshiya Fujita | 1973 | Japan
Lady Snowblood ist wohl der profilierteste japanische Genrefilm seiner Zeit und zählt zu den maßgeblichen Inspirationsquellen für Tarantinos Kill Bill. Im Gegensatz zu zahlreichen Epigonen sind die Actionszenen des Originals blutig, aber kurz – Fujitas Film verkommt nie zur Gewaltorgie, sondern setzt auf Suspense. Dazu trägt das ausgezeichnete Storytelling mit seinen Rückblenden und Twists entscheidend bei. Das hohe Produktionsniveau überzeugt insbesondere bei der Musik, der Kameraarbeit und den hübschen Studiokulissen. Seine Strahlkraft erhält Lady Snowblood aber durch Meiko Kaji, die wie schon in der Sasori-Reihe durch kühles Charisma brilliert und in den Actionszenen eine hervorragende Figur macht.
Platz 21
Der Schakal
Fred Zinnemann | 1973 | Großbritannien, Frankreich
Der Schakal erschien bereits zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Erfolgsromans von Frederick Forsyth und ist ein Thriller in bester europäischer Tradition. Der Wettlauf eines höchst professionellen Auftragskillers (eiskalt: Edward Fox) und eines staatlichen Ermittlers (akribisch: Michael Lonsdale) vollzieht sich als indirektes Vexierspiel, aus dem Fred Zinnemann maximales Suspense zieht. Der Regie-Routinier konzentriert sich wie die Vorlage auf die detaillierten Planungen und Abläufe. Das achtminütige wortlose Finale von Der Schakal bleibt in besonderer Erinnerung.
Platz 20
Der Tod kennt keine Wiederkehr
Robert Altman | 1973 | USA
Im Rahmen des New Hollywood-Kinos dekonstruierte Robert Altman eine Reihe amerikanischer Genres; in Der Tod kennt keine Wiederkehr knöpft er sich den Film Noir und dessen ikonischste Figur Philipp Marlowe vor. Dabei zeigt er keinerlei Respekt und führt beide ad absurdum – Altman drehte keinen Neo- sondern einen Anti-Noir. Der Tod kennt keine Wiederkehr entwirft eine dysfunktionale Filmwelt und einen unnützen Helden, der Plot bleibt fragmentarisch und führt nirgendwo hin. Mit dieser postmodernen Prägung beeinflusste Altmans Werk unzählige Nachfolger, insbesondere die Gebrüder Coen und The Big Lebowski.
Platz 19
Mach’s noch einmal, Sam
Herbert Ross | 1972 | USA
Die Regie führte zwar Herbert Ross, dennoch ist Mach’s noch einmal, Sam ein waschechter Woody Allen-Film. Er basiert auf einem Broadwaystück Allens, der auch das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle übernahm. Obwohl Mach’s noch einmal, Sam noch in der Slapstick-Phase des Filmemachers entstand, ist es die erste „klassische“ Arbeit Allens, der hier seine typischen Themen und Stammdarsteller zusammenbringt. Als Basis für den amüsanten Reigen der Geschlechter dient Allens Liebe zum Kino, die sich in zahlreichen Anspielungen ausdrückt und in den Auftritten eines imaginären Humphrey Bogart, der Allens Figur Ratschläge gibt.
Platz 18
Eraserhead
David Lynch | 1977 | USA
In seinem autobiografischen Debütfilm Eraserhead verarbeitete David Lynch seine Erfahrungen als junger Vater in Form eines surrealen Albtraums. Sein Horrorfilm versetzt uns in eine apokalyptische Welt voller seltsamer Schrecken und einer an den Nerven zerrenden Geräuschkulisse. Als typisches Midnight Movie schert sich Eraserhead nicht um Sehgewohnheiten und Konventionen; Lynchs nur vordergründig verschlüsselter Film bietet zahllose Symbole und Interpretationsmöglichkeiten an und schockiert durch eine der verstörendsten Kreaturen der Kinogeschichte.
Platz 17
Driver
Walter Hill | 1978 | USA
Mit Driver trieb Walter Hill den Neo-Noir auf die Spitze: Der Thriller reduziert das Geschehen auf Versatzstücke und erzählt mit größtmöglicher Ökonomie. Hill gesteht seinen Figuren nicht einmal Namen zu – sie bleiben „der Fahrer“, „der Cop“ und die Femme fatale. Mit dieser konzentrierten Herangehensweise verdichtet der Regisseur „Handlung“ zu Blicken, kleinen Gesten, aufheulenden Motoren – der Film verkauft keinen Plot, sondern pures Kino. Daraus zieht Driver eine unangestrengte Coolness und den Fatalismus, den jeder gute Neo-Noir benötigt. Zudem lieferte der ausschließlich in nächtlichem Neonlicht spielende Film die Vorlage für Nicolas Winding Refns Drive.
