Die 25 besten Filme
von 1960 bis 1969
In den Sechziger Jahren erfuhr das Medium Film einen grundlegenden Umbruch: Jahrzehntelang hatten die großen Studios das Kino dominiert und kommerzialisiert, bis sich in Frankreich Widerstand formte. Die Nouvelle Vague brach mit Traditionen und trat weltweit Neue Wellen los – in Japan, Osteuropa, den Vereinigten Staaten und Deutschland.
Die Motive und die Genres des Kinos erlebten eine Erneuerung: Junge Regisseure verschoben die künstlerischen Grenzen und erhielten durch die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen neue Themen. Aufgrund dieser Umwälzungen zählen die Sechziger Jahre zu den aufregendsten Perioden der Kinogeschichte.
Bestenlisten verkünden keine objektiven Wahrheiten, sie sind per se subjektiv und imperfekt. Die hier aufgeführten persönlichen Favoriten sollten daher als inspirierende Ergänzung zu eigenen Lieblingsfilmen verstanden werden.
Honorable Mentions
Die Sechziger Jahre haben zahllose herausragende Filme hervorgebracht, doch diese Bestenliste umfässt nur 25 Plätze. Deshalb konnten nicht alle Favoriten berücksichtigt werden; einige von ihnen sollen zumindest lobend erwähnt werden:
Starten wir in Japan, wo sich Tradition und Moderne mit Meisterwerken überboten. Aus dem klassischen Studiokino sollen Sanjuro und Zwischen Himmel und Hölle von Akira Kurosawa genannt sein, außerdem Mikio Naruses fantastisches Melodram When a Woman Ascends the Stairs, Barfuß durch die Hölle III hat es nicht in die Bestenliste geschafft, weil ich einen anderen Teil vorgezogen habe.
Diverse Filme aus der Japanischen Neuen Welle sind ebenfalls auf dem fiktiven 26. Platz gelandet. Dazu zählen der gesellschaftskritische B-Noir Der schwarze Testwagen, der kunstvolle Krimi The Inheritance, das kontroverse Drama Intentions of Murder, die poppige Prostituiertenballade Gate of Flesh sowie A Legend Or Was It?, der die japanischen Berge in den Wilden Westen verwandelt.
Auch in den Vereinigten Staaten konkurrierten klassische Studiofilme mit dem modernen Ansatz der New Hollywood-Ära. Bei den klassischen Vertretern blieb kein Platz mehr für Stanley Kubricks Lolita, den Politkrimi Sturm über Washington, Billy Wilders Komödienklassiker Das Appartement sowie das Melodram Die Tage des Weines und der Rosen. Auch zwei großartige Horrorfilme haben eine Platzierung knapp verpasst – Die Nacht der lebenden Toten und Schloss des Schreckens. Drei Klassiker des New Hollywood konnten auch nicht berücksichtigt werden: Ein Mann wird gejagt, Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss und Blast of Silence.
Die Sechziger Jahren waren das Jahrzehnt der Veränderung. Das ging auch am Western nicht spurlos vorbei, der in Italien revolutioniert wurde. Sergio Leones Vorreiter Für eine Handvoll Dollar hat es leider ebenso wenig auf die Liste geschaffte wie Sergio Sollimas wunderbare Italowestern Lauf um dein Leben und Der Gehetzte der Sierra Madre. Der US-Meilenstein The Wild Bunch blieb ebenfalls außen vor.
Neben den italienischen Western blühte auch das Autorenkino des Landes auf. Gerne hätte ich Michelangelo Antonionis Die Nacht und Luchino Viscontis Der Leopard auf der Bestenliste untergebracht. Weitere europäische Filme, die ich streichen musste, sind Rainer Werner Fassbinders Frühwerk Katzelmacher und zwei schwedische Skandalfilme: Ingmar Bergmans Das Schweigen und das Jugenddrama 491.