Platz 16
Der Dialog
Francis Ford Coppola | 1974 | USA
Zwischen Der Pate und Der Pate II drehte Francis Ford Coppola ein weiteres Meisterwerk: Als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent realisierte er mit dem Paranoia-Thriller Der Dialog ein persönliches Wunschprojekt, das mehr im europäischen als im amerikanischen Kino verhaftet ist. Anhand einer diffusen Verschwörung, die die politischen Unsicherheiten der Nixon-Ära aufgreift, entwirft Coppola die Charakterstudie eines manischen Abhörspezialisten (stark: Gene Hackman), dessen Welt aus den Fugen gerät. Coppola entwirft ein Puzzle, das stets im Konjunktiv bleibt und sich vornehmlich in unserem Kopf abspielt – ein zeitloser Ansatz, der auch heute noch großartig funktioniert.
Platz 15
Strafpark – Punishment Park
Peter Watkins | 1971 | USA
Die Mockumentary Punishment Park ist ein Höhepunkt subversiven Filmemachens. Regisseur Peter Watkins kanalisiert die Wut der Vietnam-Ära in eine Anklage gegen staatlichen Machtmissbrauch. Durch den Verzicht auf die Konventionen des Spielfilms entfaltet seine politische Parabel eine enorme Wucht und spricht uns gleichermaßen auf einer intellektuellen wie auf einer emotionalen Ebene an. Aufgrund der universellen Themen und der effektvollen Inszenierung hält sich Punishment Park zeitlos; auch Watkins‘ nebenher stattfindende Auseinandersetzung mit der Unmöglichkeit medialer Objektivität ist heute aktueller denn je.
Platz 14
Alien
Ridley Scott | 1979 | USA
Alien verlieh dem Science-Fiction-Genre eine neue Seriosität: Der wegweisende Klassiker von Ridley Scott revidierte das Bild aseptischer Raumschiffe und siedelte seine Geschichte in dem dreckigen Raumfrachter Nostromo an, der nicht von typischen Helden, sondern von ganz normalen Leuten bewohnt wird. Scott bespielt die volle Klaviatur des Horrorkinos: Die düsteren Gänge und das effektive Sounddesign sorgen für eine klaustrophobische Stimmung, das selten zu sehende Alien für Suspense. In Erinnerung bleibt auch Sigourney Weaver als Archetyp des weiblichen Actionstars.
Platz 13
Das Ohr
Karel Kachyna | 1970 | Tschechien
Als ob 1984 auf Wer hat Angst vor Virginia Woolf? trifft: Der tschechische Klassiker Das Ohr beschreibt die Paranoia unter der sozialistischen Diktatur der Tschechoslowakei als kafkaeske Groteske. Mit galligem Humor und untergründiger Spannung schildert der Thriller eine Nacht im Leben eines Parteifunktionärs, der an seine baldige Verhaftung glaubt. Zunehmend verzweifelt vernichtet er Unterlagen und durchsucht sein Haus nach Abhörgeräten; als wäre das nicht schon schlimm genug, muss er auch noch einen Streit mit seiner alkoholisierten Ehefrau ausfechten. Die Mischung aus Spannungskino, Komödie und Tragödie geht perfekt auf.
Platz 12
Welt am Draht
Rainer Werner Fassbinder | 1973 | Deutschland
Mit seinem bahnbrechenden TV-Epos Welt am Draht nahm Rainer Werner Fassbinder Matrix und Inception um Jahrzehnte vorweg. Der Autorenfilmer übernahm die (Computer-)Welt von Daniel F. Galouyes Roman Simulacron-3, nutzt das Science-Fiction-Szenario aber als Variationsraum seiner typischen Milieus. Fassbinder sprengt die Grenzen des Genrefilms für eine zutiefst pessimistische Bestandsaufnahme der modernen Gesellschaft: Die Computermenschen des Films unterscheiden sich mit ihrem kalten Auftreten, Kommunikationsdefiziten und ausbeuterischen Motiven nicht von anderen Werken des Regisseurs. Dabei profitiert seine Vision von starken Darstellern und einem bemerkenswerten Produktionsdesign.