Besonders viele Wackelkandidaten kommen aus Frankreich. Es blieb leider kein Platz für Jean-Luc Godards Meilenstein Außer Atem, den großartigen Krimi Der siebte Geschworene, den spannenden Gefängnisfilm Das Loch und den zeitlosen Politthriller Z – Anatomie eines politischen Mordes. Zudem mussten gleich drei Filme vom Jean-Pierre Melville, dem Meister des Gangsterfilms, außen vor bleiben. Der eiskalte Engel, Armee im Schatten und Der zweite Atem haben eine Platzierung knapp verpasst.
Beenden wir diese Aufzählung mit einer schnellen Reise um die Welt, folgende Filme sollen ebenfalls empfohlen sein: Luis Buñuels mexikanische Farce
Der Würgeengel, die ungarische Politsatire Der Zeuge, das archaische türkische Drama Trockener Sommer, der bildschöne kubanische Propagandafilm Ich bin Kuba sowie das bedrückende koreanische Nachkriegsdrama Aimless Bullet.
Platz 25
Die große Stadt
Satyajit Ray | 1963 | Indien
In Die große Stadt erzählt Satyajit Ray von großen Veränderungen im Kleinen: Der Film schildert den Wandel der indischen Gesellschaft am Beispiel einer Hausfrau, die erstmals eine Arbeit aufnimmt, um die klamme Familienkasse aufzubessern; ein Akt der Emanzipation, der sich nachhaltig auf die Ehe und das Verhältnis zu Schwiegereltern und Kindern auswirkt. Rays Herangehensweise ähnelt der von Yasujiro Ozu: Seine Erzählkunst fußt auf einfachen Mitteln, er macht keinerlei Aufhebens um sein Können und entfaltet den Plot so leicht und natürlich, dass wir wie von selbst darin aufgehen. Die zeitlosen Themen und die vielschichtigen Figuren führen zu einem Finale, dessen menschliche Wärme schier die Leinwand sprengt – eine der schönsten Szenen in Rays reichhaltigem Œuvre.
Platz 24
Paris gehört uns
Jacques Rivette | 1961 | Frankreich
Paris gehört uns zählt zu den frühsten Vertretern der filmischen Postmoderne und entwirft ein ewiges Rätsel: Er handelt entweder vom Alltag einer orientierungslosen Studentin oder beschreibt eine geheime Verschwörung, die ganz Frankreich erfasst. Weil der Debütfilm von Jacques Rivette das Geschehen ausschließlich aus der Sicht der ahnungslosen Protagonistin erzählt, bleibt uns ein Großteil der möglichen Handlung verborgen. Mit seiner spröden Inszenierung verstärkt der Regisseur den Eindruck des Nicht-Fassbaren noch. Sein sperriger Kunstfilm verzichtet auf eine Auflösung und mag daher zunächst unbefriedigend wirken, sein zeitloses Mysterium kann so jedoch immer wieder aufs Neue erkundet werden.
Platz 23
Das süße Leben – La Dolce Vita
Federico Fellini | 1960 | Italien
Das süße Leben zählt zu den zentralen Filmen im Werk von Federico Fellini und gewann 1960 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen von Cannes. In seinem Opus Magnum schildert der Ausnahmeregisseur das bedeutungsleere Leben der römischen Schickeria und die Sensationslust der Medien daran. Dabei wechselt Fellini gekonnt den Tonfall: Leichtfüßige Ironie, banale Nichtigkeiten und bittere Tragik fließen nahtlos ineinander. Die todschicken Schwarz-Weiß-Bilder bleiben ebenso in Erinnerung wie die energiegeladenen Auftritte von Marcello Mastroianni und Anita Ekberg.
Platz 22
Spiel mir das Lied vom Tod
Sergio Leone | 1968 | Italien
Auf keinen Western passt der Begriff „Pferdeoper“ besser als auf Spiel mir das Lied vom Tod: Handlung und Figuren sind nur rudimentär angelegt, aber die brillante Inszenierung von Sergio Leone formt daraus ein Monument für die Ewigkeit. Die unerreichte Grandezza des Klassikers fußt auf einer enormen Szenenlänge und der unverwechselbaren Musik von Ennio Morricone, die Leone ebenso genial nutzt wie die gnadenlose Aura von Charles Bronson und Henry Fonda. Das führt zu einigen der ikonischsten Szenen in der Geschichte des Genres.
Platz 21
Iwans Kindheit
Andrei Tarkowski | 1962 | Russland
Schon in seinem Debütfilm Iwans Kindheit gab sich Andrei Tarkowski als Meister zu erkennen: Der russische Filmemacher begleitet einen Jungen durch den Zweiten Weltkrieg und transportiert dessen Traumata über beeindruckende Bilder. Tarkowski visualisiert Iwans Dasein als Wechselzustand zwischen Realität und Albtraum; das erzeugt im Zusammenspiel mit der ausgeprägten Symbolik eine verwunschene Stimmung, verleiht dem Krieg jedoch auch einen besonderen Schrecken.
Platz 20
Angst
Kostas Manoussakis | 1966 | Griechenland
Im griechischen Klassiker Angst deckt eine Bauernfamilie die Mordtat ihres Sohnes und gerät dadurch in eine innere wie äußere Krise. Der Film von Kostas Manoussakis brilliert darin, die vermeintlich idyllischen Sommerbilder mit einer enormen psychologischen Spannung aufzuladen. Die formale Qualität – Manoussakis findet immer wieder aufs Neue fabelhafte Stilmittel – sorgt für eine fiebrige Stimmung und alptraumhafte Szenen; die kluge Charakterisierung der Figuren und ein regelmäßig aufblitzender schwarzer Humor vertiefen den Film zusätzlich.
Platz 19
Bis das Blut gefriert
Robert Wise | 1963 | USA
Bis das Blut gefriert beruht auf einem der einflussreichsten Romane der Horrorliteratur, die Vorlage inspirierte u. a. Stephen King zu Shining. Die Adaption von Robert Wise wird der Vorlage gerecht: Mittels einer souveränen Kamera und einer effektvollen Beleuchtung etabliert der Regisseur das spukige Anwesen und die eigenartige Stimmung. Dabei bleibt Wise durchweg subtil und baut über weite Strecken auf die ambivalenten Figuren; erst in der zweiten Filmhälfte lässt er die Stimmung gekonnt kippen und sorgt mit wirkungsvollen Spannungsszenen für eine veritable Gänsehaut.
Platz 18
Red Angel
Yasuzō Masumura | 1966 | Japan
Der Antikriegsfilm Red Angel pendelt zwischen den Extremen: Nihilismus und Humanismus stehen hier gleichberechtigt nebeneinander und bilden eine absurde Mischung, die den Wahnsinn des Zweiten Weltkrieges widerspiegelt. Eine junge Krankenschwester und ein drogensüchtiger Arzt stehen im Zentrum der Geschichte, die über weite Strecken in einem Lazarett spielt, in dem sich regelmäßig amputierten Gliedmaßen stapeln. In Red Angel zerstört der Horror des Krieges die Protagonisten nicht nur körperlich, sondern auch geistig – sie verkommen zu leeren Hüllen, die versuchen, sich einen letzten Rest Menschlichkeit zu bewahren.
Platz 17
Schwarzer Kies
Helmut Käutner | 1961 | Deutschland
Mit dem Noir-Melodram Schwarzer Kies plante Helmut Käutner einen gezielten Angriff auf deutsche Tabus: Der Regisseur nimmt die hässlichen Seiten des Wirtschaftswunders ins Visier und zerlegt das Idealbild des deutschen Wiederaufbaus am Beispiel einer Kleinstadt, die von Zynismus und Gier durchzogen ist. Käutner kombiniert eine stimmungsvolle Milieubeschreibung mit hübschen Schwarz-Weiß-Bildern und einem omnipräsenten Fatalismus, der uns bis zuletzt im Unklaren darüber lässt, ob wir einer Liebesgeschichte oder einer Tragödie beiwohnen.