Platz 11
Einer flog über das Kuckucksnest
Milos Forman | 1975 | USA
In der Verfilmung des berühmten Romans von Ken Kesey kämpft ein aufrührerischer Einzelgänger gegen das strikte System einer Psychiatrie, doch der Film ist weit mehr als ein tragisches Drama – er verdeutlicht parabelhaft den unauflösbaren Gegensatz von politischer Steuerung und individueller Freiheit. Ein Thema, mit dem sich der aus der kommunistischen Tschechoslowakei geflüchtete Milos Forman bestens auskannte. Sein mit den fünf wichtigsten Oscars aufgezeichnetes Werk profitiert enorm von der Präsenz der beiden gegensätzlichen Hauptdarsteller, Jack Nicholson und Louise Fletcher liefern sich ein mitreißendes Duell.
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Platz 10
McCabe & Mrs. Miller
Robert Altman | 1971 | USA
In dem New Hollywood-Western McCabe & Mrs. Miller formuliert Autorenfilmer Robert Altman einen Abgesang auf den amerikanischen Traum und dekonstruiert das Genre. Von der großen Freiheit ist hier nichts zu spüren, das Geschehen spielt sich in einer verschneiten Berglandschaft ab, die entsättigten Bilder und die melancholische Musik Leonard Cohens lassen den Ort trist wirken. Westernhelden gibt es hier keine – Frauen haben die Hosen an, während Männer über ihre Bärte sinnieren. In dieser Western-Wirklichkeit reihen sich sinnlose Gewalt und platzende Träume aneinander, der amerikanische Traum bleibt unerreichbar.
Platz 9
Uhrwerk Orange
Stanley Kubrick | 1971 | Großbritannien, USA
Schon der Roman von Anthony Burgess sorgte für Kontroversen und galt als unverfilmbar; Stanley Kubrick gelang eine nicht weniger skandalträchtige Adaption, die nach wie vor eine verstörende Wirkung erzielt. Sein Uhrwerk Orange übernimmt nicht nur die besondere Sprache der Vorlage, sondern übersetzt dessen episodischen Stil mittels einer furiosen Inszenierung voller Tricks und Finessen. Mit seiner kommentierenden Regie fügt der Brite dem parabelhaften Sujet eine weitere Dimension hinzu. Die Leistung von Hauptdarsteller Malcolm McDowell und das retro-futuristische Setdesign runden Kubricks Meisterwerk ab.
Platz 8
Barry Lyndon
Stanley Kubrick | 1975 | Großbritannien, USA
In der reichhaltigen Filmografie von Stanley Kubrick sollte Barry Lyndon nicht übersehen werden – basierend auf dem Roman von William M. Thackeray entwarf der Meisterregisseur eine ausschweifende, höchst vergnügliche Schelmengeschichte. Kubrick kleidet den wendungsreichen, ironisch kommentierten Plot in eine opulente Bilderflut: Jede Einstellung könnte gerahmt in einem Museum hängen. Mit seinen barocken Dekors und Kostümen, der souveränen Kameraführung und der einzigartigen Lichtsetzung zündet Barry Lyndon ein visuelles Feuerwerk. Der Sprachwitz, die tragikomische Stimmung und der großartige Ryan O’Neal befeuern den Unterhaltungswert.
Platz 7
Apocalypse Now
Francis Ford Coppola | 1979 | USA
Mit Apocalypse Now brach Francis Ford Coppola die Konventionen des Antikriegsfilms auf: Lose auf Joseph Conrads Literaturklassiker Herz der Finsternis basierend, treibt der Film die Soldaten wie in einem Road-Movie durch ein fiebriges Vietnam-Wunderland. Insbesondere in der Redux-Fassung mutiert der Krieg zur irrsinnigen Oper, der gigantische Produktionsaufwand ermöglichte überwältigende Bilder und eine hypnotische Stimmung. Das herausragende Darsteller-Ensemble um Martin Sheen und Marlon Brando rundet das rauschhafte Filmerlebnis ab.
Platz 6
Beruf: Reporter
Michelangelo Antonioni | 1975 | Italien, Frankreich, USA, Spanien
In Beruf: Reporter dekonstruiert Michelangelo Antonioni das Handlungsgerüst eines Thrillers, um seinen Protagonisten auf die Suche nach dem Sinn des Lebens zu schicken. Der italienische Regisseur formt eine ambivalente Filmerfahrung mit viel Raum für Interpretation, wozu auch die außergewöhnliche formale Gestaltung beiträgt: Antonioni spiegelt den Zustand seines Protagonisten, indem er ihn in architektonisch bemerkenswerten Umgebungen platziert. Die distanzierte Kamera und die musikfreie Geräuschkulisse offenbaren die Ziellosigkeit der Hauptfigur, die von Jack Nicholson nuanciert gespielt wird.