Platz 16
Das Irrlicht
Louis Malle | 1963 | Frankreich
Mit viel Gefühl für Stil und Stimmung inszeniert Louis Malle in Das Irrlicht den melancholischen Abgesang eines Lebensmüden, der nach dem Alkoholentzug durch das fad gewordene Paris getrieben wird. In stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Bildern fängt der Regisseur die Odyssee des Protagonisten ein und sinniert dabei über die Möglichkeiten unterschiedlicher Lebensentwürfe und die Frage, welcher Sinn dem Leben innewohnt. Die berühmte Klaviermusik von Eric Satie und das Schauspiel von Maurice Ronet gleichen einander in ihrem Minimalismus, in dem sich die ganze Welt verbirgt.
Platz 15
Schlacht um Algier
Gillo Pontecorvo | 1966 | Algerien, Italien
Schlacht um Algier ist ein ungewöhnlicher Antikriegsfilm: Er schildert den algerischen Unabhängigkeitskampf gegen die französische Kolonialherrschaft ohne eine konventionelle Handlung und verzichtet auf Heldenfiguren. Stattdessen nutzt Gillo Pontecorvo einen dokumentarischen Ansatz, der sich als idealer Kunstgriff entpuppt: Die Originalschauplätze und die Handkamera sorgen für eine authentische Unmittelbarkeit und versetzen uns mitten in den Konflikt hinein, doch zugleich ermöglicht die erzählerische Distanz einen klaren Blick auf den Strudel der Gewalt und die Verschiebung moralischer Grenzen.
Platz 14
Für ein paar Dollar mehr
Sergio Leone | 1965 | Italien
Für ein paar Dollar mehr zählt zu den wenigen zweiten Teilen, die ihren Vorgänger übertreffen. Dank des höheren Budgets konnte Sergio Leone mit Lee van Cleef einen weiteren Star verpflichten und größere Schauwerte servieren. Doch auch inszenatorisch hat sich der Regisseur weiterentwickelt: Seine Regie steigert die Binnenspannung der Szenen deutlich und verknüpft kunstvoll Rückblenden mit Gegenwart. Die Handlung von Für ein paar Dollar mehr ist zwar nicht so fein austariert wie beim Vorgänger, der zweite Teil sorgt jedoch mit reger Abwechslung für Kurzweil und besitzt das bessere Finale.
Platz 13
Schock-Korridor
Samuel Fuller | 1963 | USA
Das B-Movie-Meisterwerk Schock-Korridor spielt ausschließlich in einer Nervenheilanstalt, die Regisseur Samuel Fuller zum Schauplatz einer Mördersuche macht. Dies ist allerdings nur ein Vorwand, um genüsslich die Neurosen der amerikanischen Gesellschaft zu sezieren. Fullers galliger Humor und die pointierten Dialoge verleihen dem Film einen hohen Unterhaltungswert; dennoch nimmt die Spannung stetig zu. Das resultiert auch aus den eindringlichen Bildern – der Film beinhaltet einige der bemerkenswertesten Szenen aus Fullers Schaffen.
Platz 12
Die Reifeprüfung
Mike Nichols | 1967 | USA
Auf dem Papier handelt es sich bei dem frühen New Hollywood-Film Die Reifeprüfung um eine romantische Komödie, dessen junger Held sich selbst finden muss, um seine große Liebe für sich zu gewinnen. Eigentlich rechnet der Film von Mike Nichols jedoch mit den Idealen der Fünfziger Jahre ab und kritisiert das gelangweilte Bürgertum. Der Film zeichnet sich durch einen enormen visuellen Einfallsreichtum aus und durch die legendäre Musik von Simon & Garfunkel. Nichols gelingt es, die kritischen und die komödiantischen Töne nahtlos zusammenzufügen und Dustin Hoffman überzeugt in seiner ersten Hauptrolle.