Platz 5
Solaris
Andrei Tarkowski | 1972 | Russland
In Solaris nimmt uns der russische Meisterregisseur Andrei Tarkowski mit auf philosophische Reise in den Weltraum. Am Ort der Handlung – einer heruntergekommenen Raumstation – angekommen, entwickelt der Film eine beklemmende Stimmung und hält uns mit seinem mysteriösen Plot lange im Ungewissen. Im weiteren Verlauf tauscht Tarkowski den psychologischen Horror gegen existenzielle Fragestellungen und denkt über das Wesen der Menschheit nach. Die Vielschichtigkeit von Solaris lädt ebenso zum wiederholten Schauen ein wie die schwerelose Kamera und die atmosphärische Musik von Eduard Artemjew.
Platz 4
Der Pate II
Francis Ford Coppola | 1974 | USA
Mit der Fortsetzung von Der Pate knüpfte Francis Ford Coppola an das enorme Niveau des Vorgängers an. Der Pate II protzt erneut mit malerischen Bildern, dem stimmungsvollen Produktionsdesign und der fantastischen Musik von Nino Rota. Auch die Riege der erstklassigen Schauspieler begeistert wieder, zumal sich ein Robert De Niro in Bestform hinzugesellt. Wo Der Pate durch seine Dichte brillierte, überzeugt Teil 2 durch seine Breite: Er legt seine Figuren noch ambivalenter und den Plot komplexer an, das Mafia-Epos erreicht damit shakespearsche Ausmaße und fokussiert sich stärker auf die tragische Seite der Familiengeschichte.
Platz 3
Taxi Driver
Martin Scorsese | 1976 | USA
Taxi Driver entwirft die bedrückende Charakterstudie eines Außenseiters, der im Großstadtdschungel New Yorks verloren geht. Am von Robert De Niro meisterhaft gespielten Travis Bickle illustriert Martin Scorsese die Entfremdung des Individuums von seiner Umgebung; Bickle kann sich nicht länger verständlich machen und gleitet in eine eigene Welt ab, bis seine Gewaltfantasien in die Wirklichkeit durchbrechen. Die eindringlichen Bilder und der fantastische Jazz-Score von Bernard Herrmann verleihen Taxi Driver eine entrückte Stimmung und ziehen uns unwillkürlich in Bickles kaputte Welt. Scorsese setzt das schmuddelige New York der Siebziger Jahre eindrucksvoll in Szene.
Platz 2
Der Pate
Francis Ford Coppola | 1972 | USA
Der Pate markiert einen Gipfel der amerikanischen Kinogeschichte und vereint alle Vorzüge des klassischen Erzählkinos aus Hollywood. Wie der Erfolgsroman von Mario Puzo entwirft auch die Adaption eine detailreiche Innenansicht der Mafia, doch es ist vor allem die Inszenierung von Francis Ford Coppola, die aus dem guten Stoff einen überragenden Film macht – die makellose Regie fügt die üppige Ausstattung, die wunderschönen Bilder von Gordon Willis und die legendäre Musik von Nino Rota perfekt zusammen. Die Starbesetzung um Marlon Brando, Al Pacino und James Caan hebt die Figurenzeichnung auf ein höheres Level, die überragenden Darsteller sind die Seele des Films.
Platz 1
Stalker
Andrei Tarkowski | 1979 | Russland
Stalker verkörpert die ganze Magie des Kinos. Der Klassiker von Andrei Tarkowski spielt in der mythischen „Zone“, einem von Außerirdischen durcheinandergebrachten Landstrich, dessen besondere Stimmung der Regisseur in prächtigen Naturbildern einfängt. Da die „Zone“ voller unsichtbarer Gefahren steckt, erzeugt der russische Klassiker eine untergründige Spannung. Über die tiefsinnigen Dialoge der drei gegensätzlichen Figuren entwickelt sich die Reise durch die „Zone“ zur Selbsterkundung – bevor die Protagonisten den sagenhaften „Raum der Wünsche“ finden können, müssen sie sich selbst finden. Diese Entdeckungstour bietet ein überwältigendes Filmerlebnis.
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