Platz 11
Kuroneko
Kaneto Shindô | Japan | 1968
Der japanische Geisterfilm Kuroneko besticht durch eine grandiose Bildsprache und setzt seinen Handlungsort – einen nächtlichen Bambuswald, in dem zwei rachsüchtige Geisterfrauen durchreisenden Samurai auflauern – eindrucksvoll in Szene. Kaneto Shindô taucht einen Großteil der Bilder in Finsternis und erzeugt durch eine kunstvolle Ausleuchtung harte Kontraste, die den Schauplatz der Realität entheben. Der Regisseur verstärkt den magischen Eindruck noch durch eine Reihe inszenatorischer Tricks, die mit unserer Wahrnehmung spielen; so gewinnt Kuroneko eine dichte Atmosphäre und entwickelt einen immensen Sog.
Platz 10
The War Game
Peter Watkins | 1966 | Großbritannien
Die Mockumentary The War Game beschreibt die Auswirkungen eines Atomkrieges auf Großbritannien derart drastisch, dass die produzierende BBC den Film 20 Jahre lang unter Verschluss hielt. Die Fernsehanstalt hatte eine konventionelle Dokumentation erwartet und erhielt ein filmisches Inferno: Neben den beklemmenden Bildern zeichnet sich die Arbeit von Peter Watkins durch eine große intellektuelle Schärfe aus, die den Widersinn atomarer Waffen nachhaltig herausstellt und uns mit einer Schreckensvision konfrontiert, die lange nachwirkt.
Platz 9
Point Blank
John Boorman | 1967 | USA
Point Blank zählt zu den Vorreitern der New Hollywood-Ära und hebt simples Genrekino auf ein außergewöhnliches künstlerisches Niveau. Der frühe Neo-Noir von John Boorman nutzt einen aufs Allerwesentlichste reduzierten Thriller als Gerüst für eine kunstvolle Dekonstruktion: Seine Filmsprache arbeitet regelrecht gegen die Erzählung, fragmentiert sie und setzt sie collagenhaft zusammen. Das funktioniert vor allem über einen brillanten Schnitt – die assoziative Montage vereint verschiedene Zeit- und Bedeutungsebenen zu einem komplexen Geflecht. Derweil erdet die enorme physische Präsenz von Hauptdarsteller Lee Marvin das Geschehen und hält alles zusammen.
Platz 8
Onibaba – Die Töterinnen
Kaneto Shindô | 1964 | Japan
Onibaba fängt das feudale Japan regelrecht apokalyptisch ein und schildert den täglichen Überlebenskampf zweier Frauen in einer Zeit des Krieges. Das Meisterwerk von Kaneto Shindô ist Horror- und Historienfilm, Melodram und Antikriegsparabel zugleich. Es vereint einen harschen Existenzialismus mit Bestandteilen des Genrekinos: Mordlustige Samurai, heimlicher Sex und wütende Dämonen sorgen für Spannung und eine große Ambivalenz. Die betörenden Schwarz-Weiß-Bilder erzeugen durch ihre Symbolhaftigkeit eine magische Stimmung.
Platz 7
Der Teufel mit der weißen Weste
Jean-Pierre Melville | 1962 | Frankreich
Mit Der Teufel mit der weißen Weste drehte Jean-Pierre Melville ein Referenzwerk des Gangsterfilms. Wie in späteren Arbeiten inszeniert der Regisseur das Leben der Pariser Unterwelt mit großem Fatalismus und düsteren Bildern. Durch das komplexe Drehbuch – dem Lieblingsskript von Quentin Tarantino – erhält der Film einen besonderen Reiz: Die Erzählung verweigert uns den Überblick, sodass wir das Handeln der Gangster nie einordnen können. Gut und Böse verschwimmen, unsere Sympathien wechseln, Zusammenhänge ergeben sich (zu) spät. Erst im Finale offenbart Melville das Gesamtbild, um dann mit einem packenden Höhepunkt abzuschließen.
Platz 6
Ekel
Roman Polanski | 1965 | Großbritannien
Ekel ist ein Meisterwerk des psychologischen Horrors und der erste Film in Roman Polanskis Mieter-Trilogie. Er schildert einige Tage aus dem Leben einer Frau, die sich in ihrer Wohnung verbarrikadiert und mit inneren Dämonen kämpft. Der Regisseur inszeniert den schleichenden Wandel der Protagonistin subtil: Stück für Stück bricht er die alltägliche Normalität auf, bis sie sich in einen surrealen Albtraum verwandelt. Dabei profitiert der Film enorm von Hauptdarstellerin Catherine Deneuve, die überragend spielt.
Platz 5
Psycho
Alfred Hitchcock | 1960 | USA
Psycho zeigt Alfred Hitchcock auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft – mit seinem Meilenstein definierte der Brite das Horrorgenre neu. Gekonnt spielt der Regisseur mit dem voyeuristischen Blick des Publikums und siedelt den Schrecken im Alltag an. Dank der effektvollen Inszenierung, der ausgefeilten Dramaturgie und dem berühmten Score von Bernard Herrmann erzeugt Psycho eine nervenaufreibende Stimmung. Überdies bleiben die bemerkenswerten Twists und die viel zitierte Duschszene in Erinnerung.
Platz 4
Am Rande des Rollfelds – La Jetée
Chris Marker | 1962 | Frankreich
Am Rande des Rollfelds mag „nur“ ein Kurzfilm sein, doch Chris Markers experimentelles Zeitreisedrama besitzt ein Alleinstellungsmerkmal: Marker erzählt die Geschichte ausschließlich in Standbildern. Mit diesem Kunstgriff beseitigt der Regisseur das grundlegende Manko von Zeitreisefilmen (und dem Hollywood-Remake 12 Monkeys) – die Unveränderbarkeit der zeitlichen Wahrnehmung durch uns Zuschauer. Der Film transzendiert die Zuschauer-Zeit, die nicht länger bewegt erscheint und damit ihre Bedeutung verliert. Daher bilden Form und Inhalt in Am Rande des Rollfelds eine geschlossene Einheit, woraus ein rauschartiges Filmerlebnis entsteht.
Platz 3
Harakiri
Masaki Kobayashi | 1962 | Japan
Unter dem Vorwand eines rituellen Selbstmordes entwickelt der japanische Samuraifilm Harakiri ein fesselndes Vexierspiel: Wie in einem Krimi legt der Klassiker von Masaki Kobayashi mittels einer ausgeklügelten Rückblendenstruktur nach und nach seine Geheimnisse offen. Aus den Volten der Geschichte zieht Masaki Kobayashi das größtmögliche Suspense – zum Ende des Films könnte jeder Dialog eine Gewalteruption verursachen. Die elegische Inszenierung und das eindringliche Spiel von Hauptdarsteller Tatsuya Nakadai runden das Meisterwerk ab.
Platz 2
Die Frau in den Dünen
Hiroshi Teshigahara | 1964 | Japan
Drei Genies auf dem Höhepunkt ihres Könnens prägten Die Frau in den Dünen: Der Autor Kōbō Abe, der Regisseur Hiroshi Teshigahara und der Komponist Tōru Takemitsu schufen einen Höhepunkt der Japanischen Neuen Welle. Teshigaharas Werk entzieht sich den Konventionen des Kinos und bietet ein einmaliges Filmerlebnis: Die parabelhafte Geschichte, die expressiven Bilder und die ungewöhnliche Musik entwickeln eine hypnotische Wirkung. Da sich Die Frau in den Dünen vielfältig interpretieren lässt und dabei in sich geschlossen bleibt, wohnt ihm eine zeitlose Faszination inne.
Platz 1
Letztes Jahr in Marienbad
Alain Resnais | 1961 | Frankreich
Letztes Jahr in Marienbad formulierte eine Einladung: Immer wieder aufs Neue dürfen wir dieses Monument der Filmgeschichte besuchen, uns in sein narratives Labyrinth begeben und stets neu entdecken. Das verwunschene Kurhotel und die ausschließlich aus Suggestionen bestehende Handlung aus der Feder von Alain Robbe-Grillet muten bei jeder Rückkehr anders an, denn Letztes Jahr in Marienbad lebt in besonderem Maße von der Imagination des Zuschauers. Die barocke Bilderflut und die hypnotische Orgelmusik leiten uns dazu an, unseren ganz eigenen Film zu sehen. Magischer kann Kino nicht sein.
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